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Tot oder lebendig – wie ist es bestellt um die deutsche Friedhofskultur?

„Wenn man die Inschriften auf den Friedhöfen liest, fragt man sich unwillkürlich, wo denn eigentlich die Schurken begraben liegen.“

Der vor allem für seine Paraderolle als Inspektor Clouseau bekannte Schauspieler Peter Sellers soll diese Worte einst gesagt haben. Was er damit gemeint hat, ist klar und gilt auch bei uns in Deutschland: Wir sind es gewohnt, auf Grabsteinen würdevolle und ehrerbietende Inschriften zu lesen, die dem oder der Verstorbenen die letzte Ehre erweisen und ihn oder sie im besten Lichte ruhen lassen. Solch klassische Inschriften gehören neben der Steinmetzkunst, der Errichtung von Grabsteinen, dem Schmücken der Gräber sowie besonderen Ritualen an Feiertagen und der Anerkennung des Friedhofs als sozialen Treffpunkt zur deutschen Friedhofskultur, die nun sogar zum immateriellen UNESCO- Weltkulturerbe erhoben werden soll.

Doch genau wie sich unsere gesamte Gesellschaft wandelt, gilt das auch für unsere Friedhöfe. Leben ist Veränderung und Tod bzw. die Beschäftigung damit scheinbar ebenso. Auch fällt auf, wie rasant diese Veränderungen sich mitunter vollziehen.

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Was ändert sich konkret (oder hat sich schon geändert)?

  • Die Erdbestattung, die ohnehin seit längerem nicht mehr die einzig wählbare Beisetzungsform ist, verliert seit einigen Jahren zunehmend an Bedeutung.
  • Seebestattungen und vor allem Urnenbestattungen werden immer beliebter: Urnengräber, Friedwälder, Grabeskirchen sind gefragte alternative Bestattungsformen.
  • Die vieldiskutierte Schere, die unsere Gesellschaft durchzieht, zeigt sich auch bei den Bestattungen: Auf der einen Seite gibt es einen Trend zur Individualisierung der Grabmale, auf der anderen Seite aber auch den Trend zur Anonymität.
    Übrigens lässt sich dieser Wandel auch an Traueranzeigen in den Zeitungen ablesen. Galt die Traueranzeige lange als konservative Textform, die sich so gut wie gar nicht veränderte, findet dort mittlerweile ein „buntes Durcheinander“ statt mit Bildern, Zitaten, Sprüchen, Fotos etc.
  • Der Friedhof als Ort der Gemeinschaft und der gesamten Trauergemeinde sowie christliche Bestattungsformen und –rituale verlieren an Bedeutung, viele Menschen trauern heute „anders“ (Trend Online-Friedhof, „freie“, weltliche Trauerfeiern).

Kurz und gut: Die gesamte Gestalt unserer Friedhöfe ändert sich und wird sich die kommenden Jahre weiter verändern. Gründe dafür gibt es viele. Die Menschen sind mobiler geworden, leben heute nicht mehr im unmittelbaren Umkreis des Friedhofs, wo Oma, Opa, Eltern, Angehörige begraben sind, haben nicht die Möglichkeit zur aufwendigen Grabpflege. Auch gibt es mehr und mehr Grabanlagen Verstorbener anderer Kulturen und Religionen, die das traditionell christliche Grabmal nicht nutzen. Die immer größer werdende Bandbreite an ästhetischen, individualisierten Gestaltungsmöglichkeiten von Sarg, Grabstein & Co.
gewinnt ebenfalls immer mehr an Boden, besonders bei der jüngeren Generation, die sich fernab von Konventionen und Riten entscheiden möchte. Online-Friedhöfe und virtuelle Trauergemeinschaften finden nicht umsonst großen Anklang.

So steigt auch die Zahl der nichtkirchlichen Bestattungen insgesamt. Selbst ein Großteil derjenigen, die Mitglied in der Kirche sind, will sich nicht mehr unbedingt kirchlich bestatten lassen! Freie Trauerredner/-innen haben demnach gut zu tun und sind somit längst keine exotische Seltenheit mehr.

Und zu guter Letzt spielt – wie bei so vielem im Leben – auch das liebe Geld eine entscheidende Rolle. Traditionelle Erdbestattungen verlangen eben mehr vom Geldbeutel als ein anonymes Reihengrab.

Ist das alles bedenklich?

Man könnte sagen: teils, teils. Dass viele Menschen ihre eigenen Entscheidungen treffen möchten und auch die Bestattungsform zu ihrem Lebensstil passen soll, ist kein Problem. Individuelle Grabgestaltungen sind kein Grund zur Sorge und auch kein „Verlust“ von Tradition und Anstand. Der Trend zur Anonymisierung, zur „Entsorgung des Leichnams“ hingegen ist etwas anderes. Das klingt doch arg nach einem Werteverfall, und was im Grunde noch viel schlimmer ist: Viele Angehörige, die erst einmal „nur“ an die höheren Kosten denken, machen sich nicht klar, dass Trauerarbeit wichtig ist und es sie auch nicht loslässt, wenn sie das Thema Tod wegdrängen, tabuisieren oder sich die Zeit zum Trauern nicht zugestehen. Ein Ort, an dem man trauern kann, an dem Trauernde zusammenkommen können, mag auf den ersten Blick zwar erdrückend und ja – eben traurig – wirken, aber er hilft dabei, den Tod eines geliebten Menschen zu verarbeiten.

Wohin mag die Reise der deutschen Friedhofskultur also gehen?

Mit Trends ist es ja immer so eine Sache, manche verschwinden schneller als sie kamen, andere entwickeln sich zum „Usus“. In der deutschen Friedhofskultur gibt es einiges, was sich mehr und mehr zum echten Brauch entwickelt wie bspw. die Urnenbestattung. Auch ist es definitiv so, dass die größere Mobilität der Menschen dazu führt, dass nicht immer die Angehörigen selbst die Grabanlange pflegen.
Alles andere jedoch lässt sich kaum mit repräsentativen Ergebnissen bestätigen und Grund zur Sorge ist auch nicht angebracht. Im Gegenteil, so wünschen sich bspw. nur etwa 6 % der in Deutschland lebenden Menschen eine namenlose Beisetzung.

Und wie wir wissen, gibt es zu jeder Bewegung immer auch eine Gegenbewegung. So ist auch eine Zunahme des Interesses an der traditionellen Bestattungskultur und an liebevoll gestalteten, individuellen Grabstätten zu verzeichnen.

Wandeln wird sich also vieles, aber nicht unbedingt zum Schlechteren. Es bleibt eben alles anders!

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