Eine Leserin ist auf einem Friedhof auf ein Grab gestoßen, das eine Erklärungstafel hat, die bestimmte historische Bezüge erklärt. Dabei ist sie auf eine ihr unbekannte Bezeichnung gestoßen:
Ich habe den Ausdruck Spoliengrab bislang nur ein einziges Mal von einem Steinmetz auf dem Melatenfriedhof in Köln gehört. Danach befragt, was das denn sei, antwortete er in sehr derbem Kölsch, das ich hier aber übersetze: „Wenn für was Neues zu bauen, was Altes genommen wird, tut man Spolien verarbeiten.“
Das Wort Spolie kommt aus dem Lateinischen. Spolium bedeutet „Beute, Raub, dem Feind Weggenommenes“. In unserem Zusammenhang und in der heutigen Verwendung bezeichnen wir damit den Teil oder Rest eines Gebäudes, der aus früheren Zeiten stammt und nun für ein neues Gebäude wiederverwendet wird.
Das kann ein besonders schmuckvolles Teil sein, wie ein Relief oder ein Torbogen, es kann aber auch schlicht und ergreifend praktische Gründe haben, Material weiterzuverwenden.
Das Kolosseum in Rom und die Pyramiden in Gizeh waren ursprünglich prachtvoll verkleidet. Als die Bedeutung der Gebäude sank, wurde das Außenmaterial von der Bevölkerung abgetragen und für andere Häuser verwendet.
Beim Kolosseum erkennt man die unterschiedlichen Bedeutungen dieser Beutestücke, also Spolien: Das meiste Material wurde einfach aus Kostengründen für den Hausbau in Rom verwendet; etliche Spolien aber landeten auch im damals neu erbauten Petersdom, wo sie auch als Symbol für die Überwindung des Vorherigen gelten dürften.
Bei Gräbern ist mit Spolien ausschließlich das steinerne Material und hier besonders das Grabmal gemeint.
Es ist ja auch eine Schande, dass die wertvollen, oft aus Südamerika stammenden Steine nach Ablauf des Grabes geschreddert und im Straßenbau verwendet werden. Sie könnten ohne Weiteres abgeschliffen und als Spolie auf einem anderen Grab neu genutzt werden.
Auch das Grab von Wolfgang Amadeus Mozart auf dem Sankt Marxer Friedhof in Wien ist mit einem Spoliengrabmal versehen.
Der Komponist wurde auf dem Sankt Marxer Friedhof ohne Trauergäste beigesetzt und die genaue Lage des Grabes geriet in Vergessenheit.
Später errichtete man dann auf Geheiß des Bürgermeisters ein Gedenkmal an der Stelle, die man für die wahrscheinlichste Position des Grabes hielt. Diese Stelle wurde dann von der Öffentlichkeit gemeinhin als das Mozart-Grab angesehen und besucht.
Doch dann wurde das Grabmal auf den Wiener Zentralfriedhof an eine Ehrenstelle gebracht. In Eigeninitiative errichtete der Friedhofswärter des Sankt Marxer Friedhofs dann eine Gedenktafel an der nunmehr verwaisten Stelle und baute das später mit Teilen anderer Grabsteine aus.
Mehr darüber in einem kommenden Artikel über Mozarts Bestattung.
- spoliengrabmal: Peter Wilhelm KI
- Mozart_Grabmal_Wien_StMarx: Von Wolfgang Schmidt - Eigenes Werk, CC BY-SA 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=540484
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