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Sonja im Druck

Das kleine aber feine Bestattungsunternehmen von Sonja entwickelte sich in den ersten Monaten ganz anständig. Jede Woche hatte sie zwei bis drei Sterbefälle abzuwickeln und damit auch genug zu tun. Als Jungunternehmerin gab sie sich besonders viel Mühe und investierte fast schon zuviel Zeit in jeden einzelnen Fall. Den Kunden gefiel das aber und Sonja hatte große Freude an ihrem Beruf.

Diese Freude wurde aber durch einige Punkte etwas getrübt. Bis zu diesem Tag war nämlich die versprochene Sarglieferung des Subunternehmers der BONATIAS ausgeblieben. Eigentlich hatte Sonja erwartet, daß man ihr eine kleine Auswahl an Särgen liefern würde, damit sie auch ein paar Modelle in der Ausstellung präsentieren kann. Dem war aber nicht so und die Särge wurden nur einzeln für jeden Sterbefall gebracht.

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Besonders merkwürdig fand Sonja, daß der Sarglieferant nach drei Monaten eine Rechnung mitbrachte. Daß sie die Särge irgendwann bezahlen muß, das war ihr klar, nicht aber die hohen Preise. Also rief Sonja beim Lieferanten an und erkundigte sich, warum denn beispielsweise das Modell K21, Kiefer, in Eiche gebeizt mit Schnitzung, nicht 200 sondern satte 390 Euro kosten soll.

„Da müssen Sie mit der BONATIAS reden, wir haben unsere Vorgaben“, war die Antwort des Sarglieferanten.

Bei der BONATIAS eröffnete man ihr, daß die günstigen Preise ja nur dann gelten würden, wenn sie die Auftragsvorgaben auch erfülle. „Das sind Staffelpreise und Sie liegen ja weit unter den Erwartungen, da kommen Sie gar nicht in den Genuss der niedrigen Staffelpreise.“

Wie hoch die Vorgaben sind, wußte Sonja ja, aber bislang hatte man ihr gesagt, die vorgegebenen 20 Sterbefälle pro Monat seien ein Fernziel. Jetzt hieß es aber, das müsse man schon bringen, sonst sei das am Ende für die BONATIAS noch ein Verlustgeschäft und an den Verlusten müsse man sie dann beteiligen. „Am Anfang muß der Schweiß schon rinnen, denn Sie wissen ja: Ohne Fleiß keinen Preis!“

20 Aufträge! Wie sollte sie das schaffen? Aber auch da hatte die BONATIAS eine Lösung parat: „Da muß man sich regen und auch mal mit Krankenhäusern und Pflegediensten sprechen. Man kann nicht nur wie die Spinne in ihrem Netz sitzen und darauf warten, daß zufälligerweise mal jemand kommt. Da muß man auch mal den Arsch wackeln lassen. Hehehe!“

Aber so funktionierte das nicht. Die Heime schienen alle feste Absprachen mit der Konkurrenz zu haben und überhaupt war es mehr als schwierig Kontakt zu den jeweiligen Leuten zu bekommen. Es schien Sonja so, als nähme jeder von irgendwem Schmiergeld an, aber gleichzeitig tut jeder so, als sei das für ihn völlig undenkbar.

So ging das weitere drei Monate und Sonja blieb bei ihrem Schnitt von 6 bis 10 Sterbefällen im Monat. Sie zog das erste Mal für sich persönlich Bilanz. Von der BONATIAS hatte sie bis jetzt im Grunde nichts weiter als ein paar Schachteln mit Bürokram und eine Kiste Papier bekommen. Auftragsbogen, Kataloge, Formulare. Ein paar Plakate und einen schäbigen Aufkleber mit dem Schriftzug „BONATIAS-Partner“. Von der tatkräftigen Unterstützung, die man ihr großmäulig angeboten hatte, war bis jetzt nicht viel zu spüren gewesen und wenn sie Herrn Schumacher, ihren Ansprechpartner bei der BONATIAS sprechen wollte, war der immer häufiger nicht erreichbar.

Zu allem kam dann noch der Ärger mit dem uralten Leichenwagen hinzu. Die Fachwerkstatt hatte einen Reparaturbedarf von über 3.000 Euro ausgerechnet, die Sonja nicht aufbringen konnte. In einer Hinterhofwerkstatt hatte sie aber immer noch stolze 1.200 Euro bezahlen müssen und damit kam das Auto dann auch über den TÜV. Dennoch machte das Auto zunehmend Ärger, sprang oft nicht an und was kann ein Bestatter weniger gebrauchen, als ein unzuverlässiges Auto.

Am meisten jedoch machte ihr eine von der BONATIAS diktierte „Preisoffensive“ zu schaffen. Jetzt sollte Sonja verstärkt Bestattungen zu einem Festpreis von 999 Euro anbieten. Unter dem Strich blieb da für sie gar nichts mehr übrig. Ja, das müsse sie durch teurere Aufträge und eine gesteigerte Zahl an Sterbefällen kompensieren. Alle anderen Franchise-Nehmer würden das auch schaffen und Riesenerfolge damit haben.

Jetzt hieß es auf einmal, wenigstens 300 Sterbefälle im Jahr seien das Minimum, um Bestand zu haben.

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