Branche/Kommune

Will dieser Bestatter abzocken?

Aufmerksamen Lesern des Bestatterweblogs wissen natürlich, dass Bestatter bei manchen ihnen anvertrauten Verstorbenen auch Herzschrittmacher entfernen. Doch eigentlich gehört diese Tätigkeit der Vergangenheit an.

Früher hatten die Betreiber der Krematorien Bedenken, wenn Personen mit Herzschrittmacher eingeäschert wurden. Die in den Geräten enthaltenen Batterien konnten lautstark verpuffen. Außerdem wurde bei den früheren Filteranlagen befürchtet, dass Schwermetalle oder andere Schadstoffe in den Abgasstrom gelangen könnten.

Daher war es Gang und Gäbe, dass die Bestatter die Herzschrittmacher vor der Einlieferung des Verstorbenen ins Krematorium entfernten. In einigen Krematorien machten das auch die dortigen Angestellten. Die entnommenen Geräte wurden, wie Implantate (die als Verbrennungsrückstände anfielen) entsorgt.

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Seit Jahren ist die Entnahme von Herzschrittmachern aber nicht mehr notwendig. Die Abläufe in modernen Einäscherungsanlagen sind so gestaltet, dass sie auch mit Herzschrittmachern zurecht kommen. Die kleine Verpuffung der Batterie stört nicht weiter und kann die Öfen auch nicht beschädigen. Die Abgasanlagen werden sowieso mit leistungsfähigen Filtern betrieben, sodass keine Schadstoffe in die Außenluft gelangen können.

Vor diesem Hintergrund wundert mich die Zuschrift unseres Lesers Knut doch sehr. Er schreibt:

Mein Vater wurde feuerbestattet. Bei der Auftragserteilung fragte mich der Bestatter, ob mein Vater eine Deffibrilator oder Herzschrittmacher habe. Der könne nämlich bei der Verbrennung zu Explosionen führen. Ich beantwortete die Frage mit Ja.

Im Anschluß teilte mir der Bestatter mit, dass es 3 Preise gibt.

– Herzschrittmacher explantieren 980,00 €
– Deffi explantieren 1.240,- €
– Nach Obduktion 1.290,- €

Nach einem Gespräch mit meiner Hausärztin teilte diese mir mit, dass das Preisverzeichnis der Krankenkassen dafür 8,04 € vorsieht bzw für einen Oberarzt das 2,4 fache also 19,30 €

Den Bestatter auf diese Tatsache angesprochen sagte er: Das nicht er die Preise macht sondern der Dachverband der Bestatter in Bayern
Nur er darf an Toten hantieren und nicht das Krankenhaus wo mein Vater verstorben ist.
Das Krematorium teilte mir mit, dass es Ihrerseits kein Regelwerk oder eine Anweisung gibt wonach Sie verlangen würden dass ein solches Gerät ausgebaut werden muss.
Des weiteren verweigert der Bestatter die Herausgabe der Urne an einen anderen Bestatter so lange die Rechnung nicht vollständig bezahlt ist. Ich habe für den Ausbau des Gerätes 100 bezahlt.

Darf der Bestatter die Urne zurück halten lassen ?
Wie soll ich vorgehen? So freundlich er anfänglich war so bissig ist er jetzt und mahnte mich zu bezahlen, da er sonst einen Eingehungsbetrug zur Anzeige bringt.

  1. Der Leser hat es selbst mit dem Krematorium abgeklärt: Dort muss ein Herzschrittmacher nicht entfernt werden.
    Damit besteht auch für den Bestatter keine Notwendigkeit, den Apparat zu entnehmen.
  2. Der Bundesgerichtshof hat geurteilt, dass alles das sich im Körper des Verstorbenen befindet, dort zu verbleiben hat, mit einzuäschern ist und letztlich sogar mit in die Urne kommen muss. LINK ZUM ARTIKEL ÜBER DAS BGH-URTEIL
  3. Die Kosten von 980 – 1.290 € sind vollkommen überzogen. Ich selbst habe für diese (damals erforderliche) Arbeit nie etwas berechnet. Aber darüber muss man gar nicht diskutieren, denn die Entnahme ist 1. nicht gestattet (BGH) und 2. unnötig.
  4. Jeder Bestatter macht seine Preise selbst. Es gibt keine Landes- oder Bundesvorschriften für Bestatterpreise. Manche Berufsverbände sprechen Empfehlungen aus, an denen sich die Bestatter orientieren können. Aber es gibt keinen Verband, der dem Bestatter „die Preise macht“.
  5. Die Angehörigen haben das Totenfürsorgerecht. Sie übertragen dieses im Rahmen ihrer Auftragserteilung an den Bestatter. Sowohl die Angehörigen als auch der Bestatter können aber weitere Personen mit der „Betreuung/Behandlung“ des Verstorbenen bemühen. Sie können auch eine andere fachkundige Person mit der Entnahme beauftragen, wenn sie das denn wollten und dürften. Es gibt keine Vorschrift, dass das nur der Bestatter dürfte. Bestatter kann jeder werden auch gänzlich ohne Ausbildung. Was würde so jemanden mehr qualifizieren, als andere Personen?
  6. Wenn ich den Leser richtig verstehe, hat er die Bestatterrechnung bezahlt, jedoch für die unnötige und verbotswidrige Entnahme des Herzschrittmachers anstandshalber 100 Euro bezahlt. Diesen Betrag würde ich für angemessen halten, wenn die Entnahme rechtens wäre. Durch die Bezahlung der Rechnung hat der Kunde seine Verpflichtung zumindest soweit erfüllt, dass er sich zahlungswillig zeigt. Von einem Betrug kann hier also keine Rede sein. Ein Eingehungsbetrug liegt meiner Meinung nach nur vor, wenn man eine Leistung oder Ware bestellt und von vornherein weiß, dass man gar nicht bezahlen will oder kann.
  7. Der Bestatter hat in meinen Augen kein Recht, die sterblichen Überreste eines Menschen als Pfand zu behalten. Ihm stehen durch das außergerichtliche und vor allem durch das gerichtliche Mahnverfahren genügend Wege offen, um an sein Geld zu kommen. Eine Bestattung zu verhindern, indem der Bestatter einfach einen Toten behält, das geht gar nicht.

Nach meinem Dafürhalten hat sich der Bestatter falsch verhalten. Das es keine Vorschrift gibt, den Apparat aus dem Verstorbenen zu entnehmen und da diese Entnahme durch den BGH verboten wurde, hat der Bestatter m.M.n. gesetzeswidrig gehandelt. Wenn er mir blöd käme, würde ich ihn anzeigen.

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§ Hinweis:

Diese Einschätzung beruht auf meinen persönlichen Erfahrungen und gibt ausschließlich meine Meinung wieder. Zu Rechts-, Steuer- und medizinischen Themen sollten Sie immer einen ausgewiesenen Fachmann fragen. Das ist oft günstiger als man denkt. Verlassen Sie sich nie auf Erkenntnisse, die Sie sich nur im Internet zusammengefischt haben!]

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(©si)