Allgemein

Stutengewitter

Freitag: Es züngelt das kleine Flämmchen, das sich weibliche Streitlust nennt, durch unsere Büros. Möglicherweise liegt es am Wetterumschwung, vielleicht haben aber auch alle Kalbfleisch mit zuviel Östrogen gegessen.
Stutenbissigkeit wohin man blickt und als Mann zieht man am Besten den Kopf zwischen die Schultern, stellt die Ohren auf Durchzug und beeilt sich, schnell in sein Büro zu kommen.
Ab und zu wallt diese komische Weiberlaune hoch und es gibt nur zwei Methoden, damit fertig zu werden, entweder, man sitzt es aus, was aber 14 Tage dauern kann, oder aber man provoziert ein Donnerwetter was regelmäßig damit endet, daß keine mehr mit der anderen arbeiten will und mir alle Hühner ihre Kündigung erklären. Hormone sind schon was Lustiges.

Dieses Mal ist es Herr Bopperl, der für das Donnerwetter sorgt. Und zwar tut er das so, als hätte er sich bei dräuendem Gewitter nackt und nass mit einer Eisenstange in der hoch ausgestreckten Hand auf freiem Feld direkt unter eine Gewitterwolke gestellt.

Werbung

Herrn Bopperls Frau ist gestorben, das ist in unserem Gewerbe sowieso und im Anbetracht der 92 gelebten Jahre von Frau Bopperl nichts Ungewöhnliches und so sind Kundenberatung, Bestattung und sonstige Abwicklungen reibungslos verlaufen. Nur eine Kleinigkeit war noch zu erledigen, Herr Bopperl hatte sich drei solarbetriebene rote Friedhofskerzen von uns geben lassen und will die nun bezahlen. Das macht genau 10 Euro. Eine kostet 3,50, und im Angebot kosten 3 Stück 10 Euro.

Nun kommt also der Gewittersüchtige zu uns, trifft auf Frau Büser, die als Obergewitterziege quasi ein oberösterreichisches Urknallgewitter in sich gespeichert hat, und will seine drei Lämpchen mit einer 10-Euro-Gedenk-Münze bezahlen.

„Was soll das denn sein, das ist ja gar kein richtiges Geld!“ entrüstet sich die Büser, doch Herr Bopperl zuckt nur mit den Schultern, schiebt die Unterlippe ein wenig vor und erklärt, die habe ihm seine Sparkasse als besonderes Kundengeschenk am letzten Weltspartag gegeben. Da habe er sich doch so aufgeregt, daß sein angeblich so gut angelegtes Geld soviel an Wert verloren hatte und der Filialleiter persönlich habe ihn mit dieser Gedenkmünze besänftigt.
Herr Bopperl ist Ende 80 und, sagen wir es mal vorsichtig, geistig schon im Land des ewigen Lächelns.

So sitzt er da, nippt an seine Tasse Kaffee, dreht ab und zu mit spitzen Fingern an seinem Hörgerät, strahlt über das ganze Gesicht und schaut immer wieder von Frau Büser zu Antonia und von Antonia zu Sandy. Die drei Gewitterstuten sind nämlich gänzlich unterschiedlicher Auffassung in der Frage, ob man nun diese Münze annehmen muß oder nicht.

„Jetzt sei du doch mal ruhig, du hast ja sowieso keine Ahnung.“
„Wieso soll ich keine Ahnung haben, bist du denn Münzenkenner?“
„Numismatiker, das heißt Numismatiker!“
„Mir doch egal was du für eine Krankheit hast!“
„Diese Krankheit die ich habe, nennt sich Intelligenz. Und Du bist gesund!“

Die Frauen stehen draußen auf dem Gang vor dem Büro in dem Herrn Bopperl sitzt und der hat sich den Stuhl so umgedreht, daß er dem leise geführten Disput wie von einer Loge aus folgen kann.
Eine ganze Weile geht das zwischen den Frauen so hin und her. Antonia ist der Meinung, man müsse jedes Geld annehmen auf dem Euro steht, Sandy behauptet man müsse nur 2-Euro-Münzen annehmen und Frau Büser behauptet, das seien bloß Sammlermünzen, die man nur auf der Bank eintauschen kann.

Genüßlich nippt der alte Bopperl an seinem Kaffee, schließlich ist die Tasse leer und grinsend stellt er sie auf den Tisch. Dann nimmt er die vor ihm liegende Gedenkmünze, steckt sie wieder in die Manteltasche und legt stattdessen einen ganz normalen 10-Euro-Schein hin: „So Mädels, ich hab’s auch als Schein, und vielen Dank für die nette Unterhaltung.“

Zu mir sagt er beim Rausgehen: „Mann, Sie haben’s auch nicht leicht, was? Welche von denen ist denn Ihre Frau?“

Ich schaue kurz zu meiner Dreimädelbande, schüttele langsam den Kopf und sage: „Von denen da? Keine! Gott behüte!“
In diesem Moment kommt meine Frau durch die Haupteingangstür und ich sehe sofort die kleinen zwei senkrechten Falten zwischen den Augenbrauen. Ich nenne sie die Krawallfalten. Wenn diese Falten da sind, ist es am Allerbesten, wenn ich mir eine Schaufel nehme und mich für drei bis fünf Tage im Garten selbst vergrabe. Da kann man lieb sein, da kann man säuseln, da kann man alles richtig machen, es hilft nichts, das Weib wird einem den Kopf abbeissen und man ist Schuld an der ganzen Misere ihres Lebens, einschließlich der Ermordung John F. Kennedys und der Anzettelung des Vietnamkrieges.

Sie sieht, daß ich in ihre Richtung schaue und schon stoßen die zwei Krawallfalten mit den Fältchen zusammen, die sich auf ihrer Stirn bilden, wenn Zorn in ihr hochkocht und sie fragt gereizt: „Ist was?“

Herr Bopperl lacht und sagt zu mir: „Sehen Sie, das ist das Schöne, wenn die Frau erst mal tot ist, man erzählt ihnen was man will und wenn man mal keine Lust zum Reden hat, geht man einfach wieder vom Friedhof nach Hause. Kein einziges Widerwort, kein Streit, kein Zwist, nix!“

Er lacht nochmals, klopft mir auf die Schulter und nickt mir aufmunternd zu, dann geht er.

Bitte, holt mich hier raus! Ich bin jetzt alleine mit denen!!!

Die Bundesbank zu Gedenkmünzen

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Lesezeit ca.: 7 Minuten | Tippfehler melden | Revision:


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)