Frag doch den Undertaker

Überlegungen zum, über, für und gegen das Mitnehmen von Urnen nach Hause

„Wenn man nach Ablauf der Ruhezeit eine Urne einfach ausgräbt, dann sollte das doch erlaubt sein. Tom schreibt doch immer, das nach der Ruhezeit die Leiche als „weg“ gilt. Somit ist es auch keine Störung der Totenruhe.“

Hm, so einfach ist das nicht.
Außer das man an einer Leiche kein Eigentum erwerben kann und diese mithin auch nicht stehlen kann, kann man eine Leiche auch nicht verletzen oder beschädigen.
Einem Leichnam bzw. einer verstorbenen Person stehen bestimmte Rechte nur bis zum Tod zu, andere Rechte wirken auch über den Tod hinaus. Als Rechte, die nur bis zum Tod gelten, könnte man Ansprüche aus dem Bereich des Datenschutzes nennen und ein Beispiel für Rechte, die über den Tod hinaus wirken, könnte man das Urheberrecht nennen, das jahrzehntelange Schutzfristen (i.d.R. 70 Jahre) auch für die Werke längst verstorbener Personen kennt.

Somit ist erkennbar, daß auch Verstorbene in gewisser Weise bestimmte Rechte haben.
Was nun den Rechtsbegriff der Totenruhe betrifft, so ist hier kein genauer Zeitrahmen gesetzlich fixiert und es handelt sich auch meiner Meinung nach nicht um das Recht des Verstorbenen, sondern um das Pietätsempfinden der anderen, das hier verletzt würde.

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Natürlich wird eine Störung, die im Zusammenhang mit der Bestattung eines Verstorbenen und seiner Grablegung in Zusammenhang steht umso mehr als eine Störung empfunden werden, je näher sie am Zeitpunkt des Todes und des Begräbnisses liegt.
In den einschlägigen Kommentaren heisst es, dass die Totenruhe „verblasst“. Sie verblasst bei unbekannten Personen unter Umständen schneller als bei Prominenten oder Personen, die in besonderem Maße im Lichte der Öffentlichkeit standen.
Das Grab eines vor mehreren tausend Jahren verstorbenen Wanderschäfers aus der Steinzeit zu öffnen, stellt somit keine Störung der Totenruhe dar. Ein Grab einer Person nach einigen Jahren zu öffnen (etwa nach dem Ablauf der Ruhezeit eines Grabes) ist meist dann ohne weiteren Belang, wenn die Hinterbliebenen, wie stets auch die Öffentlichkeit hierin kein pietätverletztendes Verhalten sieht.
Anders kann das aussehen, wenn es sich um jemanden gehandelt hat, der besonders bekannt war. Hierbei spielt es keine Rolle, ob diese Person nun wegen ihrer Taten oder Werke berühmt war oder etwa als Serienmörder einen weniger schönen Bekanntheitsgrad erlangt hat.
Verletzt werden regelmäßig nicht wirklich die Rechte eines Verstorbenen, sondern im allgemeinen das Pietätsempfinden der Allgemeinheit.

Daraus ergibt sich, daß allein das Ablaufen der Ruhezeit eines Grabes nicht herleiten lässt, daß man nun mit den im Grab befindlichen Knochen oder Ascheresten machen kann was man will.
Rein technisch ist für die Friedhofsverwaltung aufgrund von Erfahrungen und evtl. Bodengutachten eine Person nach Ablauf der Mindestruhezeit „vergangen“. Diese Mindestruhezeit sollte also auch so gewählt sein, daß bei nachfolgenden Graböffnungen tatsächlich in den meisten Fällen der überwiegendes Teil der Leiche und des Sarges „weg“ sind. Genau zu diesem Zweck übergibt man ja den Leichnam der Erde.
Aber schon innerhalb eines Gräberfeldes können so unterschiedliche bodenklimatische Verhältnisse gelten, daß an einer Stelle das Vergehen in passender Zeit erfolgt und an anderer Stelle auch nach vielen Jahrzehnten noch erhebliche Leichenteile vorhanden sein können.
Wird hier die Pietät beim Umgang mit diesen Funden gewahrt, kann man trotzdem den Standpunkt einnehmen, der Leichnam sei „vergangen“, weil eben die vorgegebene Ruhefrist erfüllt ist. Würde man nun aber das Pietätempfinden der Öffentlichkeit (z.B. Friedhofsbesucher) und der Angehörigen dadurch stören, das etwa erkennbare Teile einer Wachsleiche im Grabaushub zu sehen sind (die Rede ist nicht von Knochenfragmenten, die wie wir wissen fast immer im Aushub enthalten sein können), so könnte tatsächlich auch nach Ablauf der Ruhezeit des Grabes eine Störung der Totenruhe in Betracht kommen.
Hier legen aber alle Gerichte, den zeitlich näher nicht fixierten Rahmen, sehr unterschiedlich aus.
Zu berücksichtigen ist ja stets auch, in welcher Absicht dieser Eingriff vorgenommen wurde und ob die Umstände absehbar waren.
Man merkt, das dies ein sehr schwieriges Thema ist.
Bei Urnen kann man in sehr vielen Fällen davon ausgehen, daß auch lange nach Ablauf der allgemein kurzen Ruhezeiten noch eine intakte Urne vorgefunden werden kann.
Um eine Leiche handelt es sich bei der Totenasche ohnehin nicht, der eigentliche Mensch bzw. dessen Leiche ist beim Kremierungsvorgang beseitigt worden. Es sind nur die nicht verbrennbaren mineralischen Überreste, denen aber im Pietätsempfinden der Menschen fast die gleiche Bedeutung zugemessen wird, wie einem Leichnam.
Da aber nun weder ein Diebstahl, noch eine Sachbeschädigung in Frage kommen, kann es sich bei der Wegnahme einer Urne nur um eine Verletzung der Totenruhe oder einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung handeln.
Wenn aber nun die Totenruhe eh ein Ding ist, das mehr vom Pietätsempfinden der Allgemeinheit und von der Bedeutung der beigesetzten Person abhängig ist, wird es umso schwieriger, festzustellen, inwieweit es sich bei der Wegnahme einer Urne aus einem abgelaufenen Grab überhaupt um eine solche Störung handelt.

Bleibt die Möglichkeit eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung.
Um eine Ordnungswidrigkeit handelt es sich beispielsweise regelmäßig, wenn man den „Umweg über das Ausland“ beschreitet, um sich in den Besitz einer Urne zu bringen. Es ist also weder ein Vergehen, noch ein Verbrechen, dies zu tun, sondern eine Ordnungswidrigkeit, die meines Wissens auch nicht mit Buße oder Strafe belegt ist.

Viel anders kann es auch nicht sein, wenn man sich nach Ablauf eines Grabes in den Besitz der Urne bringt, meine ich.

Andererseits wissen wir, daß die Totenruhe nicht unbedingt an die kurze Mindestruhezeit gebunden ist und somit die Behörden, auch nach Ablauf eines Grabes, das Pietätsempfinden und die Totenruhe gestört sehen könnten, wenn Angehörige sich an Grab und Urne zu schaffen machen.

Meine Meinung zu dem Thema ist, daß es eine Liberalisierung des Umgangs mit der Totenasche geben sollte.
Nachdem es jetzt schon viele Jahre die Möglichkeit gibt, auf dem Umweg über das Ausland sich ordnungswidrig in den Besitz der Urne zu bringen, die Asche dann zu Diamanten pressen zu lassen, vom Ballon verstreuen zu lassen oder vom lustigen Herrn Woite mit einer besseren Silvesterrakete in den Himmel puffen zu lassen, sollte man darüber nachdenken, ob man diese Wege nicht einfach legalisiert.

Wie ich es immer wieder auch betone, ist es doch so, dass sehr viele Menschen sich zwar zu Lebzeiten Gedanken über alternative Bestattungsformen machen und für ihre Bestattung allerlei „alberne Mätzchen“ wünschen. Wenn es dann aber Ernst wird, besinnt man sich dann doch auf die Tradition und möchte alles im althergebrachten Rahmen abgewickelt sehen. Der Tod bringt auch in dieser Hinsicht oft eine große Ernüchterung mit sich.

So wird mit einer Liberalisierung zwar ein erheblicher Anstieg der Urnenmitnahmen zu verzeichnen sein, dies sicherlich auch oft aus finanziellen Gründen, jedoch wird dieser Anstieg nach einer Zeit des „Booms“ wieder geringer werden.
Entgegensteuern könnten die Kommunen durch das Angebot der kostenfreien oder sehr günstigen Urnenabgabe auf dem Friedhof, wenn der Wunsch nach einer Aufbewahrung daheim nicht mehr besteht.
Das Ausweisen von Wald- und Uferstücken für die Verstreuung von Aschen in der Natur kann z.B. verhindern, dass nun übermässig viele Totenaschen (was ökologisch und hygienisch völlig unbedenklich sein soll) „in freier Wildbahn“ ausgestreut werden.

Aber diejenigen, die die Urne aus wirklich ernsthaftem Interesse bei sich haben möchten, würden eine Möglichkeit haben, dies zu tun, ohne gegen die Ordnung zu verstoßen.

Es liegt auf der Hand, dass weder Kommunen, noch Friedhofsgärtner und Steinmetze ein gesteigertes Interesse daran haben können, dass nun noch weniger Gräber gekauft, geschmückt und angelegt werden müssten.
Und somit ist es auch verständlich, dass durch gute Lobbyarbeit und das in vorauseilendem Gehorsam geschehende Schaffen alternativer Bestattungsformen auch auf dem kommunalen Friedhöfen, die politische Meinung dahingehend beeinflusst wird, das Freigeben der Totenaschen könnte nur negative Auswüchse haben.

Vor Jahren argumentierte man im Landtag NRW, als es um eben diese Frage ging, in den Niederlanden -wo ja die Urnen frei mitgenommen werden können- habe man angeblich das Riesenproblem, daß Angehörige die später nicht mehr wissen, wohin mit der Urne, diese einfach in die Grachten werfen würden. Von Hunderten gefundener Urnen war die Rede.
Das wurde auch so als Information hingenommen und mag mit dazu beigetragen haben, dass es seinerzeit nicht zu der erhofften Liberalisierung bei uns gekommen ist, auch wenn weder die niederländische Grachtenwacht noch die niederländische Polizei diese Behauptung bestätigen konnte. Nur alte Fahrräder habe man in den Grachten regelmäßig gefunden, Urnen hingegen nicht.

Also fragen wir uns, was denn mit den Aschen bzw. Urnen passieren könnte.
Im einfachsten Fall wird die Asche im eigenen Garten oder an einer romantischen Stelle ausgestreut oder vergraben.
Damit ist sie schlicht und ergreifend weg und stellt künftig kein Problem mehr da.
Dieser Wunsch wird übrigens von den allermeisten Angehörigen geäußert.

Bleiben die Menschen, die die Urne mit nach Hause nehmen wollen.
Diese scheiden sich wiederum in zwei Gruppen. Die einen wollen die Urne mitnehmen, weil sie noch nicht wissen, wo sie nach dem Tod des Angehörigen wohnen werden. Viele von ihnen werden die Asche dann am neuen Wohnort ebenfalls in den Gartenboden geben.
Die anderen werden die Urne in ehrendem Andenken in die Vitrine oder auf den vielbemühten Kaminsims stellen.

Bei diesen Leuten könnte nun das Problem eintreten, daß der Aufbewahrer dereinst verstirbt oder die Lust am Aufbewahren verliert.
Nun, hier würde doch auf einfachste Weise Abhilfe geschaffen werden können, indem man die Urne dann mit dem verstorbenen Aufbewahrer mitbestattet oder ihm die Möglichkeit bietet, die Urne zur „Endlagerung“ einem beliebigen Friedhof zu übergeben.
Es muss aber aufhören, daß die Menschen gezwungen werden, die Urne auf einem Friedhof zu bestatten. Es ist wirklich die meist geäußerte Frage und der am häufigsten geäußerte Wunsch, die Urne mitnehmen zu dürfen.
Es gibt meiner Meinung nach weder in der Bevölkerung ein Pietätsempfinden das die aus dem Fernsehen sowieso hinlänglich bekannte Urnenmitnahme als anstößig ansehen würde, noch sprechen hygienische Bedenken dagegen.

Und wenn man es eben regeln will und die Deutschen werden es regeln wollen, dann führt man eben ein 250 Euro teueres Pfandgeld für die Überlassung der Asche ein, welches zurückgezahlt wird, wenn die von Zeugen unterschriebene eidesstattliche Verstreuungserklärung vorgelegt wird oder die Urne an einem Friedhof abgegeben wird. Oder man führt ein Kataster… Ich meine, Möglichkeiten gibt es da doch genug, um die Ordnung zu bewahren.

Und: Wer mit der Urne (s)eines Opas Fußball spielen will, der braucht doch auch heute nur einen Klappspaten…

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