Menschen

Schweinehysterie

„Sind Sie der Schweinenacken?“

Ich schaue an mir herunter, bleibe bei der Überzeugung, ein gestandener Mann zu sein und schüttele nur das müde, alltagsgeplagte Haupt.

Die Wurstwarenundfrischfleischfachverkäuferin fühlt sich in ihrer Arbeitswut gehemmt und verbessert sich mit genervter Müdigkeit in der Stimme:

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„Okay, sind SIE der MANN, der wo da von dem Schweinenacken bekommt?“

Der ‚wo da von‘! Wodafon oder was?
Ich schüttele wieder meinen Kopf, denn die mit dem Schweinenacken, soviel habe ich mitbekommen, ist eine schweinsfüßige, dicke Blonde halbrechts vor mir.

Schweinefüße… Kennt ihr Schweinefüße? Ich bezeichne das so, wenn Frauen ziemlich dicke Füße haben und diese in offenbar viel zu enge und etwas hochhackige Schuhe pressen, sodaß an den Stellen, an denen der Schuh, den Fuß nicht mehr zu bedecken und einzuzwängen vermag, Fettwülste hervorquellen.

Die dicke Blonde hat solche Füße und sie hatte vorher geblökt: „Habter noch vom Schweinenacken?“

Ich fragte eigentlich nur nach einem Ring Fleischwurst und das hatte die kleine Italienerin, die vier Kunden gleichzeitig bedient, dazu veranlasst, durch die Schwingtür zur Wurstküche zu rufen:

„Sahabihineee, eima Schweinenacken und bring mich auch Fleischwurst mit!“

Wenn so Fleischfachverkäuferinnen sich unterhalten, kommt mir immer der Witz in den Sinn, den manche sicher schon kennen werden:

Sagt eine Kundin in der Metzgerei:

„Ich hätt‘ gern von der dicken groben Leberwurst.“

Sagt die Fleischfachverkäuferin:

„Die dicke Grobe ist heut‘ in der Berufsschule, aber Leberwurst kann ich Ihnen auch verkaufen.“

Jaja…

„Sind Sie das dann, die wo da von dem Schweinenacken was kriegt?“ fragt die andere nun die schweinsfüßige Blone und die nickt. Kriegt?

Da fällt mir dann auch mein zweiter Metzgerswitz ein, dann soll’s auch wieder gut sein:

Sagt eine dicke Frau in der Metzgerei: „Ich krieg einen Rollbraten.“

Schaut der Metzger auf ihren dicken Bauch und sagt erstaunt: „Meine Güte, den hätt‘ ich aber wegmachen lassen.“

Jaja…

Ich bin also weder der Schweinenacken, noch habe ich Schweinefüße und möchte nur einen Ring Fleischwurst.
Da steckt Metzgermeister Kimmeskamp seinen dicken und stets hochroten Kopf durch die Schwingtür, zeigt mit einem Finger, an dem sichtbar Gehacktes hängt, auf mich:

„Krisse Fleischwurst?“

„Ja, ich hätte gerne einen Ring Fleischwurst.“

„Kommt gleich, hol‘ ich ebend.“

Kaum zehn Sekunden später kommt der blaugestreifte Metzgersmeister mit einer Metallstange, an der die verschiedensten Würste baumeln und hängt sie hinten an die Wand des Ladens: „Da sintze, krisse gleich watte wills, Tüsskes!“

Die Schweinsfüßige ist abgefertigt und ein Monteur im Blaumann hibbelt hinter mir von einem Fuß auf den anderen. Ich lasse ihm den Vortritt, mach ich immer so. Wenn ich irgendwo an der Kasse so Leute sehe, von denen ich den Eindruck habe, sie müssen in einer ohnehin nur knappen Arbeitspause was einkaufen, dann schenke ich ihnen Zeit und lasse sie vor. Der Blaumann bedankt sich artig auf Sächsisch und zieht einen ellenlangen Zettel auf der Brusttasche. 12 Schnitzel, 8 Frikadellen, drei mit Brötchen, fünf mit Brot, einmal bitte mit Senft (!) und den Rest alles mit Ketschupppp…

Die Italienerin hat das alles im Griff und die, die mich fragte, ob ich der Schweinenacken bin, sortiert derweil die Würste auf Meister Kimmeskamps Wandstange. Hinter mir stürmen die Hunnen den Laden, genauergesagt drei kleine schulpflichtige Abkömmlinge der Hunnen, denen der Hunnenpapa kein Benehmen beigebracht hat. Ein Geschrei als habe die ganze Sesamstraße Ausgang und natürlich und selbstverständlich schreien die Gören ihre Bestellung einfach über die Theke, fassen alles an, boxen und schubsen sich und es ist Kirmes in der Metzgerei.

Endlich erbarmt sich die Wurstringsortiererin, wendet sich mir zu und fragt: „Und watt war datt getz bei Ihnen?“

„Ein Ring Fleischwurst bitte.“

„Helle, dunkle oder die mit Knobi?“

„Ganz normale Fleischwurst, bitte.“

„Woher soll ich denn wissen, watt bei Ihnen normal is?“

„Die da vorne“, sage ich und deute auf einen Ring an der Stange, der mir geeignet scheint.

„Sons noch watt?“

„Nein danke.“

Sie legt drei Lagen Pergamentpapier auf die Waage, die zeigt 4 Gramm an, dann klatscht sie den Wurstring auf das Papier und noch während die Waage verschreckt zwischen -147 Gramm und 3.876 Gramm hin und her springt, sagt sie: „Sind genau 325 Gramm!“ und stopft mir das Pergamentpapier und die Wurst in eine Tüte.

„Dreifuffzich! Is aber mit Knobi.“

„Was?“

„Die Wuarst!“

„Wie bitte?“

„…mit Knobi!“

„Nein, ich möchte keine Wurst mit Knoblauch, ich wollte eine ganz normale Fleischwurst.“

„Hammse sich doch selbst rausgesucht.“

„Ja, ich habe auf eine Wurst da an der Stange gezeigt, aber mehr wegen der Farbe, weil sie fragten ob ich eine helle oder eine dunkle Wurst will. Ich sagte doch, daß ich eine ganz normale Fleischwurst will.“

In dem Moment steckt Meister Kimmeskamp wieder seinen roten Kopf durch die Schwingtür, sieht mich immer noch im Laden und fragt: „Hasse deinen Schweinenacken immer noch nich? Wartma, ich hol dir einen!“ Weg isser.

Die Sortiererin tauscht meinen Knobiwurstring gegen einen anderen aus: „Müssen se sich merken, wenn auffem Darm son dünner grüner Streifen is, dann is auch Knobi drin.“

„Ich werd’s meinem Proktologen sagen.“

„Watt?“

„Nix.“

„Dann is ja gut, noch’n Wunsch?“

„Nö.“

„Ja dann Tüss und schönen Tach noch!“

Und während ich den Laden verlasse und mich draußen vor der Tür durch die mittlerweile dort campierenden Hunnenkinder kämpfe, höre ich wie Meister Kimmeskamp durch die Metzgerei ruft: „Wie? Is der Schweinenacken jetzt gegangen?“

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(©si)