Frag doch den Undertaker

Schlimme Zustände in manchen Altenheimen

Hallo Tom,

zunächst vielen Dank für das tolle Weblog. Ich bin seit über einem Jahr Leser und bin begeistert aus der Mischung aus Information und Unterhaltung. Jetzt habe ich auch mal eine Frage:
Ich bin kürzlich mit unserem örtlichen Bestatter ins Gespräch gekommen (er hat zu Allerheiligen Grabgestecke auf dem Friedhof verkauft – macht Ihr sowas auch?)
Auf jeden Fall hat er mir erzählt, er müsse öfter Menschen aus Heimen abholen, die sehr schlecht gepflegt wurden. Viele wunde Stellen am Körper, offenes Fleisch usw.
Er meinte, eigentlich müsste man solche Zustände melden. Aber das könne er ja nicht, da er ja sonst nicht mehr in dieses Heim hinein dürfte. Leider gäbe es keine Möglichkeiten, sowas anonym zu melden.

Erlebt ihr in Pflegeheimen auch solche Zustände und gibt es für Bestatter tatsächlich keine Möglichkeit, dies anzuzeigen, ohne sich selbst Probleme zu schaffen?

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Danke schonmal im Voraus für die Beantwortung

Zunächst einmal: Nein, wir verkaufen an Allerheiligen keine Grabgestecke auf dem Friedhof. Im Vorfeld der Totengedenktage stellen wir einen Tisch mit verschiedenen Grablichten und Laternen auf und es kommen oft noch Leute auf den letzten Drücker, die sich wo etwas holen. Aber in der Regel machen die Friedhofsgärtnereien an diesen Tagen das Geschäft. Ein Friedhofsgärtner hat sich das Prinzip der „Gladiolenfelder“ (meine Tochter sagt immer Gladiatorenfelder) zu Eigen gemacht. Man kennt das doch: Blumen selbst schneiden oder fertigen Strauß wegnehmen und das Geld einfach in einen aufgestellten Behälter werfen.

So hat das auch der Friedhofsgärtner gemacht. Er hat den ganzen Weg von der Straße bis zum Haupteingang des Friedhofs (der führt zum Teil über sein Grundstück) links und rechts mit schönen Grabgestecken „gepflastert“ und überall ein Preisschild drangesteckt. Am Ende des Weges stand ein kleines Tischchen und seine Tochter hat abkassiert, wenn sich jemand was genommen hat.
Angeblich ein Bombengeschäft.
Nicht so ganz erlaubt, wenn man die Friedhofsordnung kennt, aber vor den Augen der Behörde sind alle gleich, nur manche sind eben gleicher…

Was die Altersheime anbetrifft: Ja.

Ich schrieb schon mal etwas darüber und erntete Protest von hier mitlesenden Pflegekräften. Das könne alles gar nicht sein, man würde sich doch so sehr um die lieben alten Menschen kümmern…
Ich glaube das auch und ich sehe doch auch aus welchen Heimen wir Verstorbene abholen, die keine solche Merkmale aufweisen und von wo wir Leichen bekommen, die eben anders aussehen.
Große offene Liegegeschwüre, ausgemergelte und ausgetrocknete Greise und Greisinnen und Menschen die im Schambereich so wund sind, daß es einem beim Hinschauen weh tut, sie müssen oft unglaublich lange in Urin und Kot gelegen haben. Ja, das gibt es…

Ein Kollege hat einmal Anzeige erstattet, es ist einfach im Sande verlaufen. Ein anderer Kollege in einer anderen Stadt hatte mehr Erfolg, der Fall ging erst unlängst durch die Presse, die Rolle des anzeigenden Bestatters wurde aber nicht erwähnt, im Vordergrund standen die empörten Angehörigen, die allerdings, soviel ich weiß, ihre Mutter nie besucht hatten und erst durch die Anzeige des Bestatters überhaupt von den Mißständen erfahren hatten.

Eine Pflegerin sagte mir erst unlängst: „Wir würden ja gerne, aber uns fehlt die Zeit, da bleiben 12 Minuten netto und wenn es bei einem mal ne Minute länger dauert, habe ich für den nächsten schon fast zu wenig Zeit um überhaupt was zu machen. Unser Haus gehört seit drei Jahren einem Konzern, da ist alles moderner und schöner geworden, die haben viel investiert, aber beim Personal nur eingespart. Ich kann nichts anderes tun, als das Schlimmste zu verhüten, muß aber zusehen, wie die Alten quasi verdursten. Da ist doch sowieso das Hauptproblem: Alte Menschen haben oft kein ausreichendes Durstgefühl mehr und eigentlich müssten wir sie den ganzen Tag dazu anhalten, immer wieder was zu trinken; die Austrockung ist mit das Schlimmste, aber uns fehlt einfach die Zeit. Für den Konzern zählen nur die Belegungszahlen, mehr nicht; alles betriebswirtschaftlich jetzt, das bleibt das Menschliche auf der Strecke. Besser war das, als wir noch Nonnen als Cheffinnen hatten, die haben für Gotteslohn gearbeitet und haben sich einfach immer die Zeit genommen. Die konnten auch mal bei einem Sterbenden am Bett sitzen bleiben und mit ihm singen und beten. Heute? Heute sehen wir das einer stirbt und ne Stunde später kann mal eben jemand nachgucken gehen, ob es schon vorbei ist…“

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(©si)