Jeder kann mal krank werden. Das ist doch völlig normal. Glücklicherweise leben wir in einem Land, in dem man auch bei Krankheit finanziell abgesichert ist.
Ist man nur kurze Zeit arbeitsunfähig, zahlt der Arbeitgeber den Lohn weiter.
Wenn man längere Zeit ausfällt, zahlt die Krankenkasse ein Krankengeld.
Natürlich ist es für jeden Chef bitter, wenn Arbeitskräfte ausfallen. Man hat dann ja nicht nur die Lohnfortzahlung für den Erkrankten an der Backe, sondern muss auch noch eine Ersatzkraft bezahlen. Und die muss man auf die Schnelle erst mal finden. In der Realität bedeutet das meist, dass man als Chef dann selbst einspringt oder die Kollegen die Arbeit des Ausgefallenen mit übernehmen müssen.
Willi, der Tankstellenbesitzer, hat mir erzählt, dass ihn ein Kfz-Geselle unendlich viel Geld gekostet hat. Der war immer exakt für sechs Wochen krank, ließ sich in dieser Zeit den Lohn weiterzahlen, und kam dann wieder, als sei nichts gewesen. Nach kurzer Zeit wurde er wieder krank, hatte aber immer eine andere Krankheit, und bekam wieder Lohnfortzahlung. Das machte er fortlaufend immer weiter so. Willi hatte sich die Finger wund geschraubt, weil er bis spät in die Nacht in der Werkstatt stand. Dann stellte er endlich eine Ersatzkraft ein, die ihn aber zusätzlich Lohn kostete. Nach einem Jahr, wurde ihm das zu teuer und er musste sich von dem Dauerkranken trennen. Ja, und der zog dann noch vors Arbeitsgericht…, gewann zwar nicht, verursachte aber hohe Anwaltskosten.
Ich bin Gott sei Dank von solchen Typen verschont geblieben, obwohl ich – wie vermutlich jeder Arbeitgeber – ein Lied von krankheitsbedingten Ausfällen singen kann.
Ärgerlich zwar, aber von mir toleriert waren die blauen Montage, die auch mal ein anderer Wochentag sein konnten, wenn also jemand nicht kam, weil vorher Karneval, Geburtstag, Fußball oder Party war.
Geärgert hat mich aber immer, wenn jemand mich verarschen wollte.
Das ist beispielsweise mal der Fall gewesen, als einer wegen „Rücken“ vier Wochen „krank gefeiert“ hat, parallel aber als Aufbauhelfer bei einem Schaustellerbetrieb mitgearbeitet hatte.
Ein anderer wurde immer dann krank, wenn sein Schwager einen Helfer für seine kleine Möbelspedition benötigte.
Eine junge Dame leistete nebenberuflich und selbstverständlich „ehrenamtlich“ Dienste als Friseuse. Sie begleitete immer eine Damenmannschaft und man konnte am Turnierkalender dieses Sportclubs ablesen, wann sie bei uns fehlen würde.
Mein Gott, wir alle leben in dieser verrückten Welt und ich weiß doch, wie es läuft. So sehr ich mich bei solchen Verarschungen auch geärgert haben mag, rausgeflogen ist deshalb niemand. Wir haben doch nur diese etwa 80 Jahre auf dieser Welt und müssen uns die Zeit doch schön machen. Wenn es dann dazugehört, ab und zu mal unehrlich zu sein und das System auszunutzen, dann ist das eben so.
Ein paar ernste Worte und ein intensives Gespräch haben immer Wunder gewirkt. Meinen Leuten ging es gut bei mir und sie haben auch alle nicht schlecht verdient. Deshalb glaubte ich immer, einen Trumpf in der Hand zu haben, wenn ich darauf hinwies, wie schade es doch sei, wenn man diese Vorzüge verlieren würde. Und das hat funktioniert.
Übrigens: ich habe vor ein paar Jahren mal den Schwager eines Ehemaligen getroffen, der mit Schimpf und Schande gehen musste. So etwas hat es ja auch gegeben. Und, Du kannst es Dir denken, was der Bruder alles für schlimme und haarsträubende Geschichten über mich als Chef erzählt hat.
Ich habe kurzfristig fast schon Angst vor mir selbst bekommen. Aber wer gibt schon gerne in seiner Familie zu, dass er rausgeflogen ist, weil er geklaut hat, Kollegen betrogen hat und dann einfach nicht mehr zur Arbeit erschienen ist. Da ist es einfacher, man erfindet einen bösartigen Chef, der die Löhne nicht zahlt, der selbst nur eine Stunde am Tag in der Firma ist, der mit den Auszubildenden*innen herumpossiert und der ständig Schwarzgeld verpulvert.
Nein, so etwas habe ich alles nicht gemacht.
Vielmehr habe ich ja selbst lange genug auch in abhängiger Stellung gearbeitet und später dann versucht, es meinen Mitarbeitern so zu gestalten, wie ich es immer gerne gehabt hätte.
Doch einmal bin ich wirklich böse geworden.
Florian war noch gar nicht so lange bei uns. Er war mir immer schon ein wenig suspekt, weil ich bei ihm jeglichen Respekt vermisste. Ständig umspielte seinen Mund ein süffisantes Grinsen und er zeigte mir mit jeder Faser seines Körpers, wie wenig er mich achtete.
Auf der anderen Seite leistete er gute Arbeit – wenn er da war.
Er war einer der Kandidaten, die immer mal wieder morgens anriefen und sich für einen Tag krankmeldeten. Kann ja sein, dass jemand eine Erkrankung hat, die immer wieder einen Tag lang wütet. Migräne, Ischias oder was weiß ich.
Aber an einem Tag kam Florian kurz vor Feierabend an meinem Büro vorbei und meinte beiläufig: „Chef, nur damit Sie Bescheid wissen, ich geh morgen zum Arzt, ich wär dann mal für 14 Tage krank.“
Hellseher, oder was?
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- wahrsagerin: Peter Wilhelm KI
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