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Wochenlang mit einer Leiche im Kofferraum unterwegs!

Leute, wenn es hier schon um tote Tiere und deren Bestattung geht, dann muss ich Euch diese Geschichte hier erzählen:

Vor vielen Jahren begab es sich, daß unsere kleine Katze Mohrle im Treppenhaus abgestürzt ist. Auch wenn Katzen sieben Leben haben und auch wenn sie angeblich beim Fallen ganz tolle akrobatische Fähigkeiten entwickeln, unser Mohrle ist so unglücklich abgestürzt, daß sie sich einen Lungenriss zugezogen hat.

Mohrle hatten wir ein paar Jahre vorher aus dem Tierheim geholt. Da gab es einen großen, weißgekachelten Raum mit vielleicht 30-40 Katzen und gerade als wir dort waren, wurden die Katzen gefüttert. Mohrle, die kleine schwarze Katze, war die Einzige, die nichts abbekam und etwas apathisch in der Ecke saß.

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Sie hat uns Leid getan und weil mein Herz für die Schwächeren schlägt und ich ein Helfersyndrom habe, haben wir uns damals spontan für die kleine Schwarze entschieden und sie nach Zahlung von 40 Mark (damals noch echtes Geld) mit nach Hause genommen.

Da hatte sie sich dann etwa eine Woche lang hinter den Vorhängen versteckt, weil sie sich zunächst nicht mit unserem ebenfalls anwesenden Cocker-Spaniel vertragen mochte. Und noch schlimmer: Nach schon einer Woche ist das scheue und kratzbürstige kleine Viech abgehauen. Durch ein spaltbreit geöffnetes Fenster raus und fort…

Tagelang haben wir gesucht, die blöden Katzen-Zettel überall aufgehängt und alle möglichen Leute gefragt. Manchmal habe ich auch überfallmäßig irgendeine schwarze Katze auf der Straße eingefangen und auf die kleine Operationsnarbe von der Sterilisation hin untersucht, die unser Mohrle vom Tierheim hatte.

Die Suche verlief ergebnislos und wir hatten uns nach 14 Tagen schon damit abgefunden, dass die Kleine weg ist.
Dann kam ein Nachbarsmädchen und erzählte uns von Leuten in einem ganz anderen Stadtteil, denen eine ebensolche Katze zugelaufen sei.
Und tatsächlich, das war unser Mohrle und gegen eine Flasche Dankbarkeitssekt haben die Leute die Kleine wieder rausgerückt.
Exakt von diesem Zeitpunkt an war Mohrle wie verwandelt, als ob sie schon jahrelang bei uns gewesen wäre, als ob sie immer schon eine Schmusekatze gewesen sei; sie wich nicht mehr von uns, war ein richtiger Schossrutscher geworden und presste sich auf der Couch wärme- und nähesuchend an uns. Auch den Hund hatte sie schlagartig akzeptiert und von diesem Tag an, schliefen die beiden schwarzen Tiere in einem Korb, schleckten sich gegenseitig und frassen teilweise die Reste aus den jeweils anderen Näpfen.

So eine verschmuste und liebesbedürftige Katze kann man sich kaum vorstellen.

Auch als wir umzogen, fand Mohrle sich gut im neuen Haus ein und es ging gerade auf Weihnachten zu, da passierte es und Mohrle fiel im Treppenhaus drei Stockwerke tief. Beim Balancieren auf dem Treppengeländer ist sie hinten abgerutscht und dann runtergesegelt.

Ein Lungenriss sei das, meinte der Tierarzt und wiegte bedenklich den Kopf. Man könne so was kaum operieren, manchmal habe man Glück und das wachse von alleine wieder zu, auf jeden Fall sollten wir ihr was Stärkendes, zum Beispiel Rinderserum aus der Apotheke geben.

Nee, das wurde nichts mehr.
Mohrle nahm zusehends ab und auch wenn sie keine Schmerzen kundtat, sah man, daß es dem Tier nicht gut ging.
„Lass und Weihnachten noch rumbringen und dann bleibt uns kein anderer Weg, als mit ihr zum Tierarzt zu gehen und sie erlösen zu lassen“, habe ich damals gesagt.
Doch am zweiten Weihnachtsfeiertag ist Mohrle dann gestorben.

Nun gut, das ist halt manchmal so.
Aber was tun?
Auf keinen Fall wollte ich die Katze zum Tierarzt bringen, damit sie in die Abdeckerei kommt. So einen Tierverwertungsbetrieb gab es hier in der Nähe nämlich und ich hatte ihn mal besichtigt und gesehen, wie da aus toten Hunden, Pferden und zerlegten Zootieren Fette und Mehle gewonnen werden.
An den vielen ausgefilterten Halsbändern konnte man erkennen, wie viele Haustiere da durch die Mühle gegangen sind…

Im Garten vergraben! Ja klar, im Winter, bei steinhart gefrorenem Boden!

Ha! Da hatte ich die Idee! Ich arbeitete damals in einer Institution, die eine große Aktenverbrennungsanlage hatte.
„Wie wäre es“, schlug ich vor,W wenn man die Katze schön in einen Pappkarton bettet und dann bei passender Gelegenheit dort sozusagen einäschert?“

Der Vorschlag fand Zustimmung und so legte ich Mohrle in ein Handtuch gewickelt in den Kofferraum unseres altersschwachen VW-Polos.

Der war schon ziemlich alt und ich hatte ihn für 50 Mark vor dem Schrott gerettet. Nur bis zum nächsten TÜV hatte ich ihn fahren wollen, aber offenbar hatte ich einen gnädigen TÜV-Prüfer, denn der ließ mich mitsamt Auto und Plakette einmal durch die Prüfung kommen. Und das, obwohl hinterm Fahrersitz beim Durchfahren einer Pfütze das Wasser bis an den Wagenhimmel spritzte…

Jetzt kam ich aber nicht sofort dazu, Mohrle in die Verbrennung zu geben und als ich dann einige Stunden später zum Wagen kam, war die Katze mitsamt Handtuch im feuchten Kofferraum festgefroren.
Tja, was soll ich sagen, in diesem Jahr war der Winter so hart und ich hatte keine Chance, das gefrorene Tier aus seiner Frottee-Umklammerung zu lösen. Fell, Frottee vom Handtuch und der teppichüberzogene Kofferraumboden waren eine unlösbare winterliche Frostgemeinschaft eingegangen.
Eine Heizung war in diesen Polos der ersten Baureihe (als auf vielen Teilen noch Audi 50 stand) nur namentlich vorhanden und wenn überhaupt reichte das lauwarme Lüftchen gerade einmal zum Herbeiführen eines 5-Markstück großen Gucklochs auf der Windschutzscheibe.
Daß die Heizung etwa den Innenraum auf erträgliche Temperaturen gebracht oder gar den Kofferraumbereich erwärmt hätte, daran war überhaupt nicht zu denken.

Es wurde Neujahr und immer noch war Mohrle beharrlich eisgekühlt und ohne Gewalt nicht aus dem Kofferraum zu befreien. Ich brachte es einfach nicht übers Herz, das Tier da herauszureißen oder an den steifen Beinchen zu zerren…
An Heilige Drei Könige war sie immer noch festgefroren und irgendwann hatte ich sie fast schon vergessen. Also jetzt nicht wirklich vergessen, aber die brennende Aktualität des Ganzen hatte etwas an Priorität verloren.

Anfang Februar gab es endlich ein paar fast schon frühlingshafte Tage und ein urplötzlicher, beißender Geruch erinnerte mich schlagartig wieder an unser totes Tier und tatsächlich, es war warm genug geworden, daß ich endlich die Katze aus dem Wagen entnehmen und in einen schönen Pappkarton legen konnte.
Der trug die schönen Worte „THIS SIDE UP“ und einen himmelwärts zeigenden Pfeil.
Noch am selben Abend wurde der Karton mit Mohrle eingeäschert und der Aktenvernichtungshausmeister versicherte mir, daß wirklich nicht mehr als nur graue Asche von allem übrigbleibt.

Den komischen Geruch im Auto bin ich übrigens nie mehr ganz los geworden, aber das machte nichts. Einige Monate später war sowieso wieder der TÜV fällig und dieses Mal, da war ich mir sicher, musste der Polo in die Schrottpresse.
Doch weit gefehlt, eine Woche vor dem TÜV-Termin brummt mir eine junge Frau mit dem Mercedes ihres Vaters von links, mir die Vorfahrt nehmend, in die Seite und sagt zu den herbeigeeilten Ordnungshütern auch noch: „Ich hab heut‘ meine Brille zu Hause vergessen, ich kann den Tacho gar nicht sehen, vielleicht war ich viel zu schnell und den anderen Wagen, den habe ich auch nicht gesehen.“

Schon am nächsten Tag kam der Sachverständige und schaute sich meinen Polo an.
Immerhin, stolze 1.750 Mark habe ich für die Karre bekommen, für die ich selbst nur einen „Fuffi“ gegeben hatte.
Ja und dann, wie der Polo, so eingedrückt aber fahrbereit und trotzdem schrottreif, vor unserer Haustüre steht, klingelt abends ein Türke und kauft ihn mir für 350 Mark zum Ausschlachten ab.

Vielleicht hat mir der Geist des toten Kätzchens diesen unverhofften „Geldsegen“ eingebracht. Ist bestimmt nicht so, weil solche Sachen gibt’s ja nicht, aber vielleicht gibt es sie eben doch.

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(©si)