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Zwischenbericht

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

So, es wird allmählich mal Zeit, daß ich mich wieder zurückmelde.
Ich möchte Euch hier nicht mit langatmigen Krankheitsgeschichten langweilen. Irgendwie hat ja jeder sein Päckchen zu tragen und ringsherum gibt es so viele Menschen, die wesentlich schwerer erkrankt sind und weitaus größere Beeinträchtigungen zu bewältigen haben. Da will man lieber nicht jammern und klagen.

Seit Wochen hänge ich nun in den Seilen und es ist eines zum anderen gekommen. Nur auf mein Jammern hin ist mir das Krankenhaus erspart geblieben und so wurden alle notwendigen Eingriffe ambulant durchgeführt. Alles nicht dramatisch, aber ich hatte mit der Behandlung zu lange abgewartet, bzw. die Akutphase kam dann plötzlich über Nacht, sodaß sich eine Blutvergiftung eingestellt hatte.
Und die hat mich mal so richtig umgehauen. Kraftlos, lustlos, fiebernd und ohne jegliche Energie war ich fast zwei Wochen deshalb ans Bett gefesselt.
Wie das so ist, im Zuge der Behandlung wurde natürlich eimerweise Blut ins Labor geschickt und dabei stellte sich heraus, daß ich Diabetes habe. So wie es aussieht, bin ich schon seit Jahren mit enormen Zuckerwerten herumgelaufen, bei den ersten Messungen zeigten die bis 800 mg/dl gehenden Geräte nur TILT oder OVERFLOW an.
Irgendwelche Experimente mit zuckersenkenden Tabletten braucht man da gar nicht erst zu machen. Insulin heißt das Wunderhormon, das jetzt mehrmals täglich gespritzt werden muß.

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Nun sind die Werte nach drei harten Wochen so halbwegs im normalen Bereich. Bis dahin bin ich noch mit Durchschnittswerten um die 350 herumgelaufen. (Es werden sich in den Kommentaren Leute finden, die diese Werte einordnen.)
Diabetes ist deshalb eine heimtückische Krankheit, weil sie an sich nicht weh tut und man die Symptome leicht auf andere Sachen schieben kann. Das Alter, das Übergewicht, das Wetter, die Umstände…
Außerdem hat ja jeder irgendwen in seinem Bekanntenkreis oder seiner Familie, der das auch hat. „Meine Omma hat datt seit fuffzich Jahren“ und „Meine kleine Nichte mußte schon mit 6 Jahren anfangen zu spritzen“, das sind so Sachen, die ich jetzt immer höre.Auch weiß jeder Diabetiker immer ganz genau, was alle anderen Diabetiker zu machen haben und was sie falsch machen. Was ich in den letzten Tagen und Wochen an (teils guten und teils blödsinnigen) Ratschlägen bekommen habe, würde ein ganzes Buch füllen.

Und weil diese Krankheit eben viele Leute haben und es bei denen ja "nicht so schlimm" ist, neigen viele dazu, mir zu sagen "da hast Du aber Glück gehabt, das ist ja nicht so schlimm, das hat ja jeder".
Aber das ist schlimm, ich bin krank.
Nun neige ich nicht zum Jammern und spreche auch normalerweise nicht über irgendwelche Erkrankungen. Krank zu sein, das passt nicht zu einem großen und starken Mann.
Aber nun sind die Zeichen der Krankheit leider nicht zu verheimlichen. Einmal steht hier der Tisch voll mit Medikamenten, dann muß ich mir in beinahe stündlichem Abstand Blut abzapfen und den Blutzuckerspiegel messen. Die Sache mit dem Insulin hingegen verläuft nahezu unbemerkt.
Allerdings bin ich blass, habe einiges an Gewicht verloren und was mir vor allem zu schaffen macht: Mein Leistungsfenster liegt derzeit bei 15 Minuten. Länger als eine Viertelstunde kann ich nichts machen, dann schwindet mir die Kraft.
Noch schlimmer: Ich sehe so gut wie nichts.
Die gute Nachricht: Die Augenärztin hat mir ein für mein Alter, trotz Brille, noch recht gutes Sehvermögen bescheinigt und keine nachteiligen Veränderungen an den Augen festgestellt.
Dennoch: Die schwankenden Zuckerwerte gehen jeweils immer kurzfristig auf die Augen und an einem Tag sehe ich plötzlich ohne Brille alles scharf und am nächsten Tag (oder in den nächsten Tagen) ist der Nahbereich vollkommen klar, man sieht aber in der Ferne (ab 1 m) nichts mehr.

Im Moment ist der Nahbereich bis 1 m betroffen. Die Arbeit am Computer ist nahezu unmöglich, Lesen geht nur bei stark vergrößerter Bildschirmansicht und Zeitungslesen nur mit der Lupe.

Das wird wieder, sagt mir jeder, das dauere nur seine Zeit…

Also hoffe ich und warte ich und versuche in der Zwischenzeit, meine Blutzuckerwerte noch besser in den Griff zu bekommen.

Immer noch habe ich Bettruhe verordnet bekommen, was ich vernünftigerweise auch ausnutze.
Es geht wirklich nicht und das macht mich kirre. Ich habe so viele Ideen und Hummeln im Hintern, aber ich kann einfach im Moment nicht. Tut mir leid.

Fast jeden Tag zum Arzt, Stammkunde (mit jetzt eigener Kundenkarte!) in der Apotheke und ansonsten nur die vier Wände hier…
Das heißt: Einmal bin ich ausgebrochen, da bin ich von der Apotheke letzte Woche mal für ein Viertelstündchen in mein Lieblingskaffeehaus gefahren und habe eine Tasse Kaffee getrunken. War mal 'ne schöne Abwechslung.
Gestern war ich mit meinem Sohn mal einkaufen und brachte endlich meine neue Kreditkarte endlich zum Einsatz. Das mußte mal sein, denn normalerweise bin ich hier der Haupteinkäufer und jetzt kauft meine Frau ein – und Frauen kaufen komische Sachen…

Tja, so wird es also noch ein paar Tage dauern, bis ich wieder richtig fit bin.
Ich gebe mir alle Mühe, die Anweisungen der Ärzte zu befolgen und nehme mir einfach die Zeit, die es braucht.

Liebe Grüße
Tom

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