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Tombola II

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

In irgendeinem Text meine ich diese Geschichte schon mal ansatzweise erzählt zu haben, will aber wegen des aktuellen Themas ‚Tombola‘ das Ganze nochmals genauer berichten. Es ist schon wenigstens zwölf Jahre her, da tauchte Frau Waldorf-Steiner bei mir auf und stellte sich als neue örtliche Heilpraktikerin vor. Wenn ich mal was hätte, dann könnte ich zukünftig auch die ganze Pharmazie und die ach so üble Schulmedizin verzichten, sie bekäme das mit Methoden der traditionellen Medizin der Lalapinku-Indianer auch wieder hin. Außerdem lege sie klingende Steine auf und mache wunderbare Behandlungen in ihrer Klangoase. Gut zu wissen.

Jetzt aber sei sie gekommen, um mich zu fragen, ob ich für eine vor den Toren der Stadt liegende Privatschule etwas stiften könne. Man würde sich am Stadtfest mit einem eigenen Stand beteiligen und hätte die Idee, eine Tombola zu veranstalten.
Die Schule kenne ich, das Gebäude war mir schon häufiger aufgefallen und der Architekt muß bei Picasso oder Hundertwasser in die Lehre gegangen sein oder war beim Zeichnen der Pläne angetrunken, jedenfalls ist das Gebäude schief und zwar überall. Das mag ja lustig aussehen, aber Möbel wollte ich für so ein krummes Ding nicht kaufen müssen…

Werbung

Frau Waldorf-Steiner schaute sich kurz in unserem „Laden“ um und kam sehr schnell zu der Überzeugung: „Da ist ja wohl nichts für uns dabei.“

„Warten Sie, ich gebe Ihnen eine Schachtel mit Werbekugelschreibern und solche Sachen“, schlug ich vor. Wir haben so allerhand Werbezeugs vom bedruckten Kugelschreiber bis zu Einwegfeuerzeugen. Da hätte sich sicherlich ein schönes Sortiment an netten Trostpreisen für die Tombola zusammenstellen lassen.

„Aber nein, das ist ja alles aus Plastik!“

„An was hatten Sie denn so gedacht?“

„Na irgendwas Schönes halt.“

„Ihnen kann es doch egal sein, aus welchem Material die Preise für die Tombola sind. Die Preise gehen doch sowieso an irgendwelche Loskäufer aus der ganzen Stadt. Für Sie ist doch nur der Erlös der Tombola wichtig.“

Sie grübelte, dann ging ein Leuchten über ihr Gesicht und sie nickte heftig: „Sie haben Recht, wirklich, Sie haben ja sowas von Recht!“

„Na also, dann hole ich jetzt die Kugelschreiber.“

„Haben Sie nicht was anderes? Es kann ja auch ruhig aus Plastik sein. Irgendwas Schöneres? Ich meine, wir haben noch keinen Hauptpreis und Kugelschreiber haben wir schon von der Apotheke und von Pietät Eichenlaub.“

Ha! Das sieht dem Geizhalz von Pietät Eichenlaub ähnlich! Diese nette, höfliche Frau, die einem hochstehenden medizinischen Beruf nachgeht und doch nur ein bißchen Geld für eine ganz tolle Schule zusammenbekommen will, mit ein paar billigen Kugelschreibern abzuspeisen! Banause!

„Kein Problem“, sagte ich, „ich stifte einen tragbaren Fernseher, das wäre doch ein toller Hauptpreis, oder?“

Frau Waldorf-Steiner war baff, nickte zunächst stumm und sagte dann: „Das wäre wirklich toll. Bis jetzt wäre unser Hauptpreis ein Fußpflegegutschein über 15 Mark gewesen.“

„Kommen Sie doch heute Nachmittag nochmal wieder, dann können Sie den Fernseher mitnehmen. Aber ein muß sicher sein, Sie stellen ein schönes Schild auf, das deutlich sichtbar zeigt, daß ich diesen Preis gestiftet habe, ja?“

„Aber das ist doch selbstverständlich. Das machen wir auf jeden Fall.“

Ich schickte einen Fahrer zum damals noch existierenden Technikhändler auf der grünen Wiese. Man darf nicht vergessen, die Geschichte spielt vor etlichen Jahren. Da gab es (hier) noch keine riesigen Medien-Läden, die marktschreierisch auf dem geilen Geiz herumreiten und ihre teils viel zu teuren Produkte auch noch als besonders günstig zu verkaufen wissen.

Ganze 97 Mark mußte ich für einen tragbaren Fernseher bezahlen und am Nachmittag kam dann tatsächlich Frau Waldorf-Steiner um den Apparat abzuholen. Sie bedankte sich überschwenglich und nahm auch das von uns ausgedruckte Schild mit. Schließlich wollte ich als Geschäftsmann von der ganzen Aktion ja auch etwas haben.

Am Wochenende fand dann das Stadtfest statt, ich konnte leider nicht hingehen. So erfuhr ich erst aus der Zeitung, daß ein alleinerziehender Vater von drei Kindern den Fernseher gewonnen hatte, was mich freute. Weniger erfreut war ich allerdings, als ich auf dem Foto des Tombolaaufbaus entdeckte, daß unser Schild fehlte und im Artikel dann weiter las, daß die Schule mit den schiefen Wänden als Stifter des Hauptpreises genannt wurde.

Ich rief Frau Waldorf-Steiner an und bekam zu Antwort: „Ja, das haben die Lehrer in Gemeinschaft so beschlossen. Das ist wegen dem Kommerz.“

„Was denken Sie denn, warum ich so einen schönen Preis stifte?“

„Um der Schule zu helfen?“

„Ich gehe nicht mehr in die Schule und ich helfe schon der Schule, in die meine Kinder gehen. Ich habe das, wie alle Geschäftsleute gemacht, um ihrer Schule etwas zu helfen, aber auch, um etwas Reklame für meinen Betrieb zu machen.“

„Das wäre dann aber Kommerz und das lehnen wir ab.“

Na denn…
Jedenfalls stifte ich seitdem nur noch Kugelschreiber.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#tombola

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(©si)