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Wenn der Schwabe spart, kann es pietätlos werden – Was ist Pietät?

Leser Daniel machte einen Spaziergang. Der führte ihn auch zum Friedhof Ohmenhausen (Schwaben). Als er die dortige Friedhofstoilette aufsuchte, traute er seinen Augen nicht.

urnendeckel

Unter dem Seifenspender hatte jemand eine Schale angebracht, damit die herabtropfende Seife, nicht den Boden verschmiert.
Bei genauerer Betrachtung entpuppt sich die Seifentropfschale aber als umgedrehter Deckel einer Urne.

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Man mag es sparsam nennen. Man mag es vielleicht auch pragmatisch nennen.
Aber für Menschen, die erst kurz zuvor einer Urnenbeisetzung beiwohnen mußten, ist das ein erschreckender oder doch zumindestens verstörender Anblick.

Für so einen Zweck gibt es im Bauhaus für um die 5 € Seifenschalen, die den gleichen Zweck erfüllen würden.

Warum ist das pietätlos

Es ist schwer, zu definieren, was Pietät eigentlich ist.
Hierbei handelt es sich um ein persönliches oder gesellschaftsweites Empfinden.
Dabei kann das persönliche Empfinden sowohl in der einen, wie auch in der anderen Richtung vom gesellschaftlichen Empfinden abweichen.

Pietät ist das als nicht unangenehm empfundene Handeln in Bezug auf Tod, Trauer und Bestattung.
Als besonders pietätvoll gilt ein Handeln dann, wenn es die Menschen nicht unangenehm berührt.

Das Pietätsempfinden der Bevölkerung darf beispielsweise nicht gestört werden.
Beispiele für entsprechende Regelungen finden wir in den Gesetzen. So werden die Totengedenktage zu stillen Tagen erklärt, an denen laute Lustbarkeiten und Tanzveranstaltungen nicht gestattet sind. Auch in den Landesbestattungsgesetzen findet man entsprechende Hinweise, wenn es z.B. heißt, daß Bestattungsfahrzeuge in ihrer Farbgebung dem allgemeinen Pietätsempfinden entsprechen müssen. Ein knallroter Bestattungswagen mit der Aufschrift „schnell wie die Feuerwehr, Meier Bestattungen“ wäre also gegen das Pietätsgebot.

Abweichungen vom Pietätsempfinden zum Stärkeren hin

Vereinzelt haben Menschen auch ein stärkeres Pietätsempfinden. Sie fühlen sich schon unangenehm berührt, wenn selbst Kleinigkeiten nicht ihrem Pietätsgefühl entsprechen.
Von diesem verstärkten Pietätsempfinden spreche ich dann, wenn jemand mehr als es in der Gesellschaft allgemein üblich ist, Dinge und Handlungen als pietätlos empfindet.
Als Beispiel kann ich mein Bestatterweblog anführen. Ich informiere hier auf unterhaltsame Weise über die Themen Tod, Trauer und Bestattung.
Allgemein wird mir bescheinigt, daß ich das auf geschmackvolle und nicht anrührige Weise tue. Mitunter treffe ich aber auf Zeitgenossen, die es als arg pietätlos empfinden, daß ich auf humorvolle Weise mit dem Thema umgehe.

In selteneren Fälle gibt es auch ein übersteigertes Pietätsempfinden, das ich als Pietätsempfindlichkeit bezeichnen möchte.
Diese Menschen fühlen sich schon durch den Anblick eines Bestattungsfahrzeuges oder eines Bestattungshauses unangenehm berührt.
Hier spielt aber auch eine gewisse Begrifflichkeit eine Rolle. Die Leute sagen oft, daß sie dies oder das als pietätlos empfinden, meinen aber, daß sie es nicht haben können, wenn Sie überhaupt an den Tod erinnert werden.

Abweichungen vom Pietätsempfinden zum Schwächeren

Diesen Menschen ist, so könnte man es sagen, gar nichts heilig. Sie empfinden die Themen Tod, Trauer und Bestattung als für ihren Lebensbereich unzutreffend und unwichtig. Sie nehmen teilweise die Symbolik oder Gegenstände aus dem Bestattungs- oder Friedhofsgewerbe und entfremden deren Nutzung.
In einem Friseurladen in einer Großstadt sah ich einmal einen Grabstein als Preistafel im Schaufenster. Das empfand ich als pietätlos.
So wird das Tun dieser Menschen im Allgemeinen vom Rest der Bevölkerung eher als pietätlos bezeichnet.

Im weitesten Sinne können da auch die sogenannten „Schwarzfahrer“ dazu gehören. Das sind jene Leute, oft aus der Gothic-Szene (aber nicht zwangsläufig), die ausgemusterte Bestattungsfahrzeuge für andere Zwecke nutzen. Die sehr belastbaren und geräumigen Fahrzeuge bieten sich hierfür geradezu an.
Wenn aber jemand ein solches Auto in grell Pink anstreicht, ein Skelett auf den Beifahrersitz platziert und auf der Ladefläche seine Einkäufe in einem offenen Sarg transportiert, fühlen sie weite Kreise der Bevölkerung dadurch gestört.

Die Menschen verbinden mit den Gegenständen Grabstein und Bestattungsfahrzeug den Tod geliebter Menschen. Sie fühlen sich auf unangenehme Weise an das Sterben von Angehörigen erinnert und sehen die Fremdnutzung als unpassend an.

© Foto: Daniel

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