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Tommy

orgel

Nachzutragen ist noch der Besuch von Tommy und Masha in meinem Bestattungshaus. Zu Tommy muß ich nicht viel sagen, es genügt das eine Wort: iPod. Masha kam absolut elegant daher, ich mag es, wenn Frauen lange Stiefel tragen und, wow, diese Frau kann das tragen. Auf dem Kopf wieder ein zu einem Turban geschlungenes Tuch und vor den Augen die unvermeidliche Sonnenbrille.

Masha führt das Wort, Tommy hört iPod oder tut wenigstens so.
„Mein Mann soll auf jeden Fall eine Erdbestattung bekommen, darauf haben wir uns geeinigt, nicht wahr Tommy?“ Tommy verzieht nur müde das Gesicht.

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Als Beruf gibt Masha Zahnarzthelferin an, Tommy winkt ab und murmelt nur: „Hab nichts gelernt, vielleicht studiere ich irgendwann mal was.“

Hinsichtlich der Ausstellung geben sich beide sehr unprätentiös. Masha folgt weitestgehend meinen Vorschlägen in der mittleren Preisklasse, nur beim Totenhemd wählt sie ein, daß sich anziehen läßt wie ein OP-Hemd, von vorne aber aussieht, wie ein schwarzer Anzug mit Krawatte. Tommy schaut sich verträumt alle Särge an, hält sich aber ansonsten raus.

Eine Trauerfeier bei uns im Haus will Masha nicht, auch keine Aufbahrung, der Tote kommt gleich auf den Friedhof, Trauerfeier mit dem örtlichen Pfarrer, den keiner von der Familie kennt, dann Beerdigung im Familienkreis. Auch gut.

Ich würde doch noch gerne mehr erfahren und lenke dann beim Ausfüllen der Formulare das Gespräch geschickt auf die Finanzen, frage, wer denn der Auftraggeber ist und an wen die Rechnung geht. Masha sagt, das sei so ein Problem, man habe das Testament noch nicht gefunden und schließlich solle doch der für die Kosten einstehen, der am meisten erbt.
Gestern Nacht habe ich ja noch darüber nachgedacht, über den Standesbeamten die Wohnung versiegeln zu lassen, dann habe ich mir aber gedacht, wenn es da was beiseite zu schaffen gab, haben die das sowieso längst erledigt.

Masha lässt aber nichts weiter raus, sie sinniert darüber nach, ob sie ein einzelnes Reihengrab kaufen soll oder doch lieber ein Familiengrab. Da lässt Tommy seine hohe Stimme erklingen und sagt: „Wozu ein Familiengrab, ich kann mir kaum vorstellen, daß Eva und du da hineinkommen und ich will mal ne Seebestattung, wozu also?“

„Na schön“, sagt Masha, „dann nehmen wir ein Reihengrab. Was kostet das.“

Ich schlage die Liste auf und Masha meint: „Während Sie nachschauen, würde ich gerne mal Ihren Waschraum benutzen.“ Die sagt ‚Waschraum‘! Ich öffne ihr die Tür, weise ihr mit der Hand den kurzen Weg und kehre wieder zu Tommy zurück. Der schaut, daß keiner mit mir hereinkommt, zieht sich die Stöpsel aus den Ohren und sagt: „Ganz kurz, Meister. Wenn hier einer was zu sagen hat, dann bin ich das, okay? Ich bin der Sohn, die anderen haben nichts zu melden. Das Testament liegt beim Notar und wenn das dann demnächst eröffnigt wird (er hat wirklich eröffnigt gesagt), dann werde ich alles erben. Ich war dabei, als Papa das Ding geschrieben hat, beim Notar.“

„Und was bedeutet das jetzt in Hinblick auf die Bestattung?“

„Der Sarg ist Scheiße, ich will den mit der blauen Kordel. Das Hemd geht in Ordnung, aber das mit dem Erdreihengrab können wir abhaken, mein Vater wird verbrannt.“

„Tja, dann haben wir ein Problem, oder?“

„Ach die? Sie meinen wegen Masha? Die geldgeile Zicke soll doch bestellen was sie will, die unterschreibt den Auftrag sowieso nicht. Dazu hat sie vielzuviel Angst, daß sie hinterher bezahlen muß.“

„Und wie geht es dann jetzt weiter?“

„Lassen Sie die reden, sagen Sie zu allem Ja und Amen und ich komme am Montag vorbei und unterschreibe Ihnen alles, so wie ich das will.“

„Das gibt dann aber Ärger.“

„Ach wissen Sie, die haben alle eine Meinung, meinen die. Aber am Ende haben die immer noch die Meinung desjenigen gehabt, der mit den Euroscheinen winkt.“

Masha kommt wieder rein: „Na, habt Ihr Euch gut unterhalten?“
Ich bleibe ihr eine Antwort schuldig und mache den Test. „Hier ist unsere Vollmacht mit dem Auftragsformular, würden Sie mir das unterschreiben bitte?“

Sie wirft nichtmal einen Blick darauf und schüttelt nur den Kopf. „Das können wir dann immer noch machen.“
Tommy überlegt es sich anders, zieht den Zettel zu sich herüber: „Ich mach’s.“

Vorsichtshalber sage ich dann noch: „Damit sind Sie, Herr Fleischer, der Auftraggeber. Als bestattungspflichtiger Sohn haben Sie ja ohnehin das Bestimmungsrecht und können verfügen, wie es weitergeht.“

Er grinst mich an und Masha sagt zu mir: „Ach Tommy, der hat sich noch nie um was gekümmert.“

Na, dann schau’n wir mal, ob das dieses Mal auch so ist…

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