Frag doch den Undertaker

Über die Akzeptanz von Pappsärgen und Feuerbestattungen

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Hallo lieber Tom,

ich bin gestern in der Gratiszeitung „Blick am Abend“ auf das Angebot der französischen Firma „AB crémation“ gestossen. Die bieten „ökologische Faltsärge“ an, aus Karton, das zu 100% aus Altpapier besteht. Der Faltsarg ist für 366 € zu haben.

„Wer umweltfreundlich lebt, will kaum im Ressourcen verschwendenden Eichensarg kremiert werden. Hier hilft das Bestattungsinstitut «AB cremation» aus dem französischen Nîmes. Inhaberin Brigitte Sabatier bietet Särge aus Karton an. Zu 100 Prozent aus Altpapier rezykliert. Diese Särge lagern bei ihr flach gestapelt in der Ecke – und werden bei Bedarf zusammengefaltet. Wie ein Umzugskarton.

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Damit die Bestattung dann nicht ganz so trostlos ist, wie sie tönt, verschönert Brigitte Sabatier ihre Särge mit bunten Blumenmustern. Nebst ökologischen Argumenten spricht auch der Preis für die letzte Reise im Karton-
sarg: Sie ist bereits ab knapp 366 Euro zu haben.“

Liebe Grüsse, turtle of doom

Pappsärge sind nichts Neues.
Erst neulich beschrieb ich, daß in den Vereinigten Staaten beispielsweise gängige Praxis ist, daß Verstorbene nach der Aufbahrung im metallenen Schausarg vor der Einäscherung in einen schlichten Pappkarton umgelagert werden.

Auch in Deutschland bemüht man sich seit vielen Jahren, den Sarg aus Pappe hoffähig zu machen.

Tatsächlich haben Särge aus Pappe einige der oben geschilderten Vorteile. Sie lassen sich tatsächlich sehr raumsparend lagern, weil sie erst bei Bedarf zu einem voluminösen, sargähnlichen Karton zusammengefaltet werden.
Hinsichtlich des ökologischen Aspektes gehen die Meinungen hingegen auseinander. Die Tatsache, daß dieses hier genannte Modell nun aus Altpapier gefertigt wird, darf nach Meinung mancher Experten nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch für die Fertigung von Papier und Pappe Holz in großen Mengen benötigt wird. Der Einsatz von Energie und Wasser sei sogar exorbitant hoch und würde eher dafür sprechen, Särge direkt aus dem nachwachsenden Material Holz aus heimischer Forstwirtschaft zu bauen.

Die Anbieter der Pappsärge stellen sehr groß die Ersparnis an Holz heraus und rechnen gerne vor, wieviele Quadratmeter Wald täglich unangetastet bleiben könnten, würde man nur in Pappsärgen bestatten.
Das ist auf den ersten Blick richtig, auf den zweiten Blick, meiner persönlichen Meinung nach, jedoch blanker Unfug.
Denn Wälder bei uns werden nicht angebaut, um Märchenfilmen eine schöne Kulisse zu geben oder Wanderern ein hübsches Naturambiente zu bieten, sondern aus rein wirtschaftlichen Gründen. So wie Bauern auf ihren Äckern Getreide anbauen, so bauen Forstwirte in ihren Wäldern Bäume an und so wie das Getreide geerntet wird, so werden auch die Bäume geerntet, wenn sie „reif“ sind.
Würde man zunehmend auf Holz aus unseren Wälder verzichten, dann gäbe es bald schon „unsere Wälder“ nicht mehr, weil sich der Unterhalt der Forste nicht lohnen würde.

Eindeutig gegen die Verwendung von Pappsärgen spricht die eingeschränkte Praxistauglichkeit. Zwar werden Pappsärge inzwischen angeblich von einigen Krematorien angenommen (mir ist noch keins untergekommen), jedoch stößt man sonst fast überall (wo nicht?) noch auf Ablehnung.
Für Erdbestattungen sind diese Kartons nach meinem Dafürhalten gar nicht verwendbar, die Pappe würde im Boden schneller aufweichen und der Leichnam würde dann, was unerwünscht ist, direkt im nassen Erdreich liegen.

Es ist Teil unserer Bestattungstradition, daß wir dem Verstorbenen Zeit zum Vergehen geben wollen, bevor mach geraumer Zeit (oft 7 Jahre oder mehr) der Sarg zusammenfällt. Das damit verbundene mehrfache Absacken des Grabes durch das Setzen der Erde, das Wegbrechen der Sargfüße und letztlich das Einfallen des Sarges selbst, ist zwar für viele Grabpflegende ein lästiger Umstand, aber letztlich logische Konsequenz unserer Bestattungstradition.
Ob es nun ein Vorteil ist, wie die Pappbox-Vertreiber es herausstellen, daß durch das schnellere Vergehen des Pappsarges das mehrfache Auffüllen mit Erde entfalle, bleibt dahingestellt.

Ein weiterer Aspekt ist die Kostenfrage. Billige Verbrennersärge ohne Beschläge und Tamtam können bei guten Bestattern für deutlich weniger Geld gekauft werden, als die Pappkartons schon im Einkauf kosten. Und bemalen oder schmücken, kann man einfache Holzsärge fast noch besser als diese Pappkisten mit ihrer aufgedruckten Holzanmutung.

Aber nicht die Bestatter entscheiden darüber, ob Pappsärge „in Mode kommen“, sondern die Kunden.
Hier hat Pappe eindeutig einen schlechten Ruf und finden nur eine sehr geringe Akzeptanz. Jeder Bestatter, der schon einmal versuchsweise solche Pappkartons im Ausstellungsraum hatte, weiß, daß die Kunden zum Teil schon fast mit Empörung reagieren, wenn man ihnen diese Alternative anbietet.

Natürlich gibt es auch Kunden, die gerade an solchen außergewöhnlichen Lösungen ihre Freude haben und besonderes Interesse zeigen. Gerade im großstädtischen Bereich wird man eventuell auch dafür eine gewisse Marktnische auftun können, jedoch bleibt die breite Masse der Kunden traditionell und verlangt den stabilen Holzsarg.

Im übrigen tun das auch die allermeisten Friedhofsordnungen und Krematoriumsvorschriften, sodaß -selbst wenn Kunden und Bestatter es wollten- der Pappsarg vielerorts nicht erlaubt ist.

Was in meinen Augen der weiteren Verbreitung des Pappsarges vor allem im Wege steht, ist sein doch sehr hoher Preis. Bei Abwägung aller hier geschilderten Vor- und Nachteile ist der schlichte Verbrennungssarg eindeutig im Vorteil.
Will man den Pappsarg zu einer echten Alternative machen, dann muß man auch irgendwo einen echten Vorteil für den Kunden bieten. Abgesehen vom Platzvorteil für den Bestatter ergibt sich nur ein fraglicher ökologischer Vorteil und das ist nicht genug. Auch die schlichten Holzsärge sind Stapelsärge und können ineinander gestapelt und somit platzsparend (Platz sparend will mir nicht über die Tastatur…) transportiert und gelagert werden.
Der einzige Grund, aus dem sich Leute bereitwillig für alternative Erscheinungen im Bestattungswesen interessieren, ist der Preis. Eventuell spielt auch die Bequemlichkeit noch eine Rolle.

Der Trend zur Feuerbestattung hat doch letztlich nichts mit einem Wertewandel in unserer Gesellschaft zu tun.
Bei der Feuerbestattung sind mehr Vorschriften zu befolgen, es fällt eine weitere Überführung des Verstorbenen und dann der Urne an, es muß zusätzlich zum Sarg noch eine Urne ausgesucht und gekauft werden und die Beisetzungsfeierlichkeiten erfolgen oft in zwei Schritten mit wochenlangem Abstand. Auch zweite Leichenschau und Einäscherung kommen als weitere Kosten hinzu.
Es gibt also durchaus Aspekte, die bei genauem Überlegen die Feuerbestattung durchaus hinter die Erdbestattung stellen können.

Dennoch entscheiden sich immer mehr Menschen für diese Form der Bestattung und das liegt ganz eindeutig in erster Linie daran, daß sie letztlich doch günstiger ist. Vor allem die niedrigeren Grabkauf- und Grabpflegekosten, sowie der kleinere und damit preiswertere Grabstein wirken sich hier kostenmildernd aus.
Zu berücksichtigen ist eventuell noch der niedrigere Sargpreis, weil man für Feuerbestattungen durchaus weniger stabile und haltbare Särge nehmen kann, als für Erdbestattungen. Nichtsdestotrotz ist es aber so, daß Bestatter auch für Erdbestattungen günstige Särge anbieten können, die ebenfalls stabil genug sind und gar nicht mal so viel mehr kosten, als schlichte Einäscherungssärge.
Somit ist es also oft so, daß die einfache Feuerbestattung auf der Bestatterrechnung sogar etwas teurer kommen kann, als eine vergleichbar einfache Erdbestattung. Der Kostenunterschied kommt dann einzig durch die kommunalen Gebühren -und hier vor allem durch die Grabkosten- zustande.

Aufgrund dieser Betrachtungen kann man sagen, daß es vor allem der Kostenfaktor ist, der die Menschen dazu bewegt, sich auf eine andere Bestattungsform einzulassen.
Will man also die Pappbox als Sarg populär machen, so müßte diese so günstig sein, daß die oben geschilderten Nachteile angesichts eines sensationell niedrigen Preises in den Hintergrund treten.
Gäbe es solche Boxen beim Bestatter für 50-150 Euro, manch einer würde alle Bedenken über Bord werfen und zum Kartonsarg greifen.

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