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Unzureichende Kühlung von Verstorbenen durch Polizeianweisung

Verstorbene werden zum teil tagelang ohne fachgerechte Kühlung aufbewahrt und eine anschließende Aufbahrung wird dadurch oft unmöglich gemacht, und das auf Anweisung der Polizei.
Die Mainpost berichtete dieser Tage:

Wann wird die Leiche gekühlt? Eine „polizeiinterne Weisung“ zum Umgang mit Verstorbenen sorgt für Ärger

Nachbarn fanden die (Leiche einer) 74-Jährigen am (Freitag)Morgen des 15. Mai in ihrem Haus in Bischbrunn (Lkr. Main-Spessart).
Weil der (Arzt) den Tod nicht als „natürlich“ bewertete, nahm die Kriminalpolizei Ermittlungen auf und ordnete die Sicherstellung des Leichnams an. Eine Entscheidung, die eine „polizeiinterne Weisung“ ans Tageslicht brachte, die die Angehörigen schockierte und Bestatter offenbar immer wieder vor Probleme stellt. Es geht um die Frage, wann Leichen mit ungeklärter Todesursache zwingend gekühlt werden müssen. Das ist in Unterfranken erst ab einer Außentemperatur von 25 Grad vorgeschrieben.

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Das stellt die Bestatter in der Region vor ein Problem. Obwohl viele von ihnen über geeignete Kühlräume verfügen, kommt für die Unterbringung der Verstorbenen nur die Gerichtsmedizin in Würzburg oder die jeweilige örtliche Lagerhalle in Frage.
Jedoch sind die meisten Aufbahrungsräume auf den Friedhöfen gar nicht mit Kühlmöglichkeiten ausgerüstet. Für die kurze Aufbewahrung und Aufbahrung zwischen der Anlieferung durch den Bestatter und der Beisetzung reicht das zwar aus, jedoch wird das Ganze problematisch, wenn der Verstorbene zunächst einige Tage ungekühlt gelagert wird und dann noch obduziert und anschließend zur offenen Aufbahrung hergerichtet werden soll.

Kommt ein Verstorbener, so wie hier im Fall der 74-jährigen, schon am Freitag auf den Friedhof und liegt dort bis Montagnachmittag, bis endlich die Freigabe von der Staatsanwaltschaft kommt, dann sind das einfach vier ungekühlte Lagertage mit all ihren Auswirkungen durch Zersetzung.
Der Bundesverband der Bestatter verweist auf die DIN EN 15017, in der eine Lagerung des Verstorbenen „in geeigneten Räumlichkeiten bei einer Temperatur zwischen null und fünf Grad Celsius“ verankert ist.
Jedoch ist die DIN EN 15017 die Grundlage für das grundsätzliche Qualitätsmanagement von Bestattern, gibt also Wunschdenken wieder und hat keinerlei bindende oder Gesetzeskraft.

Zwar gebe es bei der Staatsanwaltschaft eine Rufbereitschaft, erklärt Oberstaatsanwalt Boris Raufeisen. Die sei an Wochenenden und Feiertagen allerdings „auf offensichtliche Fälle von Gewaltkriminalität beschränkt“. Die Behandlung der verbleibenden Leichensachen erfolge „in der Regel zu den normalen Bürozeiten“. Zum konkreten Fall Agnes Englert heißt es dazu bei der Polizei Unterfranken: Die Entscheidung der Staatsanwaltschaft, es am Wochenende bei der Sicherstellung des Leichnams zu belassen „und die Freigabe am Montag durch den Fach-Staatsanwalt entscheiden zu lassen, ist aus polizeilicher Sicht üblich“.

Nun will die Polizei ihre Anweisung ändern. Das ist auch sinnvoll, denn die Unterbringung in gekühlten Räumlichkeiten bei einem Bestatter hat viele Vorteile.
Für die Angehörigen, die Bestatter und auch für die Rechtsmediziner, die gegebenenfalls eine Obduktion durchführen müssen.

Die Polizei hat unterdessen ihren Fehler eingeräumt und gelobt Besserung. „Aus Gründen der Pietät wird das Polizeipräsidium Unterfranken die polizeiinterne Weisung im Wesentlichen dahingehend ändern, dass im Falle einer polizeilichen Sicherstellung in Zukunft grundsätzlich eine gekühlte Lagerung eines Leichnams zu erfolgen hat.“

gemeldet von Michael


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Berichte und Kommentare zu Verwaltungen, Kirchen, Friedhofsträgern und der gesamten Bestattungsbranche.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 8. Juni 2015

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14 Kommentare
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Dave B
9 Jahre zuvor

Erst ab 25°C find ich ja schon recht schwer, da muss es ja auch eine Anweisung geben nach welcher Messmethode: Thermometer am Streifenwagen, am Revier, laut deutschem Wetterdienst oder beim Staatsanwalt im Garten.

Im Fernsehen sieht man ja immer nur vollausgestattete Gerichtsmedizinräume, wo gleich nach Fund die Leiche schon auf dem Tisch liegt. Man bedenke da nur das zumindest auf kleinen Revieren auch gern der Sparfuchs sitzt und der Beamte per Adler-Suchsystem auf seiner mechanischen Schreibmaschine tippt.

Wie wird das denn eigentlich mit der Beweiskette realisiert wenn man zu untersuchende Leichen sozusagen unter fremder Aufsicht kaltstellt? Speziell vertrauliche Bestattungsunternehmen, Plombe am Kühlschrank oder Augen zu und durch.
Im Regelfall ist das ganze sicher unkritisch, aber falls doch mal ein Bösling Spuren verwischen und Beweise mopsen?

Georg
9 Jahre zuvor

Man muss den Herrn für alles danken, selbst für die Eingeborenen in Ober-, Mittel und Unterfranken…

🙂

Bas
9 Jahre zuvor

Erstaunlich, wie sich die Begebenheiten unterscheiden können. In unserer Gegend gibt es kaum einen Friedhof, der nicht zumindest über Schneewittchensärge verfügt.
Weisung der Polizei ist hier (Kreise Wesel, Kleve, Borken) die Fahrt zum nächsten Friedhof mit Kühlmoglichkeit und der Möglichkeit, die Zelle abzuschließen. Ist dieser belegt, wird nach Rücksprache mit der Leitstelle ein anderer angefahren.

9 Jahre zuvor

Kann man denn nach einer so langen Zeit ohne Kühlung eine Aufbahrung allein unter olfaktorischem Aspekt durchführen?

melancholia
Reply to  Nickel
9 Jahre zuvor

@Nickel:

Das kann ich mir kaum vorstellen, der / die Verstorbene dürfte sich auch optisch bereits einigermaßen verändert haben.

Reply to  melancholia
9 Jahre zuvor

@Peter Wilhelm: @melancholia: Vielen Dank für eure Antworten.
Kann man denn bei stärkerem Verwesungsgeruch noch „was retten“, um doch unter Umständen die Aufbahrung möglich zu machen?

Reply to  Nickel
9 Jahre zuvor

@Nickel: Das ist sehr verschieden. Deshalb kann auch kein Bestatter hier eine verbindliche Zusage beim Beratungsgespräch treffen.

Der eine Verstorbene liegt eine Woche brav vor sich hin und kann problemlos immer noch vorgezeigt werden, der andere Verstorbene liegt nur drei Stunden daheim im Bett und man fällt beim Hochnehmen der Bettdecke schon fast um.

Josef
Reply to  Peter Wilhelm
9 Jahre zuvor

@Peter Wilhelm:
Stimmt, genau so ist es!!

Hajo
9 Jahre zuvor

aber immerhin ist diese Behörde in der Lage, die Anweisung zu ändern
.. ist doch auch was, oder? 😉

sakasiru
9 Jahre zuvor

Wie lange würde denn eine Leiche mit Kühlung (aber ohne Einbalsamierung oder sowas) frisch genug für eine Aufbahrung bleiben? Vor allem, wenn sie dazwischen mehrfach transportiert wird, von daheim in die Lagerhalle, dann in die Gerichtsmedizin, dann wieder in die Halle, und während der Obduktion wird sie ja vermutlich auch nicht gekühlt?

Hajo
Reply to  sakasiru
9 Jahre zuvor

@sakasiru:
wer hat eine Glaskugel?
Ich fürchte, da kann nur Radio Eriwan antworten: „Im Prinzip ja, aber …“ 😉

9 Jahre zuvor

Und ab 25°C hat die Polizei hitzefrei…? 🙂

Seelenkuchenente
9 Jahre zuvor

Also ich hab zum Glück noch nicht die Erfahrung mit ungekühlten Toten machen müssen. Und nur zwei Mal ne Aufbahrung, die ich mehr als gruselig fand. Besonders weil andere die Toten noch gekuschelt und geküsst haben, also naja…
Jedenfalls hatte ich die unschöne Erfahrung mit meinem Kaninchen Herr von Bödefeld, den ich im Hochsommer tot aus einer Tierklinik geholt habe, um ihn zu beerdigen. Ich bin ich der Annahme hingefahren, dass die Tierchen auch dort gekühlt gelagert werden. Ich kenne das so von meinem Tierarzt. Jedenfalls war der Kleene NICHT gekühlt worden und roch sehr streng. Die Autofahrt und die Beerdigung könnt ihr euch vorstellen. Das ging nur noch unter würgen und die Box hab ich danach wegen dem Geruch und auch ein paar Flüssigkeiten desinfiziert. Ich fand es schlimm, dass das so gelaufen ist. Die Klinik hätte da doch was machen können. Zumal der kleine Körper arg mitgenommen aussah. 🙁
Aber wenn das auch so bei Menschen läuft… das ist doch auch furchtbar für Angehörige und Bestatter.

Roland
9 Jahre zuvor

@sakasiru: Bei einer Kühltemperatur von unter -18° sicher etliche Monate, trotz mehrfacher Unterbrechung der Kühlkette.




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