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Zirkus, Zirkus 2

Nachzutragen habe ich noch, wie es mit dem Zirkusmann weitergeht. Wie ich ja schrieb, verfügte er nur über einen Ausweis, der auf eine Adresse ausgestellt war, an der er jahrelang schon nicht mehr gelebt hatte. In Euren Kommentaren habt Ihr mir gute Ratschläge gegeben, wie und wo man sich da weiterhelfen könnte.

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Um aber zum Ziel zu kommen, nämlich Sterbeurkunden vom Standesamt des Todesortes zu bekommen, muss man eine geeignete Personenstandsurkunde vorweisen können. Ein einfacher Anruf irgendwo oder gar eine Schufa-Abfrage helfen das gar nicht. Zunächst gilt es einmal festzustellen, welchen Personenstand der Verstorbene überhaupt hatte. Ist er ledig, reicht mir eine Geburtsurkunde, die ich beim Standesamt der Stadt anfordere, die als Geburtsort im Ausweis genannt ist. War er aber verheiratet, muss ich mich an die Gemeinde wenden, wo er oder das Ehepaar zuletzt gemeldet waren. Die Adresse in seinem Ausweis muss da nicht unbedingt weiterhelfen, denn es ist fraglich, ob sich die Familie immer ordnungsgemäß umgemeldet hat und ob man überhaupt den Ausweis zwecks Änderung der Adresse vorgelegt hat.
Wenn er also verheiratet war, kann ich eventuell durch Recherchen herausfinden, in welcher Stadt das Familienbuch geführt wird und dort einen Auszug anfordern. Trotz aller deutscher Gründlichkeit bietet das aber noch keine Gewähr dafür, daß der Mann auch wirklich „nur“ verheiratet war und nicht eventuell geschieden oder verwitwet ist.
Im besten Fall ist sowas als Vermerk oder Randvermerk dort verzeichnet, aber die Erfahrung zeigt, daß es leider doch nicht immer so ist. Also gilt es noch zu recherchieren, ob ggf. irgendwo noch ein Scheidungsurteil mit Rechtskraftsvermerk oder eine Sterbeurkunde eines Ehepartners existiert.

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Insbesondere bei Wohnsitzlosen und fahrendem Volk ist das manchmal sehr schwierig. Wenn ich hier ‚fahrendes Volk‘ schreibe, ist das nicht abwertend gemeint, sondern einfach nur eine interne Bezeichnung bei uns für Landfahrer, Schausteller, Zirkusleute, Wohnsitzlose und z.T. Seeleute und Soldaten der Fremdenlegion. Oftmals haben diese Leute eine feste Adresse um behördlichen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Aber genauso oft waren sie niemals an dieser Adresse oder derjenige, der ihnen mal die Adresse verschafft hat, wohnt selbst schon ewig nicht mehr dort. Die Leute wechseln ständig ihren Aufenthaltsort, nehmen es mit Ab- und Ummeldungen nicht so genau oder es liegen möglicherweise sogar Gründe vor, warum sie absichtlich jahre- oder jahrzehntelang ihre Spuren etwas verwischt haben.

Man glaubt gar nicht, was wir da schon für Geschichten erfahren haben, wenn wir nach Personenstandsurkunden oder Bestattungspflichtigen gesucht haben. Denn auch das kann uns obliegen, nämlich festzustellen, ob es da nicht irgendwo noch jemanden gibt, der für die Behörden als Bestattungspflichtiger herhalten muss.

Da gibt es Leute, die vor vielen Jahren aus dem Knast gleich in die Fremdenlegion verschwunden sind und danach mit einem völlig anderen Namen wieder neu anfingen. Andere haben irgendwann in ihrem Leben mal den Ausweis mit einem „Kumpel“ getauscht und wieder andere haben sich wegen anstehender Unterhaltsverpflichtungen nach „unbekannt“ abgemeldet bzw. abmelden lassen und sind schlichtweg untergetaucht. Lasch gehandhabte Meldegesetze und der Wegfall der Vermietermeldung machen da seit einigen Jahren trotz immer aufwendigerer Computertechnik einiges möglich.

Nebenbei bemerkt: Ich erinnere mich da an einen Fall, der im Hinterland vor etlichen Jahren passiert ist. Nur durch einen dummen Zufall ist herausgekommen, daß eine Frau mit ihrem Mann und ihrem Vater zusammenlebte. Das Schicksal hat es so gewollt, daß der wesentlich ältere Ehemann und der Vater nur etwa 10 Jahre vom Alter her auseinanderlagen. Als der Vater dann gestorben ist, hat die Frau aber den Vater mit den Papieren ihres Mannes beisetzen lassen, weil der nur eine kleine Rente bekam, während der Vater eine wesentlich dickere Pension bezog. Forthin lebte der Ehemann unter dem Namen des Vaters weiter und man bezog die schöne Pension.
Wie soll sowas herauskommen? Wer sieht schon seinem alten Passbild ähnlich?
Sowas kann vielleicht ein Biometrieausweis mit Fingerabdrücken oder so verhindern. Bisher jedenfalls ist so ein Akt, verbunden mit einem Umzug, überhaupt kein Problem.

Also, Meldegesetze, Biometrie usw. hin und her, wenn alles schlecht läuft, findet man gar keine Personenstandsurkunden. Das ist uns noch nie passiert, aber denkbar ist das. In einem solchen Fall bestattet man statt mit einer regelrechten Bestattungsgenehmigung mit einer sogenannten vorläufigen Bestattungsgenehmigung und reicht die Unterlagen möglichst nach. Geht das nicht, bleibt der Fall eben eine Weile offen und der Standesbeamte muss entscheiden. Ggf. ermittelt auch die Ortspolizeibehörde, welche nichts mit der Polizei zu tun hat und oft beim Friedhofs- und beim Ordnungsamt angesiedelt ist.

Bei unserem Tierpfleger sieht die Sache aber so aus, als könne es tatsächlich sein, daß der geschieden ist und sogar eine Tochter hat.
Vielleicht finde ich die Tochter sogar, eine bestimmte Ahnung habe ich da schon. Aber dann will ich erst mal wissen, wie das war. Es wäre doch ungerecht, wenn die vom Vater nie etwas gehört oder gar bekommen hat und jetzt seine Beerdigung bezahlen sollte. Auf der einen Seite legen die vom Zirkus sowieso zusammen und auf der anderen Seite zwingt mich ja keiner, die zu finden…

Der Tierpfleger war vorher etliche Jahre bei einem anderen Zirkus und da soll es noch einen Koffer mit Unterlagen geben. Nur, wo findet man jetzt den Zirkus „Venetia“ (bekannt aus Funk und Fernsehen, gigantische Tierschau mit Ziegen von 9 Kontinenten)…?

Jedenfalls wird das eine interessante Sache. Heute am Nachmittag habe ich einen Termin auf dem Zirkusplatz hier und wir werden die Trauerfeier planen. Die soll ja im Zirkuszelt stattfinden. Es ist aber nur ein sehr kleiner Zirkus mit etwa einem Dutzend Leuten. Mehr werden da an der Trauerfeier auch nicht teilnehmen. Unser Bestattungsgesetz erlaubt keine Trauerfeiern mit dem Sarg außerhalb dafür zugelassener Räumlichkeiten. Das sind die Trauerhallen auf den Friedhöfen und die wenigen privaten Feierhallen bei Bestattern.
In Anbetracht der Tatsache, wie ‚freundlich‘ uns Bestattern die Friedhofsverwaltung gesinnt ist, brauchen wir gar nicht damit rechnen, eine Sondergenehmigung zu bekommen. Bliebe noch der Ausweg, den Verstorbenen mit Genehmigung des Gesundheitsamtes ‚zu Hause‘ aufzubahren, was binnen 36 Stunden genehmigungsfrei möglich gewesen wäre. Aber auch hier rechne ich mit einem abschlägigen Bescheid/Entscheid. So haben wir mal geplant, mit dem Bestattungswagen, ohne Gardinen, den Sarg ins Manegenrund zu fahren. Es gibt einen Kirmes- und Zirkuspfarrer, der aus einer anderen Stadt kommt und die Trauerfeier macht. Mal sehen, wie es ausgeht.

Bildquelle: pix elio.de, Fotograf: Schlemmi

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