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Vom inneren Lächeln

Das größte Geheimnis im Dienstleistungssektor ist im Grunde gar nicht so geheim und dennoch scheint es vielen verborgen zu bleiben und zwar hartnäckig.
Egal ob man eine Ware verkauft oder in der Gastronomie arbeitet, man hat es mit Kunden zu tun, die bereits eine Vorauswahl getroffen haben und das ist auch noch eine positive Vorauswahl: Sie sind in diesen ganz bestimmten Laden oder in dieses eine Lokal gegangen. Und sie tun das in der Absicht, dort Geld auszugeben und sich etwas zu gönnen. Insgesamt bringen sie also eine durchaus als positiv einzuschätzende Grundhaltung mit sich.

Ja, man kann sogar sagen, daß die Menschen sich auf den Kauf oder das Gastronomie-Erlebnis freuen. Sie haben Mühen auf sich genommen, um zu diesem Laden zu gelangen, haben das entsprechende Geld bereit und freuen sich auf die Ware die sie bald in Händen halten werden oder die Dienstleistung, die sie gleich in Anspruch nehmen dürfen, sei es das Haareschneiden oder der Verzehr eines leckeren Steaks.

Mir ist es vollkommen unverständlich, warum Verkaufs- und Service-Personal diese positive Grundstimmung, dieses innere Lächeln und Freuen des Kunden nicht nehmen, es verstärken und in ein Glücksgefühl verwandeln.

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Ich schrieb neulich, daß ich Menschen für gewöhnlich so behandele, wie ich gerne selbst behandelt würde. Daraufhin schrieb jemand, das sei ja nahezu vermessen, ich könne mich doch nicht zum Maß aller Dinge machen und müsse doch wohl eher darauf achten, was die Menschen wirklich wollen. Da ist was dran, aber ich bin kein Altruist sondern gnadenloser Verfechter der Hedonik des Epikur, mein Leben ist einfach zu kurz, als daß ich Zeit hätte, die Bedürfnisse von rd. 6 Milliarden Menschen befriedigen zu können. So bleibt mir nur, zu sehen was mir gut tut und darauf zu hoffen, daß andere dieses Angebot eines Gutwilligen und durchaus gütigen Menschen auch erkennen und es ihnen ebenfalls gut tut.

Als ganz normaler Mensch meine ich, im Durchschnitt zu liegen und mit meinem Bedürfnissen und der erhofften Form der Befriedigung auch ziemlich repräsentativ zu sein. Es mag immer welche geben, die mit weniger zufrieden wären und es gibt eine wahrscheinlich größere Zahl von Menschen, die damit nicht zufrieden wären und mehr wollen.
Aber das ist nur meine Sichtweise der Dinge, das kann jeder halten wie er mag.

Beschränke ich meine Betrachtungen wieder auf Dienstleistungen, so ist es also für den der die Dienstleistung erbringt im Grunde eine einfache Sache, einen zufriedenen Kunden zu bekommen, denn der Kunde bringt doch schon alles mit, was es an Voraussetzungen für ein kleines persönliches Glück braucht.

Man darf nun nicht glauben, daß das etwa für das Bestattungsgewerbe nicht gilt. Eins ist klar, kein Mensch kommt und hat eine Freude daran, daß er jetzt einen Sarg aussuchen muß. Doch muß er jetzt einen aussuchen und es liegt einzig an uns, ob die gesamte Abwicklung eines Sterbefalls zu einem Spießrutenlauf düsterer Art wird, oder ob der Kunde trotz der Trauer von der er bedrückt wird, ein gutes Gefühl zurückbehält und sich gerne an die Zusammenarbeit mit uns erinnert. Das Glücksgefühl das hier erzielt werden kann, ist sicherlich ein anderes, als etwa beim Kauf eines Autos, aber es kann umso größer und langanhaltender sein, denn wir erzielen dieses in einer besonderen emotionalen Situation.

Doch es sind nicht die großen Einkäufe oder teuren Dienstleistungen, um die es mir hier geht. Wenngleich ich auch da schon Schlimmes erlebt habe, kann man in der regel davon ausgehen, daß man beim Winken mit größeren Geldbeträgen fast schon überschwenglich und übertriebend dienernd behandelt wird. Man gehe nur mal mit deutlich gezeigter Kaufabsicht in ein Autohaus, dann weiß man was ich meine (natürlich erst wenn alle Rentner ihre Limousinen im Rahmen der Abwrackung gegen eine B-Klasse eingetauscht haben).

Es sind oft Kleinigkeiten, die einen guten Service ausmachen. Ein Beispiel: Da kommt ein Kunde in eine Bäckerei und kauft Brötchen. Dabei entdeckt er, daß man dort auch einen Kaffee im Stehen mit einem Stück Kuchen für 1 Euro bekommen kann. Offensichtlich ist der Kunde etwas unsicher im Umgang mit diesem Angebot, war noch nie in dieser Bäckerei und bestellt das Sonderangebot, dann stellt er sich brav an einen Stehtisch und wartet. Die Bäckereifachverkäuferin hat ansonsten nichts zu tun, macht ihm den Kaffee und tut ihm das Stück Kuchen auf einen Teller, dann stellt sie die Sachen auf eine Ablage neben der Theke. Der Kunde steht weiterhin brav an seinem Stehtisch, offenbar weiß er nicht, daß er sich Kaffee und Kuchen jetzt da abholen muß. Statt nun zu sagen: „Ich habe Ihnen die Sachen da hingestellt, bitte nehmen Sie sich noch Milch und Zucker. Guten Appetit!“ sagt die Verkäuferin: „Was ist jetzt? Wollen Sie Ihren Kaffee nicht, oder was?“

An einem anderen Tag beobachte ich in einem Elektromarkt, daß ein älteres Ehepaar sich für eine Videokamera interessiert. Der Verkäufer zeigt verschiedene Modelle und es ist selbst von weitem ersichtlich, daß er das ziemlich lustlos tut. Er bringt zwar Geduld auf und erklärt alles ausführlich, jedoch mit deutlich sichtbarer Langeweile und Gereiztheit. Ein Stückchen weiter steht eine große Gitterbox mit Waren, die in die Regale müssen, die Kunden sind ihm offenbar lästig.
Er macht den gleichen Fehler wie viele Unternehmer auch: Nicht die Führung des Unternehmens ist das Kerngeschäft, sondern die Bedienung der Kunden, die Befriedigung der Kundenwünsche.

Das ältere Ehepaar bricht dann von sich aus das Verkaufsgespräch ab, bedankt sich und sagt, man wolle sich dann noch ein bißchen umsehen. Als der Verkäufer weg ist, schauen sich die Leute selbst noch die Kameras an und greifen schließlich zu einem sehr teuren Modell und sind schon auf dem Weg zur Kasse als sie sehen, daß dort eine lange Schlange von Käufern von einer lustlosen Kassiererin erfolgreich in Schach gehalten wird. Der Karton mit der teuren Kamera landet auf dem Wühltisch für Dreifachsteckdosen und die Leute verlassen den Laden ohne etwas gekauft zu haben.

Sie haben den gleichen Weg wie ich, sie gehen nach nebenan zur Konkurrenz und steuern wieder die Videoabteilung an. Ich bin ja nicht neugierig aber mich interessiert, wie es weitergehen wird.
Der Verkäufer dort ist nur geringfügig mehr an ihnen interessiert und zeigt ebenfalls verschiedene angekettete Kameramodelle. „Sie können sich ja mal in Ruhe umschauen“, sagt er und will verschwinden. Doch die Kunden bremsen ihn, sie sind ja schon vorhin beraten worden und greifen wieder zum teuersten Modell. Nun kommt etwas, was für den erfolgreichen Verkauf tödlich ist: „Die kostet aber 2.900 Euro!“ sagt der Verkäufer und zieht die Augenbrauen hoch.

Warum um alles in der Welt sagt der das?

Da sind Leute mit einer positiven Entscheidung für seinen Laden zu ihm gekommen und signalisieren nun mehr als deutlich eine Kaufabsicht, ja sie entscheiden sich überdies für ein hochpreisiges Modell. Wie kommt nun der Verkäufer dazu, die Kunden auf den hohen Preis hinzuweisen? Er hätte sagen können: „Da haben Sie sich aber etwas ganz Besonderes ausgesucht, das ist ein Schmuckstück, darf ich Ihnen etwas mehr zu diesem Modell sagen?“

Dann hätte er im folgenden Gespräch immer noch abklären können, ob die Kamera und der Bedarf des Kunden zusammenpassen und im Zweifelsfall eventuell eine besonders gute Beratung erbringen können, indem er den Kunden eine besser passende und vielleicht günstigere Kamera anbietet. Denn auch das ist ja ein guter Service, nicht immer nur das Teuerste zu verkaufen.

Aber er tut das, weil er in diesem Elektromarkt nur 1.300 Euro netto verdient und ihm aus seiner Sicht diese Kamera wahnsinnig teuer vorkommt. Er weiß aber nichts über die Kunden, vielleicht beziehen die eine fünfstellige Rente oder sind Millionäre.
Der Kunde fragt zurück: „Wieso, ist die nicht gut?“
„Doch“, sagt der Verkäufer, „aber die kostet fast 3.000 Euro.“
Kein Wort über die Vorzüge der Kamera, kein Wort darüber ob es andere, ähnliche Modelle gibt, nichts. Nur die Aussage, daß die Kamera teuer sei.
Die Kunden sind verunsichert, bedanken sich wieder für das Gespräch und ziehen wieder ab, ohne Ware.

Ich kaufe schnell meine Druckerpatronen und muß noch zu Foto Schöllermann, ich brauche Nielsen-Rahmen, die bekomme ich nur dort.

Und wen treffe ich bei Schöllermann? Na klar, mein Rentnerehepaar von soeben. Der alte Schöllermann ist ein guter Verkäufer, er unterbricht das eben begonnene Verkaufsgespräch mit den Leuten, bedient mich kurz an, perfekt! Er ahnt, daß er jetzt ein gutes Geschäft machen wird, im Grunde bin ich störend, aber er möchte auch mich zufriedenstellen und fragt kurz nach meinem Begehr, zeigt mir die Ecke wo die Rahmen stehen und bietet mir an, wiederzukommen wenn ich eine Frage haben sollte. Dann wendet er sich wieder den anderen Kunden zu. Die wissen inzwischen längst was sie wollen, sie wollen eben diese teure Videokamera und legen bei Schöllermann 3.200 Euro dafür hin. „Die ist ihr Geld aber auch wert!“ umschreibt Schöllermann den hohen Preis und bietet gleich an: „Die ist ganz leicht zu bedienen, aber bei einem so hochwertigen Modell gibt es so viele Möglichkeiten, die müssen sie unbedingt kennenlernen. Kommen Sie doch Samstagnachmittag mal vorbei, mein Sohn macht Videokurse und Einführungen, für 100 Euro erklärt der Ihnen das Ding in allen Einzelheiten.“

Am Ende wandern 3.300 Euro über die Ladentheke und die Kunden verlassen mit einem Lächeln auf den Lippen den Laden. Und sie werden wiederkommen: Am Samstag kommt der Mann zur Einführung und er wird auch alles Zubehör bei Schöllermann kaufen, genau die Sachen an denen Schöllermann erst richtig verdient.

Ein anderes Beispiel:
Ich habe bei Juri noch nie Fisch gegessen. Er und seine Frau Svetlana betreiben ein gut gehendes Restaurant, er im Service, sie in der Küche.
Auf der Karte hat er immer auch leckere Fischspezialitäten und danach würde es mir manchmal munden. Ich bin kein großer Fischesser, aber wir haben die Stammkarte von Juri schon durch.
Aber immer wenn er an den Tisch kommt, um die Bestellung aufzunehmen und ich habe die Seite mit dem Fisch aufgeschlagen, zieht er die Augenbrauen hoch und fragt: „Fisch?“
Dabei lächelt er so hintergründig und schüttelt sich unmerklich, Juri haßt Fisch, mag keinen und ekelt sich davor. Das transportiert er aber durch Mimik, Gestik, Stimme und sein ganzes Gebahren auf den Kunden und tatsächlich: Ich bestelle dann doch lieber immer die Rasputin-Platte mit viel Fleisch.
Svetlana sagt: „Ich verstehe deutsche Leute nicht, wolle nie Fisch esse!“

Das positive Grundgefühl des Kunden muß verstärkt werden, er kommt mit einem inneren Lächeln zu uns Dienstleistern und es liegt allein an uns, dieses innere Lächeln hervorzuholen und in ein Lächeln auf dem Gesicht zu verzaubern.

Aus einem aktuellen Vortrag von Tom vor Auszubildenden der berufsbildenden Schulen

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#inneren #lächeln

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