Frag doch den Undertaker

Wie lange kann man in einem Sarg überleben?

Bestatter

Wie lange kann man in einem Sarg überleben? Wenn man versehentlich begraben wird, wie lange würde man in einem Sarg überleben können?

Wie lange kann man in einem Sarg überleben?

Lieber Undertaker,
wir haben uns bei einer Runde Dungeons and Dragons darüber gestritten, wie lange ein Mensch – also theoretisch ein lebender Mensch – in einem geschlossenen Sarg überleben könnte. Es geht um die Frage: Wie lange reicht der Sauerstoff? Kannst du uns weiterhelfen?

Viele Grüße,
Eine neugierige Spielrunde

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Die Vorstellung ist zwar makaber, aber aus naturwissenschaftlicher Sicht durchaus interessant. In einem Sarg würde ein eingeschlossener Mensch nur sehr kurze Zeit überleben können – im besten Fall etwa 60 bis 90 Minuten, wahrscheinlicher sind jedoch 30 bis 45 Minuten. Die genaue Zeit hängt von vielen Faktoren ab, etwa von der Größe des Sarges, dem Luftvolumen darin, der Körpergröße der eingeschlossenen Person und ihrem Aktivitätsgrad. Wer ruhig liegen bleibt, verbraucht weniger Sauerstoff; wer in Panik gerät und gegen den Sarg ankämpft, verkürzt seine Überlebenszeit erheblich.

Ein Standardsarg misst etwa 200 x 60 x 70 Zentimeter. Zieht man davon das Volumen des Körpers und die Innenausstattung ab, bleibt ungefähr ein Drittel bis die Hälfte des Innenraums als Luftvolumen übrig. Diese Luft enthält etwa 21 Prozent Sauerstoff. Mit jedem Atemzug nimmt der Körper Sauerstoff auf und gibt Kohlendioxid ab. Das CO₂ sammelt sich schnell an und verdrängt den Sauerstoff – nicht weil der Sauerstoff „aufgebraucht“ wäre, sondern weil der steigende CO₂-Anteil den Gasaustausch in der Lunge unmöglich macht.

Schon nach wenigen Minuten steigt der Kohlendioxidgehalt deutlich an. Der Körper verfügt über Sensoren, sogenannte Chemorezeptoren, die auf CO₂ reagieren. Wenn der Gehalt zu hoch wird, entsteht ein Gefühl der Atemnot, obwohl eigentlich noch genügend Sauerstoff vorhanden wäre. Das ist der gleiche Mechanismus, der bei Erstickungspanik oder Atemstillstand eine Flucht- oder Kampfreaktion auslöst. In einem Sarg führt dieser Reflex zu massiver Panik, Herzrasen und unkontrollierten Bewegungen – was wiederum den Sauerstoffverbrauch weiter beschleunigt.

Durch das steigende Kohlendioxid kommt es zur sogenannten respiratorischen Azidose: Das Blut übersäuert, weil CO₂ in wässriger Lösung Kohlensäure bildet. Der pH-Wert des Blutes sinkt, die Enzymfunktionen brechen zusammen, und das Herz gerät aus dem Rhythmus. Noch bevor der Sauerstoffmangel direkt tödlich wirkt, versagt der Organismus an der chemischen Entgleisung. Der Tod tritt in der Regel durch Bewusstlosigkeit, Atemstillstand und Herzversagen ein.

Unter optimalen Bedingungen – also ohne Bewegung, bei ruhiger Atmung und einem etwas größeren Luftvolumen – könnte ein Mensch theoretisch vielleicht eineinhalb Stunden überleben. Doch in der Realität dürfte niemand in dieser Situation ruhig bleiben. Schon nach zehn bis zwanzig Minuten würde die Atemnot einsetzen, begleitet von Panik und verzweifelten Befreiungsversuchen. Diese führen wiederum dazu, dass der Sauerstoff schneller verbraucht wird. Ein grausamer, aber kurzer Tod wäre die Folge.

Zum Glück kommen solche Fälle heute praktisch nicht mehr vor. Die Vorstellung, lebendig begraben zu werden, hat jedoch über Jahrhunderte die Menschen in Angst versetzt. Im 18. und 19. Jahrhundert erfand man sogar sogenannte „Sicherheits-Särge“ mit Klingeln, Atemrohren oder Signalleinen, damit jemand, der versehentlich für tot gehalten wurde, noch Alarm schlagen konnte. Solche Apparaturen waren Ausdruck dieser tiefen Urangst – und eine makabre Mischung aus Technikgläubigkeit und Aberglaube.

Als Bestatter kann ich beruhigend sagen: Niemand wird heute lebendig begraben. Der Tod wird in Deutschland immer ärztlich festgestellt, es gibt klare Vorschriften, und jede Bestattung erfolgt erst nach einer gesetzlich festgelegten Wartezeit. Die Frage bleibt trotzdem faszinierend, weil sie uns daran erinnert, wie eng Leben und Tod beieinanderliegen – und wie sehr uns die Vorstellung beschäftigt, irgendwo eingeschlossen zu sein, ohne entkommen zu können.

Schreibt mir Euer Wissen dazu gerne in die Kommentare. Als Bestatter begräbt man ja normalerweise keine lebenden Menschen.

Der Originalartikel ist von 2007. Die Frage wurde am 17. Nov. 2015 erneut gestellt. Heute ist der Artikel wieder aktuell (siehe unten). Überarbeitet 08/2018. Alle paar Jahre wird das Thema wieder mal von den Medien aufgegriffen.

Bitte gerne kommentieren.


Am 30.08.2018 rief mich die BILD-Zeitung-Saarland an. Da habe ich immer ein komisches Gefühl. Ich wurde gefragt, ob ich wüßte, wie lange ein Mensch unter der Erde in einem Sarg überleben kann.
Meine Antwort war 20-45 Minuten.
Ich wurde dann noch gefragt, ob aus dem Weblog zitiert werden dürfte.
Ich wies darauf hin, dass dabei die Kommentare zu berücksichtigen sind, die die chemische Seite besser darstellen als der Artikel. Ich bin ja Geisteswissenschaftler und kein Naturwissenschaftler, deshalb stand im ursprünglichen Artikel von damals vor 11 Jahren, dass ich als Laie glaubte, es gelange Stickstoff und nicht Kohlendioxid in den Sauerstoffvorrat im Sarg. Inzwischen ist das im Artikel längst berichtigt. Ich habe also der BILD-Zeitung gegenüber nie gesagt, dass Stickstoff dabei eine vergiftende Rolle spielt. Sie hat es trotzdem so geschrieben.

Es ist manchmal erstaunlich, wo ich überall als Experte zitiert werde. Im Frühstücksfernsehen eines Privatsenders wurde sogar ein ganzes Interview mit mir ausgestrahlt, von dem ich nix wusste und das ich auch nie gegeben habe. Es wurden einfach passende Archivbilder von Särgen und Gräbern gezeigt und frei zusammengeklaubte Sätze aus dem Bestatterweblog.de als ein Interview mit mir in Textform eingeblendet und von einem Sprecher aus dem Off gesprochen.

In einer Lokalzeitung in Mitteldeutschland ist ein fast ganzseitiger Artikel über mich erschienen, in dem ich ebenfalls ein langes Interview gegeben haben soll. Auch daran habe ich gar nicht mitgewirkt

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

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(©si)