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Undank

Tante Käthe ist tot. Meine Güte, mit 96 Jahren, was hat die wohl alles erlebt, was könnte die wohl alles erzählen?

„Ja nix, die ist nie aus ihrem Dorf herausgekommen, hat sich immer nur für ihr Haus und ihren kleinen Garten interessiert, nie Nachrichten geschaut oder Zeitung gelesen. Die wußte nicht einmal ob Bagdad eine Stadt, ein Land oder ein Gebirge ist. Das hat sie alles nicht interessiert. Aber die war glücklich mit ihrem Kohl, der Sauerkrautstampferei und ihren Blumenrabatten.“

Das sagt Hildegard, Tante Käthes Nichte. Drei Kinder hat Tante Käthe in die Welt gesetzt und großgezogen, alle auch schon dementsprechend alt.
Die drei Kinder, das sind Alex, Inge und Bertha.

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Alex ist vor dreißig Jahren zur Mutter ins Haus gezogen, mit Frau und zwei Kindern, hat dort gelebt wie die Made im Speck, sagt zumindest Nichte Hildegard. Inge hat von der Mutter die Lebensversicherung des Vaters bekommen und sich davon ein Häuschen gekauft, nur Bertha ist leer ausgegangen, aber die ist ja auch schon vor Jahrzehnten nach Amerika gegangen und hat dort ihr Glück gemacht. Zu ihr hat man nur noch sporadisch Kontakt, einmal, aber das ist auch schon ewig her, war Bertha mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann auf einer Beerdigung gewesen und hat eine Tour durch die Heimat gemacht. Somit ist Bertha nun bei allem außen vor, sie hat nie etwas von der Mutter bekommen und gleich am Telefon gesagt, daß es für sie ja nunmal gar nicht in Frage komme, jetzt für die Beerdigung etwas zu bezahlen.

Alex und Inge haben sie beruhigt. Nein, das braucht sie auch nicht und überhaupt bekomme die Mutter jetzt ein ganz einfaches Begräbnis. „Am Besten verbrennen und die Asche auf der Wiese verstreuen“, hatte Sohn Alex gesagt und Inge, seine Schwester, hoffte noch: „Dann brauchen wir ja auch keinen Sarg.“

„Nicht daß Sie denken, wir wollten sparen“, rechtfertigte sich Alex beim Gespräch in unserem Haus und fügte noch hinzu: „Bloß billig soll es sein. Die Mutter war ja immer so sparsam, die hätte das nicht anders gewollt. Das Allereinfachste und gut isses.“

Inge nickte heftig: „Ja ja, die war ja eine ganz schlichte Frau, ganz einfach alles.“

„Dummer Unfug!“ schimpft Nichte Hildegard, die drei Tage später bei mir sitzt: „Die hat ihr ganzes Leben lang gespart. Erst für die eigene Aussteuer, dann für die Kinder, später für die Beerdigung ihres Mannes und seit Ewigkeiten schon legt die jeden Monat was für ihre eigene Beerdigung weg. Dem Onkel hat sie ja auch ein großes Begräbnis bezahlt. Der hatte einen dicken Eichensarg und Blumen, ach Du meine Güte, was waren da Blumen! Dann das große Grab, das hat sie letzte Jahre erst verlängert, das läuft ja noch bald zwanzig Jahre. Da wollte sie immer mit rein.“

Ich schildere Hilde noch einmal ausführlich, was da bestellt worden ist: Keine Trauerfeier, gleich abholen, im (widerwillig bestellten) Verbrennungssarg gleich ins Krematorium und dann anonym auf der Gemeinschaftswiese beisetzen. Daß Tante Käthe noch nicht eingeäschert ist, liegt nur daran, daß Alex zugestimmt hat, daß im Krankenhaus noch „an der Tante herumgeschnippelt wird“. Im Stadtkrankenhaus fragen das die Ärzte immer, es gibt da für jeden Toten noch irgendeinen Verwendungszweck und sei es nur zu Lehrzwecken. Organe kann man von einer so alten Frau kaum noch verwenden, aber Alex hoffte, das Krankenhaus würde dann die Bestattung bezahlen. Er hat sich getäuscht.
Als wir die alte Dame abholten, da hatte man ihr das Knie aufgeschnitten und irgendwas entnommen. Vermutlich ein Präparat für die Studenten.

Jetzt will Nichte Hilde eine anständige Bestattung für die Tante „mit allem Pipapo“.

Die Bezahlung? „Ja das ist ja wohl mal das geringste Problem, ich war bei der Tante in der Wohnung und habe die Zigarrenkiste mit dem Beerdigungsgeld geholt.Immerhin 4.800 Euro sind das und die nehmen Sie jetztmal schön und machen der Tante eine hübsche Beerdigung und zwar im Grab bei ihrem Mann.“

Mit Alex, dem Auftraggeber muß ich natürlich sprechen, doch der winkt gleich ab: „Wenn Hilde Ihnen das Geld bringt, dann ist das allein ihre Sache, dann kann sie bestellen was sie will.“

Na also, dann bekommt Tante Käthe doch ihr Wunschbegräbnis.

„Sollen die sich doch später in der Wohnung totsuchen nach dem Geld“, sagte Hilde und zählte mir die Scheine auf den Tisch.

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