Menschen

Zwei sind einer zu viel 5

Es ist ja immer eine schöne und bequeme Sache, als Leser einer solchen Geschichte, die ja den zeitlichen Ablauf des Geschehenen in einer Retrospektive wiedergibt, wie ein Staatsanwalt, der Monate nach der Tat das in Sekunden Passierte genüßlich über sechs Prozeßtage seziert, sich zu fragen, warum den Handelnden dieses oder jenes nicht aufgefallen ist oder warum sie nicht gleich dies oder das gemacht haben. Würde mir auch so gehen, wäre ich nicht einer der Handelnden und wüßte ich nicht, daß man in einer solchen Situation, wie in vielen anderen kniffligen Situationen, immer bemüht ist, alles richtig zu machen und da kommt man einfach manchmal nicht auf das Naheliegendste.
Dieses Mal ist es Antonia, die uns darauf hinweist: „Mönsch, woher hat denn der fiese Alte überhaupt gewußt, daß Leonie gestorben ist und wie ist der hier hin gekommen, woher wußte der, daß er zu uns kommen muß?“

„Keine Ahnung“, sage ich, „Vielleicht haben die vom Krankenhaus ihm Auskunft gegeben?“

Aber nein, so war es nicht, das würden wir aber erst im weiteren Verlauf dieses Tages erfahren.

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Es ist immer noch der Tag, an dem das Ehepaar Leuschner/Wittrock und der geschiedene Herr Leuschner bei uns erschienen und aufeinander getroffen sind. Leonie liegt immer noch friedlich und wunderhübsch aufgebahrt im Aufbahrungsraum Nummer 2.
Antonia hat ihr Büro hinterm Archivraum mit allerlei Plüschtieren geschmückt, so wie auch ihr Auto mit einer Unzahl von geplüschter Fauna dekoriert ist, sodaß man sich unwillkürlich fragt, wie die junge Frau überhaupt noch etwas sehen kann. So riesengroß ist das Mädchen ja nicht und wenn dann das ganze Armaturenbrett und die Hutablage voll mit sehr steifen Steifftieren steht, muß sie zwangsläufig den Zottelviechern zwischen den Ohren hindurch auf den Verkehr schauen.
Zumindest hat sie eine Erklärung dafür: „Ich kann mir sowieso nicht merken, wo links und rechts ist, aber jetzt weiß ich das. Da wo der rosa Hase sitzt ist rechts.“
Eines dieser Tiere ist ein kleiner gestrickter Bär mit Augen aus zwei schwarzen Hosenknöpfen, vermutlich handgeklöppelt von irgendeinem weiblichen Teil aus Antonias weitläufiger Verwandtschaft, deren Mitglieder alle in den einsamen, inzuchtgeplagten Tälern des nahegelegenen Mittelgebirges wohnen.
Und diesen Bären hat Antonia der kleinen Leonie in die Armbeuge gelegt. „Damit das Mädel nicht so allein ist. Ich geh‘ sowieso jede Stunde mal zu ihr, die hat doch bestimmt Angst, so ganz allein in dem kalten Raum. Chef, ich laß dem Kind das Licht immer an, ich hatte als Kind immer Angst im Dunkeln. Wenn Sie das nicht wollen, wegen dem Strom und so, dann ziehen Sie mir das vom Lohn ab, okay?“

Ich nicke und bin fest entschlossen, Antonia das nächste mal zwanzig Euro mehr zu überweisen. Ein Liebeslohn muß nicht anrüchig sein, sondern kann auch im wahrsten Sinne des Wortes gemeint sein.

Nach dem kurzen Gespräch mit Antonia und dem Vorfall mit Herrn Leuschner und den ‚Eltern‘ von Leonie gehe ich nachdenklich in mein Büro und komme gar nicht erst dazu, mich hinzusetzen, da kommt Frau Büser und sagt, Frau Leuschner sei da.
Sie will noch etwas sagen, aber ich bin schon an ihr vorbei, denn es muß ja etwas Besonderes zu bedeuten haben, wenn die Mutter des Kindes jetzt schon wieder da ist.
Aber ich hätte Frau Büser ausreden lassen sollen, dann wäre ich nicht so überrascht worden.


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Die Geschichten und Berichte über Menschen sind u.a. Erzählungen und Kurzgeschichten aus der Welt der Bestatter.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 20. September 2012

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9 Kommentare
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12 Jahre zuvor

Bin schon froh, dass wir nicht so lange warten müssen wie Du damals…

Cassia
12 Jahre zuvor

Weitermachen, das wird ja immer spannender!!!!

Kirstin
12 Jahre zuvor

Noch eine andere Mutter???

Georg
12 Jahre zuvor

Ich weiss es,ich weiss es
Der unfreundliche Erzeuger ist eigentlich der Bestattungsberechtigte und die arme gramgebeugte Mutter ist das Biest welches nur gut schauspielert

Stefan
12 Jahre zuvor

Ich wette es ist die neue Frau vom Herrn Leuschner ^^

Achso. Cliffhanger sind super. So freue ich mich immer wenn ich neue höhere Zahl hinter einem Beitrag sehe total auf die Fortsetzungen. Und alls in einem Rutsch lesen verdirbt nur die Spannung. Also Tom lass dir Zeit und mach gemütlich ^^

simop
Reply to  Stefan
12 Jahre zuvor

Ahhhh…. ich hoffe, das war Ironie… ich vergehe hier vor Spannung… lange kann ich mich nicht mehr an meinem Cliff hier festhalten… AAAHHHH!

sakasiru
12 Jahre zuvor

Kann mal jemand Antonia ganz fest für mich knuddeln? Das ist so süß, das muss von den ganzen Puddingschnecken kommen *schnüff*

Michi
Reply to  sakasiru
12 Jahre zuvor

Oh ja, für mich bitte auch! Das ist wirklich lieb von ihr.

Gunilla
12 Jahre zuvor

Fortsetzungsgeschichten knabbern echt an meinen Nerven…..




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