Stirbt in einem Haus ein Mensch, dann bleiben die Uhren stehen. Diese Aussage treffen Menschen immer wieder. Man findet solche Berichte zuhauf im Netz, bei Facebook, Twitter und sonst wo. Aber ist da etwas dran?
Schon zweimal habe ich hier im Bestatterweblog.de über dieses Phänomen berichtet:
2008: Bleiben Uhren stehen…?
2013: Bleiben Uhren stehen, wenn jemand stirbt?
Über 120 Kommentare sind zu diesem Thema insgesamt eingegangen und es vergeht kaum eine Woche, in der ich nicht eine Mail erhalte, in der auch erzählt wird, dass die Uhren beim Tod eines Menschen stehen geblieben sind.
Die Zahl der Meldungen, die allein bei mir eingegangen sind, gehen also in die Hunderte. Also muss doch allein die Fülle dieser Erzählungen eigentlich schon ein Beweis dafür sein, dass an diesen Geschichten etwas dran ist.
Nun möchte ich die lieben Menschen, die das erzählen nicht mit einem schlawinerischen Satz als Spinner, Geschichtenerfinder oder Wichtigtuer abtun.
Aber eine Uhr ist ein mechanisches oder elektronisches Gerät, das per se keine Verbindung zum feinstofflichen Bereich hat, den es ohnehin nicht gibt. Es sind keinerlei Kräfte oder Einflüsse bekannt, die Uhren jedweder Bauart schlagartig zum Stehen bringen, wenn in der Nähe ein Mensch verstirbt. Alles andere widerspricht den Erkenntnissen der Physik.
Die einzige Ausnahme wären Automatikuhren, die ein Uhrwerk haben, das durch die Bewegung des Unterarms über einen innenliegenden Rotor aufgezogen werden. Solche Uhren bleiben stehen, wenn sich ihr Träger mehr oder weniger lange nicht mehr bewegt. Ist eine solche Uhr kurz vor dem Ablaufen der gespeicherten Federspannung des Uhrwerks, kann sie in der Nähe des Todeszeitpunkts zum Stehen kommen. Und natürlich bleibt manch eine Uhr auch stehen, wenn ihr Uhrwerk durch die Todesumstände beschädigt wird. Das kennt man auch aus vielen Filmen, in denen der Täter extra noch die Uhr des Opfers verstellt und dann zerstört, um einen anderen Todeszeitpunkt vorzugaukeln.
Andere Erklärungen gibt es m.W. nicht. Demnach wären alle diesbezüglichen Berichte falsch.
An eine, wie auch immer geartete geisterhafte Einwirkung des Todes auf Uhrwerke müssen wir nicht glauben. So etwas halte ich für Humbug, wie auch Globuli und Eigenurintrinken.
Aber es sollte doch wenigstens möglich sein, Ursachen für die entsprechenden Erzählungen zu finden.
Nun, ich schnitt es oben schon an. Selbstverständlich lädt das Internet geradezu dazu ein, sich durch entsprechende Märchen wichtig zu machen und ein paar Sekunden Aufmerksamkeit zu schinden.
Und außerdem ist es natürlich tatsächlich möglich, dass in einem Sterbehaus stehende Uhren vorkommen, deren Zustand und Existenz erst nachträglich mit dem Tod in Verbindung gebracht werden, obwohl sie schon länger nicht mehr gingen.
Eine weitere Erklärung hat Leser Paul:
Sehr geehrter Herr Wilhelm, ich habe mich bei der Lektüre des Bestatterweblogs „Bleiben Uhren stehen, wenn jemand stirbt?“ daran erinnert, dass Physik-Nobelpreisträger Richard Feynman dieses Phänomen beim Tod seiner ersten Ehefrau am 16.06.1945 selbst erlebt hat und auch eine einleuchtende Erklärung für das Phänomen zumindest für diesen Einzelfall hat: sinngemäß „eine mechanisch unzuverlässige Uhr wird „ans Licht gehalten“, um den Todeszeitpunkt zu bestimmen und bleibt durch diese Bewegung stehen“.
Vielleicht ist das also ein verbreitetes Phänomen, seit versucht wird, Todeszeitpunkte mit technisch unzuverlässigen Uhren z. B. bei schlechter Beleuchtung präzise zu bestimmen.
Uns zeigt das, dass auch schon 1945 (und lange davor) Wissenschaftler sich Gedanken über dieses Thema gemacht haben und immer nur auf technisch-rationale Lösungen gekommen sind.
Einen Beweis dafür, dass der Tod Auswirkungen auf Uhren hat, konnte bislang von niemandem erbracht werden.
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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Ich halte es für einen puren Zufall, dass bei einem Todesfall Uhren stehen bleiben.
Moin, als ich Feynman gelesen habe, dachte ich sofort an Fermi. Man kann kurz mal überschlagen, wie denn die Grössenordnung ist. In D sterben so ca. 2700 Menschen pro Tag (grob geschätzt, Lebenserwartung/Bevölkerung). Das wird von der Grössenordnung her auch die letzten Jahrzehnte etwa so gewesen sein. Nimmt man jetzt an, daß z.B. jeden Monat in einem Haushalt früher irgendeine Uhr stehen geblieben ist (vergessen aufzuziehen, kaputt, waren ja früher alle mechanisch), dann kommt man jeden Tag auf 90 Todesfälle, bei denen auch an dem Tag eine Uhr stehen geblieben ist. 0,6 Fälle pro Tag, bei denen das mit +/- 5 Minuten zeitlich passte. Plus die, bei denen Opa morges nicht mehr aufgewacht ist und die Uhr in der Nacht stehen geblieben ist -> Treffer. Jetzt kann man an den Zahlen noch etwas drehen (plus Fälle, in denen die Uhr schon tagelang stand, der Effekt von Feynman usw.). Man kommt auf jeden Fall auf Zahlen, die über die Jahre und Jahrzehnte hunderte solcher Fälle ganz simpel durch statistischen Zufall erklären. Wenn man sich jedesmal fest… Weiterlesen »
Vielleicht war es zumindest vor einigen Jahrzehnten noch so, dass in einem
Sterbehaus Niemand auf das Aufziehen von Uhren geachtet hat, gerade weil ja
ein sehr heftig emotionaler Vorgang (Sterbeprozess) im Gange war.
Dauert ja auch manchmal was weiß ich 2-3 Tage, bis die sterbende Person tatsächlich gestorben war(ist).
Kann diverse Gründe haben und Trauernde nehmen aufgrund ihrer Trauer Dinge wie stehen gebliebene Uhren, als „Zeichen“ wahr, Uhren außerhalb des Sterbezimmers können ja auch schon am Tage zuvor stehen geblieben sein, nehmen die Trauernden aber erst nach dem Tode ihre/s Angehöriger/n wahr…
Spekulieren kann man viel, aber das ist auch ein Mythos welcher nicht unbedingt „aufgeklärt“ werden muss. Soll einfach einer bleiben.
Ich weiß von meiner englischen Verwandtschaft, dass es dort früher Brauch war im Sterbezimmer, (und wohl auch manchmal im ganzen Hause), die Uhren anzuhalten. Ähnlich wie man hier Spiegel verhängte etc.
Man tat dies entweder, weil die stehende Uhr den Tod symbolisieren sollte, oder auch, weil man das Ticken oder Schlagen der Uhr als pietätlos empfand.
Könnte mir vorstellen, dass auch dieser Brauch zum Mythos der von selbst stehenbleibenden Uhr beigetragen hat.
Dazu passend ein Text von W H Auden:
https://web.cs.dal.ca/~johnston/poetry/stopclocks.html
„(…), daß ich mich nicht unterstehe so gänzlich alle Wahrheit an den mancherlei Geistererzählungen abzuleugnen, doch mit dem gewöhnlichen, obgleich wunderlichen Vorbehalt, eine jede einzelne derselben in Zweifel zu ziehen, allen zusammen genommen aber einigen Glauben beizumessen.“
Immanuel Kant, Träume eines Geistersehers
Sehr passend, danke.
Ich könnte es nur niemals so brillant formulieren.
Nun ja, Feynman wäre kein Wissenschaftler, wenn er nicht versucht hätte, dieses Phänomen irgendwie physikalisch-mechanisch zu erklären. Insgesamt klingt seine Erklärung aber eher wie der Versuch, mit etwas fertig zu werden, was er letztlich doch nicht versteht. Denn um seine Erklärung als Beweis zu werten und um eine mechanische Ursache zu verifizieren, hätte er die Uhr auf ihre Unzuverlässigkeit untersuchen lassen müssen. Es entzieht sich meiner Kenntnis, ob er das getan hat. Weiß jemand mehr?