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Spät

Vor 20 Minuten hat eine Frau angerufen, deren Vater im Krankenhaus verstorben ist.

Bezüglich des Beratungstermins äußerte sie: „Ich wünsche daß Sie dann um 22 Uhr bei uns vorbeikommen. Es ist ja wohl selbstverständlich, daß Sie nicht mit dem Leichenwagen kommen.“

„Zu Beratungsgesprächen komme ich selbstverständlich immer mit einem ganz normalen PKW.“

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„Ach hören Sie doch auf, ich habe das erst letzte Woche gesehen, da stand ausgerechnet Ihr Leichenwagen eine Straße weiter vor einem Haus.“

Ich erinnerte mich gut an den Fall und sage: „Da haben wir ja auch einen Verstorbenen abgeholt.“

„Sehen Sie, also fahren Sie doch mit dem Leichenwagen rum.“

„Aber nicht zu Hausbesuchen, um eine Beratung zu machen.“

„Ich weiß ja nicht, ob ich bei Ihnen richtig bin, wenn Sie jetzt schon am Telefon so unfreundlich sind.“

Ehrlich, ich bin ganz selten unfreundlich und in diesem Fall war ich es ganz bestimmt nicht. Viel zu lange bin ich schon im Geschäft, um nicht zu wissen, wie man auch mit schwierigen Kunden umgehen muß. Ich sage zu der Anruferin: „Ich komme gerne zu Ihnen nach Hause, gibt es denn einen besonderen Grund, daß ich erst um 22 Uhr kommen soll?“

„Na hören Sie mal, das ist ja wohl einzig und allein meine Sache, nicht wahr. Oder ist es Ihnen etwa zuviel, zu uns zu kommen?“

„Nein, das macht mir nichts aus, wir sehen uns dann heute Abend.“

„Kann es sein, daß Sie gar nicht an unseren Auftrag interessiert sind? Sie müssen wissen, mein Mann ist Arzt und wir sind sehr bekannt.“

„Es macht mir wirklich nichts aus und ich komme heute Abend zu Ihnen“, sage ich und bin fest entschlossen, denen 80 Euro für einen Nachtbesuch aufzuschreiben. Ich meine, es mag ja tausende Gründe geben, warum das Gespräch zu einer ungewöhnlichen Stunde stattfinden soll. Möglicherweise reist noch jemand von außerhalb an, vielleicht hat ihr Mann als Arzt erst dann Schichtende im Krankenhaus, wer weiß. Aber die ist sowas von schnippisch, da kenne ich kein Erbarmen.

Sie seufzt und sagt: „Ich habe wirklich den Eindruck, daß ich woanders anrufen sollte. Besonders begeistert scheinen Sie ja wirklich nicht zu sein.“

„Es tut mir leid, aber ich kann doch nicht mehr sagen, als daß wir Ihren Wunsch nach einer so späten Beratung erfüllen werden.“

„Was heißt denn da spät? Bitteschön, sagen Sie mir jetzt einmal, was an 22 Uhr spät ist? Also, wissen Sie was, wir lassen das, ja? Ich rufe jetzt woanders an.“

„Ja, tun Sie das!“


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Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 17. Oktober 2007 | Revision: 5. Februar 2014

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sabrina
17 Jahre zuvor

oh man, was musst du dich mit unverschämten und arroganten leuten rumschlagen. naja, die welt ist rund. vielleicht ist sie einmal zu oft gegen nen medikamentenschrank gelaufen.

Sabine
17 Jahre zuvor

Schnippdistel, die!

Heute (?) scheint der Tag der pampigen Kunden zu sein… Ich hatte auch schon das Vergnuegen. Frei nach dem Motto "wenn sie es nicht schaffen, mich heute um 10 nach 10 anzurufen, ruf ich eben gleich um 9.35Uhr bei ihnen an"

Ines
17 Jahre zuvor

Also als ich die Befürchtung mit dem Leichenwagen las, kam mir der Gedanke in den Sinn, dass die späte Stunde bestimmt aus Furcht vorm Gerede der Nachbarn gewählt wurde…

georg
17 Jahre zuvor

@Furcht vorm Gerede: OH MEIN GOTT … DIE BESTATTEN IHREN VATER (ich dachte immer, man würde Tote in die Donau werfen ..)

/ironie off

naja .. gibt wohl eben Leute, die schon eine Bestattung als Familienschande sehen ^^

Marcel
17 Jahre zuvor

Immer wieder witzig, wie arrogant Ehefrauen mittleren Alters von Lokalprominenten sind. Mir leuchtet nicht so richtig ein, worin die denn jetzt ihre Leistung sehen. 20 Jahre Püppchen und Geldgrab spielen?

17 Jahre zuvor

“Sehen Sie, also fahren Sie doch mit dem Leichenwagen rum.”

Na sowas… und ich dachte auch immer, Leichenwagen seien nur Dekoration auf dem Friedhof… ihr FAHRT damit? [/ironie]

Komische Menschen gibt es!

DerSchuki
17 Jahre zuvor

Bei manchen kann die Nase einfach nicht hoch genug hängen.

17 Jahre zuvor

Ich finde es irgendwie unfassbar das es auch in Deiner Branche Leute gibt die so drauf sind. Auch bei dem Beitrag davor habe ich schon mit dem Kopf schütteln müssen.

Das mit dem "Gerede der Nachbarschaft" würde mir auch noch einfallen, nicht jeder hat Lust danach jedem zu sagen "ja, er ist gestorben" wenn man ständig darauf angehalten wird. Aber sie war ja regelrecht schnippig, also wird es sicher andere Gründe haben.

17 Jahre zuvor

Hmm, also für mich klingt das so, als wenn sie von jemandem gezwungen wurde, bei euch anzurufen. Da ihr das nicht gepasst hat, hat sie dir tausend Vorlagen geliefert, den Auftrag abzulehnen. 🙂

Nur leider bist du viiieeel zu höflich, um ihr den Gefallen zu tun … Schäm dich! *grins*

17 Jahre zuvor

So was zeigt mir mal wieder, dass ich nicht in der Dienstleistungsbranche arbeiten sollte. Ich wäre schon längst wütend geworden und alles andere als höflich geblieben…

Eleonore
17 Jahre zuvor

Passt nur so halb dazu:

Ich finde das Foto einfach WUNDERBAR!

17 Jahre zuvor

da könnte man sich doch fast überlegen, auf so eine kundin zu verzichten. die macht dir sicher noch viel freunde….

berichtest du, wie der termin um 16 uhr war?

17 Jahre zuvor

@eleonore: Recht hast Du, ich finde es auch toll!!!

Kevin
17 Jahre zuvor

irgendwie erinnert dieser dialog ja sehr an den kopfschüttler blog 😉

StevieMC
17 Jahre zuvor

Das wäre doch mal ein netter Fall für die Kollegen von "Eichenlaub"…

Solche Kunden wären denen doch mal zu wünschen, oder???

barbara
17 Jahre zuvor

der arme Ehemann 😉

Ich bewundere Deine Ruhe.

gruftigirl
17 Jahre zuvor

Wer auch immer beruflich mit Kundenverkehr zu tun hat, der kennt solche selbstgefälligen Kunden zur Genüge. Klasse Deine Gabe, sich diverse Schuhe nicht anzuziehen und höflich zu bleiben…

Ich weiß, ich bin da nicht die Einzige, aber Leichenwagen sind für mich einfach schöne, würdevolle Fahrzeuge. Es sei denn, Du fährst so ´nen Pampersbomber wie Mercedes Vito ohne Fensterscheiben, diese "Transporter" sind einfach nur scheußlich!!!!

ladida
17 Jahre zuvor

wenn ich so jmd im laden hab ist er ganz schnell wieder draußen… zum glück arbeite ich nicht in deinem gewerbe. 🙂

Chris
17 Jahre zuvor

Der Kunde ist König und beim Bestatter ist ja alles selbstverständlich. Mittagspause? Warum? Feierabend? Wozu. Es gab schon Kunden, die abend halb 11 in der Firma angerufen haben, um mich zu sprechen.

Hallo? Ich bin angestellt. Auch ich habe ein Anrecht auf feierabend.

Aber die Thematik mit dem BKW hatte ich auch schon. "Bitte kommen Sie nicht mit dem Leichenwagen und ziehen Sie keinen schwarzen Anzug an" 🙂

Tux2000
17 Jahre zuvor

> Ich bewundere Deine Ruhe.

Das ist Teil des Jobs. Gestresste Leute sind selten rational, und gerade der Tod eines nahen Menschen ist definitiv Stress. Das Leute dann meckern, maulen, zicken ist — zumindest teilweise — Streßabbau.

Manche Leute sind aber einfach nur Arschlöscher.

In beiden Fällen hilft professionelles Verhalten, damit umzugehen. Bei freshmeat gibt es einen sehr guten Artikel dazu, wenn auch für Administratoren/Supporter statt für Bestatter: http://freshmeat.net/articles/view/259/

(Und wer behauptet, dass Admins und Supporter keinen Umgang mit gestreßten Leuten haben, sollte sich das Video von dem netten Mitmenschen ansehen, der in seiner Bürozelle seinen Monitor zerkloppt und durch die Gegend wirft.)

Tux2000

Mac Kaber
17 Jahre zuvor

Das gibt auch eine diskrete Geheimbeerdigung, im allerengsten Familienkreis (steht so in der Todesanzeige), keine Fremden auf dem Friedhof erwünscht, und obendrein noch mit Valium zugedröhnt und in eine andere Galaxie geschossen, damit keiner was von der Trauer mitbekommt, weil man sich seiner Tränen sonst schämen würde. Ich kenne eine Frau, die den Tod ihres Mannes geheim halten wollte, dass seine Geschwister, mit denen sie sich überworfen hatte nicht zur Bestattung kommen. Drohung: "Sonst verlasse ich den Friedhof!"

OK, es ist der Bruder von 5 Geschwistern. Und ich werde persönlich bei einem der Geschwister petzen…..

Der Rest ergab sich. Es wurde eine würdige Feier, ohne dass sie davongerannt wäre, und anschliessend gab es noch die ersten kultivierten Gespräche nach vielen Jahren. Manche werden halt erst später erwachsen.

17 Jahre zuvor

Mac Kaber: Eine Todesanzeige und dann darf es keiner wissen? Wie geht das denn?

Mac Kaber
17 Jahre zuvor

Die Anzeige erscheint am Tag der Bestattung, besser noch einen Tag später. Und der Hinweis auf den engsten Familienkreis und von Beileidsbezeugungen am Grabe bitten wir Abstand zu nehmen verbannt alle Bekannten denen er etwas bedeutet hat. Das ist unser Toter, der geht niemand was an. Und wenn Freunde und Kollegen ihn vermissen und ihn gern begleitet hätten? Er war doch nicht anonym auf dieser Welt. Sie braucht doch bloß danach weggehen, dann kommt auch keiner zum Kondolieren.

16 Jahre zuvor

@Tux 2000: Arschlöscher kann man doch nach übermäßigem Chiligenuss gut brauchen, oder?? 😉




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