Ein Selfie auf dem Friedhof – ein Drittel der trauernden Briten tut es!
Neulich berichtete ich im Ehrensacheblog über einen Trend aus Russland, wo sich Menschen auf Friedhöfen und mit Leichen selbst fotografieren und die Leichen-Selfies gegen Bezahlung ins Netz hochladen. Auch in Großbritannien gibt es eine ähnliche Mode.
Das britische Bestattungsunternehmen Perfect Choice Funerals http://perfectchoicefunerals.com hat eine Untersuchung in Auftrag gegeben. 2.700 erwachsene Trauergäste wurden befragt.
Demnach posten 36% der Befragten die Beerdigungsselfies in ihren Online-Profilen.
Nach eigenen Angaben tue man das, um ein Erinnerungsfoto online zu haben (33%) oder um die verstorbene Person auf diese Weise ehren zu wollen (17%).
Daß dieses Tun bei zahlreichen anderen Trauergästen Wut und Entrüstung hervorruft, scheint die Anhänger des fragwürdigen Selfie-Kults nicht zu stören.
Auf immer mehr Beerdigungen zücken Trauergäste ihre Smartphones, kehren der Zeremonie den Rücken zu und glotzen keck in die Linse, um sich selbst mit dem Geschehen im Hintergrund abzulichten.
Fast 50% der Beerdigungs-Selfies werden von den 18-25-Jährigen angefertigt. (Jüngere Teilnehmer waren nicht Bestandteil der Befragung.)
Mit zunehmendem Alter nimmt auch der Drang zum Selfieismus ab.
Perfect Choice Funerals zeigt sich überrascht von der hohen Zahl dieser speziellen Selfie-Fotografen: „Eine Beerdigung bietet Zeit für Erinnerungen an eine geliebte Person und zur Unterstützung von Hinterbliebenen. Deshalb scheint das Posten eines Selfies, um Mitleid zu erwecken, unpassend“, kommentiert das Unternehmen. Der Trend sei ein Beleg für die wachsende Rolle von Technologie und Social Media im Alltag, vor allem bei Jüngeren.
Auch auf deutschen Friedhöfen, so beklagen Bestatter, greift diese Unsitte allmählich immer mehr um sich.
Ein Bestatter aus Münster: „Es ist ja seit jeher so, daß Angehörige Fotos von der Zeremonie oder gar der Leiche machen, als persönliches Erinnerungsstück für das Familienalbum. Aber die Leute hielten sich zurück und sprangen nicht in pietätloser Weise aus der Reihe, rannten vor den Pfarrer, um dort ein ‚Duckface‘ mit dem Leichenzug im Hintergrund zu machen.“
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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Die Gesellschaft wird immer bekloppter!!!
@Josef:
nein, Josef, jede Hochkultur ist irgendwann einmal auf diese oder ähnliche Art zu Grunde gegangen 🙁
Da sich mittlerweile schon die ersten im Kampf um den Darvin Award beim erstellen von Selfies umgebracht haben (erschossen, von der Klippe gestürzt, Kleinflugzeug zum Absturz gebracht), macht das als kleine Trainingseinheit für einen langen Aufenthalt vielleicht doch einen gewissen Sinn …
@Karl: Der hier hat es perfektioniert – falschen Auslöser gedrückt:
http://www.spiegel.de/panorama/toedlicher-selfie-unfall-19-jaehriger-schiesst-sich-in-kehle-a-1051014.html
Solange es wenigstens Selfies sind. Mir kommt da ein Rundfunkmensch in Erinnerung, der auf der Beerdigung eines anderen Rundfunkmenschen knipste wie wild und das dann alles auf seiner Website online stellte („Beerdigung von xxx.xx., Familie/innerster Kreis“) 🙁
Wenn das der Kreis der Jugendlichen/jungen Erwachsenen ist, dann gibt es ja in der Regel noch die Eltern die mit dabei sind. Da wäre es doch an denen ihren Kindern Einhalt zu gebieten. Ich jedenfalls wäre nicht auf die Idee gekommen sowas zu fabrizieren. Ist wohl erziehungssache.
@Pflaegermeister:
Zitat aus dem Text:
Fast 50% der Beerdigungs-Selfies werden von den 18-25-Jährigen angefertigt. (Jüngere Teilnehmer waren nicht Bestandteil der Befragung.)
Vielleicht ist auch genaues bzw. zu Ende lesen Erziehungssache. Und mir sind eher keine Menschen dieses Alters bekannt, die auf ihre Eltern hören würden. 😉
Respektlosigkeit, überall wo man nur hinsieht.
Es gibt bald keine Grenzen mehr.
Die Gesellschaft wird immer respektloser.
In Kunst und Kultur geht das in Ordnung, in der Realität finde ich es unangemessen.
@Christian Zebe:
Du hast (leider) einfach nur recht.
Naja, vielleicht ist das alles auch kein wirkliches Problem oder nur eines von Leuten, die am liebsten alles wie immer und wie gewohnt haben wollen und sich nicht damit abfinden können, das jüngere Generationen andere Wertvorstellungen haben, die nicht zwangsweise schlechter oder falsch sind.
Aber die Beschwerden über respektlose Jugendliche sind ja auch erst ein paar Tausend Jahre alt, wir haben also noch Zeit, bis deswegen wirklich das Abendland untergeht.
@DD: Danke – eine bessere Antwort auf die ewigen „Die Jugend von heute“ und „Früher war alles besser“ – Plattitüden kann man nicht geben….
Diese Selfie-Manie greift wie wild um sich, kein Ort, der als Selfie-Hintergrund verschont wird, also macht sie auch vor Friedhöfen nicht Halt. Ich finde es einfach nur schade. Beerdigungen sind ein besonders schwerer Moment der Trauer, der Abschiednahme, aber auch des Innehaltens. Ein Moment, in dem alle Anwesenden in Ruhe dem Verstorbenen das letzte Geleit geben möchten. Und trotz allem Drang zur Selbstverwirklichung und Selbstdarstellung sollte sich jeder Teilnehmer einmal ein Stück weit zurücknehmen und das Smartphone einfach in der Tasche lassen.
SELFIEISMUS?????
Wenn dieses Wort jemals in den Duden aufgenommen wird, wandere ich aus.
(Ich hoffe doch, es ist nicht schon drin?!)
Leo (die kein Smartphone besitzt).
@Leo: @Leo: @Leo: @Leo:
Selbstdarstellung ist das Wort für alle selbstverliebten Individuen da draußen.
Im ersten Moment las ich tatsächlich: „Geschmacklose Made“…