Menschen

Schon einmal im Sarg geschlafen?

Ob ich mich schon mal in einen Sarg gelegt habe, das wollten die Macher der Sendung „Wosch“ von Radio NRJ in einem Interview von mir wissen. Hintergrund war ein Pressebericht über asiatische Medizinstudenten, die im Rahmen ihres Studiums zum besseren Verständnis des Todes vorübergehend in einen Sarg gelegt werden.

Ob ich sowas wohl für notwendig halte und was es denn sonst noch Skurriles im Bestatterberuf so gibt, wollte man wissen.

Ich habe das brav beantwortet und dann per Mail noch einen Sendungsmitschnitt als MP3-Datei erbeten. Leider habe ich den nicht bekommen. Das scheint bei den Radiomachern und Fernsehleuten aber oft so der Fall zu sein.
Man ist ja als Normalbürger den Umgang mit den Medien nicht so gewöhnt und entsprechend groß ist die Aufregung, wenn man dann vor der Kamera stehen soll oder am Telefon interviewt werden soll.

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Wenn das Ganze dann vorüber ist und auch noch gut geklappt hat, freut man sich natürlich, wenn man als einzige kleine Anerkennung wenigstens einen Sendungsmitschnitt als kleine Erinnerung bekommt.

Bleibt diese dann aus, dann ist das fast so ärgerlich, wie letztes Jahr die Einladung vom NDR zu einer Talkshowsendung, für deren Termin meine Frau und ich uns schon Urlaub genommen und die Kinder weggeplant hatten und dann doch zu Hause bleiben mussten, weil Yogi Rashnawar als Blitzgast eingeladen wurde, um etwas über eine aktuelle Katastrophe zu erzählen.

Ein Sender meinte mal, so ein Interview übers Telefon klinge immer so blechern, ich könne stattdessen doch mal eben an die 100 Kilometer zum Studio fahren und das dann dort machen. Nun gut, ich habe also 200 Kilometer an der Backe, was bei den heutigen Bezinpreisen ja schon 20-28 Euro kostet, dann etwa drei Stunden Fahrt- und Arbeitszeit, was man vielleicht mit 100 Euro veranschlagen könnte und ich trage ja auch dazu bei, daß mit meinem fast viertelstündigen Wortbeitrag eine Sendung gestaltet werden kann, bei der der Sender ja wohl erhebliche Werbeeinnahmen hat.
Da habe ich dann ganz bescheiden gefragt, wie es denn mit dem Bezingeld aussieht…
Ach, Du meine Güte, ich hätte auch fragen können, ob die Redakteurin Lust hat nackig unter meinen Schreibtisch zu kriechen…
Er hat das E-Wort gesagt, das Wort, das mit Eu anfängt und mit ro aufhört! Um Himmels Willen!

Manchmal rufen auch Buchhandlungen an, die eine Lesung haben möchten oder die fragen, ob ich ein Dutzend Bücher signiere usw.
Mache ich gerne, kein Problem.
Eine Buchhandlung ruft an, möchte gerne daß ich komme, weil der örtliche Verein „Trauercafé“ einen Abend veranstaltet. 300 Kilometer Fahrt.
Der Verein sei aber gemeinnützig.
Ja ja, aber 300 Kilometer, das sei schon eine gewisse Entfernung und wenn ich die hinter mir habe, wünsche ich mir, so verwöhnt wie ich bin, daß ich irgendwo Pipi machen und mich frisch machen kann, wie man so sagt.
Dann brauche ich eine kurze Zeit der Besinnung und eine Tasse Kaffee, denn ich will ja nicht unvorbereitet etwas dahin stammeln, sondern pfiffig und unterhaltsam vortragen können.
Und wenn der Abend dann gelaufen sei, der soll insgesamt fast drei Stunden gehen, dann müsse ich ja auch irgendwann mal irgendwas essen und anschließend mein müdes Haupt irgendwo auf ein Kissen parken, um am nächsten Tag dann wieder 300 Kilometer nach Hause zu fahren.

„Ja, wie jetzt? Der Verein ist doch gemeinnützig.“

„Ja, das mag ja sein, aber Sie müssen doch verstehen, daß das nicht ganz kostenlos sein kann. Ich meine, ich komme von weit her, opfere meine Zeit, trage zum Gelingen des Abends bei und dafür müsste es doch irgendeine kleine Entschädigung geben. Wenn der Verein gemeinnützig ist und das Ganze sozusagen für den berühmten guten Zweck ist, dann nehme ich kein Honorar, aber meine Kosten müssen doch wenigstens gedeckt sein.“

„Moment mal, wir die Buchhandlung ‚Leseratte‘ stellen ja einen Büchertisch auf.“

„Ja und?“

„Da legen wir dann Ihre Bücher aus und da werden bestimmt so zwischen zehn und fünfzig verkauft.“

„Na prima, vom Buchmarkt haben Sie keine Ahnung, nicht wahr?“

„Ja wieso denn? Wenn da sagen wir mal 50 Bücher verkauft werden, dann haben Sie doch locker einen Hunderter im Sack.“

„Selbst wenn hundert Bücher verkauft würden, hätte ich nur ein paar Euro damit verdient und die bekäme ich nach einem guten Vierteljahr im Rahmen meiner Tantiemenabrechnung. Sie als Buchhandlung, haben aber sofort zwischen 200 und 400 Euro verdient.“

„Ich kann Ihnen die Adresse von einem Hotel geben und wenn Ihnen das zu teuer ist, haben wir hier auch eine kleine Pension, da ist das Klo zwar übern Flur, aber dafür sind die günstig.“

„Eigentlich dachte ich, daß Sie das buchen und bezahlen, aber nicht so mit Klo überm Flur…“

„Wir?“

„Ja sicher, Sie, der Verein, die Gemeinde, der Veranstalter…“

„Na hören Sie mal, da machen wir kostenlos Werbung für Sie und dann sollen wir auch noch was bezahlen?“

„Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann soll ich 600 Kilometer fahren, eine Übernachtung selbst bezahlen, den Auftritt kostenlos abliefern und Sie als Buchhandlung haben den Verdienst davon?“

„Nee, nee, Sie könnten ja auch am Abend noch nach Hause fahren, dann sparen Sie sich die Übernachtung und der Verdienst ist ja nicht besonders hoch, denn wir teilen die Eintrittsgelder ja mit dem gemeinnützigen Verein.“

„Ach, Eintritt verlangen Sie auch noch?“

„Ja, was denken Sie denn? Wenn wir uns schon die Mühe machen, einen Autoren von weit her zu holen, der hier ein bis zwei Stunden vorträgt, dann sollen die Leute ruhig eine Kleinigkeit dafür bezahlen.“

„Wie groß ist denn diese Kleinigkeit und wieviele Leute kommen da denn so für gewöhnlich?“

„Wir nehmen grundsätzlich immer zwölf Euro und die Sache findet in der Kolping-Halle statt und da passen 200 Leute rein und die ist immer voll.“

„Ach soooo! Da nehmen Sie noch eben 2.400 Euro Eintritt ein und dann sind Ihnen 80 Euro für ein Zimmer für mich zuviel?“

„Das sind nur 1.200 Euro, denn wir teilen ja mit dem Trauercafé und die Halle kostet auch 100 Euro für den Abend.“

„Nee, also wirklich nicht. Das ist in meinen Augen eine rein kommerzielle Veranstaltung, was an sich ja nichts Schlimmes ist, aber dann möchte ich vom Kuchen gerne auch soviel abhaben, daß wenigstens meine Kosten gedeckt sind.“

„Darüber ließe sich ja reden.“

„Ach was, jetzt auf einmal?“

„Na ja, sagen wir 120 Euro. Na, was sagen Sie?“

„Ich bin sprachlos!“

„Nicht wahr?“

„Nee, wirklich, das ist ja wohl das Frechste und Unverschämteste, was mir jemals untergekommen ist.“

„Dann lassen Sie es eben, dann nehmen wir den Herrn Achternbusch, der kann auch gut vorlesen.“

„Ach, und der hat auch ein Buch geschrieben?“

„Nee, wieso das denn, der liest dann aus ihrem Buch vor und wir machen einen Büchertisch. Ist für Sie natürlich völlig kostenlos.“

„Passen Sie auf, rufen Sie doch mal bei meinem Verlag an und erzählen Sie das dem Veranstaltungsdienst dort. Die freuen sich immer, wenn sie was zu Lachen haben.“

„Moment mal, da ist doch eine Falle dabei, oder? Am Ende rufe ich da an und dann kostet das Vorlesen was, oder?“

„Ja, genau.“

„Ihr Autoren seid nur hinterm Geld her, sowas von geldgeil, voll der Kommerz! Da machen wir eine schöne Veranstaltung und Sie bekämen alles an kostenloser Reklame und Sie machen das durch Ihre unverschämten Forderungen kaputt!“

„Tschüß!“

„Ja, wie jetzt?“

„Tschüß!“

„Soll das heißen, Sie kommen dann?“

„Nö.“

„Mist!“

Die Veranstaltung hat stattgefunden. Der Heimatdichter Willy Kamplick hat, wie schon in den vier Jahren davor, aus seinem schmalen Lyrikbändchen „Vom Zittern der Pappeln“ alle vierzehn Gedichte vorgetragen. Ein Buch wurde an diesem Abend nicht verkauft, jedoch konnte der multitalentierte Künstler sechs selbstgefertigte Postkarten für je zweifünfzig verkaufen, wovon die Buchhandlung „Leseratte“ allein vier Stück abgenommen hat.

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(©si)