Fundstücke

Trauerfeier in Restaurant: Polizei beendet Aufbahrung

Bestatter

Am Nachmittag des Samstags, 17. Mai 2025, erhielt ein ortsansässiger Bestattungsunternehmer einen ungewöhnlichen Auftrag: Ein Verstorbener solle an einer bestimmten Adresse in Rastatt abgeholt werden. Vor Ort stellte sich heraus, dass es sich um das Restaurant „Schützenliesel“ handelte – nicht um eine Privatadresse oder ein Krankenhaus.

Was vor Ort geschah

Auftraggeber war die Polizei. Und die hatte den Bestatter gerufen, weil im Nebenraum der Gaststätte ein Verstorbener im offenen Sarg aufgebahrt war.
Die zahlreichen Trauergäste, Angehörige der Volksgruppe der Roma oder Sinti, hatten den Gastraum geschmückt; viele standen am Sarg und es wurde intensiv getrauert.
Aus bestatterlicher Sicht eine würdige, wenn auch in unserer Region ungewohnte Abschiedsform – nur leider am falschen Ort.

Rechtlicher Rahmen in Baden-Württemberg

Das Bestattungsgesetz Baden-Württemberg sieht vor, dass ein Verstorbener grundsätzlich binnen 36 Stunden in eine öffentliche Leichenhalle oder einen geeigneten Leichenraum zu überführen ist. Ausnahmen bedürfen einer Genehmigung und der hygienische Zustand des Verstorbenen muss abgesichert sein (z. B. durch Kühlplatten). Ein Speiserestaurant ist hierfür nicht zugelassen.

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Die 36-Stunden-Frist war im konkreten Fall zwar noch nicht überschritten, dennoch war die Aufbahrung im Restaurant nicht zulässig, da es weder ein Leichenraum noch eine genehmigte Örtlichkeit ist.
Zudem dürfen Särge nach Gesetz nur in geeigneten Fahrzeugen (Bestattungsfahrzeugen) transportiert werden.

Einschreiten der Polizei

Gegen 14 Uhr wurde die Polizei zur Schützenliesel gerufen. Beim Eintreffen der Beamten befanden sich etwa 70 Personen in der Gaststätte. Die Beamten beendeten die Trauerfeier – die von einer Sinti- oder Roma-Familie ausgerichtet worden war – und veranlassten die Überführung des Verstorbenen in geeignete Räumlichkeiten.

Überführung und weitere Aufbahrung

Mit der Überführung auf den Rastatter Stadtfriedhof wurde ein ortsansässiger Bestattungsunternehmer beauftragt. Dort wurde der Verstorbene über das gesamte Wochenende in den entsprechenden Räumen hinter einer Glasscheibe aufgebahrt. Angehörige konnten in Ruhe Abschied nehmen, ohne dass eine dauernde Beaufsichtigung nötig war.

Die Familie zeigte sich vor Ort einsichtig, nachdem erklärt worden war, dass eine Aufbahrung in einer Gaststätte nicht erlaubt ist. Später bedankten sich Angehörige nochmals für die Unterstützung und kündigten an, es künftig anders zu handhaben.

Folgen für den Gaststättenbetrieb

Für den Wirt hatte der Vorfall Konsequenzen: Die Schützengesellschaft Waidmannslust Rastatt beendete das Mietverhältnis; ein neuer Pächter übernahm anschließend. Der Wirt wirkte nach Einschätzung des Bestatters bei dem Ereignis überfordert und hatte vermutlich nicht damit gerechnet, dass der Verstorbene im Rahmen der Feier offen aufgebahrt werden sollte.

Einordnung

Die Situation zeigt, wie wichtig es ist, vor einer Aufbahrung die rechtlichen Voraussetzungen und hygienischen Anforderungen zu prüfen. Zulässige Orte sind insbesondere: Wohnräume (innerhalb der Frist und hygienisch gesichert), Räume von Bestattungsinstituten sowie friedhofseigene Leichenräume. Gaststätten gehören nicht dazu.

Quellen:
Bestattungsgesetz Baden-Württemberg,
Praktische Hinweise zum Bestattungswesen (Sozialministerium BW),
Aeternitas-Übersicht.

Sinti oder Roma?

Diese Frage ist heikel, weil man leicht in pauschalisierende Zuschreibungen gerät – und die wollen wir ja vermeiden. Ethnologisch und kulturwissenschaftlich gibt es aber ein paar Anhaltspunkte, die man sachlich einordnen kann:

  • Sinti und Roma sind keine zwei völlig getrennten Gruppen, sondern Teil derselben Bevölkerungsgruppe mit unterschiedlichen regionalen Traditionen. „Sinti“ ist die in Deutschland historisch ansässige Gruppe, während „Roma“ ein Sammelbegriff für viele Gruppen aus Südosteuropa ist.
  • Beide Gemeinschaften haben in Teilen eine stark familiär geprägte Trauerkultur. Dazu gehören häufig sehr große Trauerversammlungen, ein betont emotionaler Ausdruck von Trauer und auch eine gewisse Unabhängigkeit von den Vorgaben staatlicher Institutionen.
  • Aufbahrungen im häuslichen Umfeld oder an Orten, die nicht dem formellen Bestattungswesen entsprechen, sind in vielen Roma-Gemeinschaften verbreiteter, gerade in Südosteuropa. Dort sind Totenwachen mit offener Aufbahrung im Haus oder Hof sehr üblich.
  • Bei den Sinti in Deutschland ist dagegen – historisch gesehen – oft eine stärkere Anpassung an die deutschen Bestattungsnormen erkennbar, wenngleich auch hier große Trauerversammlungen und besondere Rituale (z. B. die „Totenmahlzeit“ oder bestimmte Musikrituale) üblich sind.

Aus diesem Blickwinkel wirkt eine Aufbahrung in einer Gaststätte – also in einem nicht dafür vorgesehenen, aber gemeinschaftlich nutzbaren Ort – eher wie ein Brauch, der in Teilen der Roma-Kultur verankert ist. Bei den Sinti in Deutschland wäre es untypischer, auch wenn natürlich Ausnahmen vorkommen können.

Fazit

Dass die Familie nicht gewusst haben will, dass eine offene Aufbahrung in einer Speisegaststätte verboten ist, kann man glauben oder nicht. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Familien mit diesem kulturellen Hintergrund oft andere Vorstellungen von Trauerfeiern und Beerdigungen haben. Es wird meist sehr üppig gefeiert und Geld spielt in diesem Zusammenhang auch keine Rolle, weil die Familien zusammenlegen. So werden auch extrem teure und aufwendige Bestattungen ermöglicht. Amerikanische Metallsärge, große gemauerte Gruften, üppige Grabsteine sind keine Seltenheit. An manchen Beerdigungen nehmen mehrere hundert Personen teil.

Nach meinen umfangreichen persönlichen Erfahrungen versuchen die Familien oft mit Geldgeschenken besondere Rahmenbedingungen und Ausnahmen zu erreichen. Sie nehmen auch in Kauf, dass gesetzliche Grauzonen ausgeschöpft und geltende Bestimmungen absichtlich mißachtet werden.
Ich habe es erlebt, dass zuerst freundlich gefragt wurde, man dann erfahren hat, dass das Gewünschte nicht gestattet ist. Dann wird versucht, mit einem Bestechungsgeld eine Ausnahme zu erwirken. Wenn das nicht klappt, wird es einfach trotzdem so gemacht, wie man es will.

Wirklich schlimm ist das alles nicht, finde ich.

Bildquellen:

  • bestatter-holen-sarg-ab: Peter Wilhelm ki

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(©si)