Es ist tatsächlich schon 18 Jahre her, dass ich die preisgekrönte Geschichte von Röschen und Kalli geschrieben habe.
Neulich stolperte ich über eine der neun Episoden und habe die ganze Geschichte noch einmal auf einen Rutsch gelesen. Ach, was waren das damals noch für Zeiten, als dieses Weblog noch so jung war.
Ich war auch deutlich jünger, das merkt man.
Und die Zeiten waren anders, das merkt man auch.
In Röschen und Kalli geht es um ein homosexuelles Ehepaar. Vor 18 Jahren war das noch eine Sache, die man manchem erklären musste, die auch in den Kommentaren für Diskussionen sorgte und die heute ganz anders wäre.
Und das ist gut so! Es gibt wenig Dinge, die mich mit so großer Zufriedenheit erfüllen, wie der Umstand, dass Homosexuelle heute anerkannt leben können, so wie alle anderen auch und dass das nichts Besonderes mehr ist, wenn sie heiraten, zusammenleben und einfach so leben, wie sie es wollen.
Ich erinnere mich an einen meiner Lehrer, den ich sehr mochte und in dessen Fach ich auch sehr gut war. Einmal ergab es sich, dass wir uns an einem Nachmittag privat trafen, weil er mir etwas Besonderes zeigen wollte.
Er bewohnte gemeinsam mit seiner Mutter ein sehr schönes Haus in Essen-Steele und ich bewunderte einmal mehr, wie geschmackvoll man sich einrichten kann.
Ich weiß nicht, ob Du das kennst. Es gibt da einen Unterschied zwischen schön und gemütlich und teuer und geschmackvoll. Bei uns zu Hause war es schön und gemütlich.
Bei unserem Pastor und auch bei diesem Lehrer war es teuer und geschmackvoll.
Die Mutter des Lehrers war eine reizende ältere Dame, die einen herzerfrischenden, fast schon frechen Humor hatte. Sie hatte Streuselkuchen gebacken.
Der Lehrer und ich haben Fotoalben gewälzt und in Büchern etwas nachgeschlagen, beides eine wertvolle Hilfe für ein Referat, das ich halten sollte. Danach rief die Mutter zum Kaffeetrinken.
Und zum Kaffeetrinken erschien ein weiterer Herr, der mir nur als Herr Wüstenkemper vorgestellt wurde. Wie er zu den beiden gehörte, blieb mir zunächst verborgen.
Erst viel später habe ich erfahren, dass nicht mein Lehrer bei seiner Mutter wohnte, sondern die alte Dame bei ihm und seinem Mann.
Damals, vor immerhin 50 Jahren, hätte man das niemals öffentlich bekannt machen dürfen. Ich weiß nicht, ob das nicht eventuell sogar beamtenrechtliche Probleme gegeben hätte.
In meiner Verwandtschaft gab es zwei Damen, die mir immer als die beiden Tanten Klara und Mathilde vorgestellt wurden. Sehr gebildete und ganz liebe Personen. Es waren nicht meine Tanten, sondern irgendwie die Schwestern eines angeheirateten Onkels, oder so.
Die Frauen waren beide in sehr hohen Positionen beim Staat beschäftigt. Die eine war Richterin, die andere leitete ein Institut an der Uni. Sie bewohnten im Haus des angeheirateten Onkels eine eigene Etage. Uns Kindern wurde immer erzählt, die beiden seien unverheiratet geblieben, weil es nach dem Krieg so wenig Männer gegeben habe.
Ich glaube, ich musste erst 30 Jahre alt werden, bis ich kapiert habe, was da wirklich los war. Man hätte aufgrund der unterschiedlichen Nachnamen auch früher drauf kommen können.
Jedenfalls sind die beiden Frauen bis zu ihrer Pensionierung immer getrennt in Urlaub gefahren. Die eine fuhr dienstags in die Provence, die andere freitags in die Schweiz. In Wirklichkeit waren beide aber immer zusammen in Österreich. Das durfte damals aber niemand wissen. Es hätte für beide ernsthafte berufliche Nachteile mit sich gebracht.
Am Haus meines Onkels gab es demzufolge auch zwei Klingeln und zwei Briefkästen. Die eine Tante empfing ihre Besuche immer in ihrer Wohnung und die andere ausschließlich im Wohnzimmer meines Onkels.
Was für ein Versteckspiel.
Als ich um 1992 herum als Erwachsener mit meiner Frau in einen Stadtteil von Mannheim zog, gab es an der Ecke ein kleines Lebensmittelgeschäft. Das war so ein Geschäft, an das sich die Wohnung der Inhaber anschloss. Und die Inhaber waren zwei sehr freundliche Männer, die ganz offensichtlich ein Paar waren. Immer wieder mal gab es Schmierereien an den Schaufenstern „Schwules Pack“ und noch wüstere Beschimpfungen, die ich hier nicht wiedergeben mag.
Ich bin froh, dass das vorbei ist. Hier um die Ecke lebt ein schwules Paar. Die beiden machen seit Ewigkeiten kein Geheimnis daraus und haben früher damit viel Mut bewiesen. Heute ist das alles völlig normal. Und das ist gut so!
Zu der Zeit, als ich Röschen und Kalli geschrieben habe, war das noch alles ein bisschen anders. Umso lohnenswerter ist es, die Geschichte noch einmal zu lesen. Ich kann die Geschichte nur empfehlen. Sie ist nicht so lang, wie die Episodenliste es vermuten lässt. Der damaligen Erzählweise des Bestatterweblogs geschuldet, sind sehr kurze Episoden mit nur wenigen Sätzen dabei:
Episodenliste:
- roeschen-und-kalli: Peter Wilhelm KI
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Vielen Dank für diese schöne Geschichte! Ein paar Tränen sind geflossen.