Menschen

Früher war alles besser -2-

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Damit sind wir an einem Teil der Geschichte angekommen, der immer noch nicht auf das eigentliche Grundthema zielt, aber um nichts uninteressanter oder gar unwichtiger ist.

„Junger Mann, ich bin ja nicht mehr gut zu Fuß. Im Küchenschrank in der Zuckerdose ist mein Geld, nehmen Sie sich, was Sie brauchen. Sie sind ja so nett!“[/caption]Was ich schon alles erlebt habe, wo alte Menschen Bargeld aufbewahren und in welchen unglaublichen Mengen.
Und bitte: Diejenigen, denen schon dreimal das ganze Geld kaputtgegangen ist, die sind ein aussterbendes Modell.
Es gibt also einen Teil alter Menschen, die die Umstellung der Währung nach dem Zweiten Weltkrieg mitgemacht haben; ganz wenige, die von der Inflation in den frühen 20er Jahren betroffen waren und einen sehr großen Teil, der glaubt, auch der Euro gehe bestimmt irgendwann kaputt.
In allen diesen Fällen soll es unbedingt helfen, wenn man einen möglichst großen Betrag in bar zu Hause aufbewahrt. Denn wenn das Geld „kaputt geht“, also seinen Wert verliert, dann machen ja am nächsten Tag die Banken nicht auf und die Leute stehen dann vor vergitterten Banktoren, ja und dann sind die König, die von dem vermutlich wertlosen Papiergeld noch jede Menge zu Hause gebunkert hatten. Ja, es könne ja so sein, daß man noch so drei, vier Tage lang was dafür kaufen könne und dann müsse man sofort Brot, Konserven, Klopapier, Kaffee usw. kaufen.

Gut, so ein bißchen hamstern kann nicht schaden, ich neige auch dazu, von diesem und jenem immer einen gewissen Vorrat im Keller zu haben und begründe das (scherzhaft natürlich) mit den Worten „wenn die Russen mal kommen“.

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So begründe ich übrigens auch meiner Frau gegenüber die Anschaffung von ihrer Meinung nach völlig unnötigen elektronischen Piepsdingern. „Du Schatz“, sage ich dann, „sieh es mal so: Wenn die Russen mal kommen und kein Mensch hat mehr so ein Ding, wir haben dann noch eins und können es verkaufen oder eintauschen.“

Kommen wir aber zurück zu den alten Menschen, die -aus welchen Gründen auch immer- viel Geld zu Hause aufbewahren.
Ich muß es niemandem erklären, jeder weiß, welche Gefahren dadurch förmlich heraufbeschworen werden. Trotzdem ganz kurz: Viel Geld in der Wohnung weckt die Begehrlichkeiten von zwielichtigen Subjekten, die mittels aller möglichen Tricks alten Menschen Geld abknöpfen wollen und es besteht die -durchaus nicht seltene!- Gefahr, daß die clever ausgedachten Geldverstecke vom Rentner einfach vergessen werden und er sich dann nicht mehr erinnern kann, wo er dieses eine Geldbündel gelassen hat. Verdächtigt werden dann oft Putzfrauen oder Verwandte, wobei man nicht außer Acht lassen darf, daß solche Leute mitunter wirklich in seltenen Fällen mal ganz gerne zugreifen.
Mir ist auch ein Fall bekannt, da hat sich ein Waschmaschinen-Reparateur ganz normal bezahlen lassen, hat dann vorgegaukelt, er müsse noch mal eben auf die Toilette, ist aber schnell noch mal dahin zurückgekehrt, wo die alte Dame ihr Geld aufbewahrte und hatte sich um 12.000 Euro bereichert.
Nur doof, daß die Dame den Verlust schnell bemerkte und er natürlich namentlich und persönlich greifbar war.

Unter der Matratze, in der Zuckerdose, in einer Keksdose, in einem holen Buch oder ganz besonders beliebt, weil da ja niiiiiemand dran kommt: 20.000 Euro in einer abschließbaren Geldkassette, die sich jeder unter dem Arm klemmen kann.
Mittlerweile auch weit verbreitet sind diese Minitresore mit elektronischem Zahlenschloss. Am Besten noch mit der auf einem Zettel notierten Zahlkenkombination, die mit Tesa an die Seite des Geldschränkchens geklebt ist.
Allerdings sind die kleinen Tresore auch wiederum so klein und so leicht, daß ein Einbrecher sich gar nicht die Mühe macht, das Ding aufzubrechen, er nimmt es einfach mit.

Eine Dame hatte die Beerdigung für ihren Mann mit mir besprochen, ich fülle ihr den ersten handschriftlichen Kostenüberblick aus (ohne den man kein Gespräch mit einem Bestatter beenden sollte, wenn es um einen Auftrag geht!) und sie schaut nur kurz drauf, sieht die erste Summe (inkl. Grab 3.800 Euro) und geht an den Küchenschrank. In einem Steingutbecher hatte sie eine Rolle mit Geldscheinen, die von einem Gummiring zusammengehalten wurde. „Sie müssen entschuldigen, aber das Geld rollt sich jetzt, wenn ich es Ihnen gebe“, sagte sie und zählte mir 6.000 Euro auf den Tisch.“

„Das ist doch viel zu viel“, protestierte ich, doch sie winkte ab: „Kennt man doch mit Euch Brüdern, es wird immer fast doppelt so teuer wie es auf dem Angebot steht, war beim Klempner neulich auch so.“

32.000 Euro in unterschiedlichen Scheinen hatte die Frau da in vier solchen Rollen zusammengerollt und in Kaffeetassen, -kannen und einer Teedose verborgen.

Ich schimpfe in netter Weise und gespielt vorwurfsvollem aber durchaus ernst gemeinten Ton mit der alten Dame und bete ihr die üblichen Tips zum Umgang mit Bargeld herunter.

„Ja, ja, weiß ich alles, ich guck ja schließlich auch WISO im Fernsehen. Aber das hier ist das richtige Leben und da ist das manchmal etwas anders als es sich die jungen und dynamischen Leute vom Fernsehen so ausdenken.
Ich komme ja kaum noch raus. Alles was ich brauche, muß ich mir bringen lassen und das mit dem Überweisen ist mir zu kompliziert. Einer sagte mal, ich könne das auch online überweisen. Online! So ein Quatsch, ich habe gar kein Handy. Nein, ich zahle alles bar, immer schon, dann gibt es kein Vertun. Gutes Geld für gute Arbeit..
Mein Enkel geht zwar mit mir zur Bank, aber wann hat der mal Zeit? Der kommt einmal im Monat, manchmal auch zwei Mal, kann aber auch sein, daß er mal zwei Monate gar nicht kommt, der ist viel unterwegs.“

Herr Gruber, ein sehr netter älterer Herr, der schon seine Frau und eine Schwester von uns hatte beerdigen lassen, mußte nun die Beerdigung seines in Göttingen verstorbenen Sohnes organisieren, der seit 22 Jahren auf der Straße gelebt hatte.
Auch Herr Gruber brachte sein Bargeld in einer schwarzen Aktenmappe mit Reißverschluß mit ins Bestattungshaus. Fast 50.000 Euro.
Er wisse ja nicht, was da alles auf ihn zukomme und deshalb habe er mal „etwas mehr mitgebracht“.
Schön.
Ich meine, es ist natürlich bei aller Kritik an diesem Vorgehen der Alten, eine feine Sache, wenn jemand so eine hohe Rechnung direkt bezahlt. Es geht dabei nicht ums Bare sondern ums Schnelle. Oft genug bleibt man ja sehr lange und manchmal auch für immer auf offenen Rechnungen sitzen.
Und es ist ja auch nichts dagegen zu sagen, wenn Kunden beizeiten eine adäquate Anzahlung leisten.
Aber im Grunde ist es uns natürlich lieber, wenn das alles bargeldlos passiert; die Gefahren sind doch wesentlich geringer.

Doch zurück zu Herrn Gruber.
Was macht man mit so einem?
Gut, ich kann ihm den etwaigen Rechnungsbetrag schon mal abnehmen und quittieren, es bleiben aber noch knapp 48.000 Euro in seiner Mappe. Man kann doch einen so tatterigen, alten Mann nicht mit so viel Geld herumlaufen lassen.
Also bringt man ihn nach Hause und sieht dann, daß er diese Mappe völlig ungeschützt auf die Eckbank legt und nur einen Stapel aus fünf oder sechs Tageszeitungen und Rätselheften darüber legt.
Wie gesagt, man betet dann die üblichen Ratschläge herunter, fährt auch mal mit den Leuten zur Bank, was man als guter Bestatter sowieso macht, wenn die unbedingt zur Bank gehen und das Geld in bar holen wollen.
Aber ändern kann man meistens nichts, denn ältere Menschen sind oft sehr eigen- und starrsinnig.

Ein paar Wochen später schicke ich Herrn Gruber die endgültige Rechnung und es bleibt nur ein kleiner Rest von 87 Euro, alles andere hatte er ja bar vorausbezahlt.
Am nächsten Tag kommt er, vergnügt, aufgeweckt, kein bißchen den Eindruck eines senilen Alten machend, wieder mit seiner Mappe unter dem Arm und will wieder gut 2.000 Euro in bar bezahlen.
Ich lache, zeige ihm die Quittung, erkläre ihm, daß er doch schon alles bezahlt habe und sehe mich in der nächsten Sekunde einem vollkommen zornigen Mann gegenüber. Er schlägt mit der Hand auf den Tisch, keift mich an, ist wutentbrannt. Er spart nicht mit Schimpfworten und ist sehr zornig, weil ich…
Ja wegen was eigentlich? Weil ich ihn dabei erwischt habe, daß er vergesslich ist.
Das will der alte Mann nicht wahrhaben und nach einigen Minuten schlägt er nochmals mit der Hand auf den Tisch und dann weint er…

Es soll aber nun bitteschön nicht er Eindruck entstehen, man habe es immer nur mit etwas vergesslichen, schusseligen und tüddeligen Alten zu tun. Mitnichten! Viele der alten Menschen sind völlig klar, geistig sehr rege und auch noch sehr aktiv und vital.
Die Quote der „Geld-zu-Haus-Bunkerer“ ist bei diesen Senioren etwas geringer, aber man muß nun nicht glauben, das sei grundsätzlich bei diesen Leuten nicht so.
Einige tausend Euro haben auch die immer irgendwo in petto.

Ja, und wie ist das, die Alten haben doch angeblich gar kein Geld, die Renten sind doch so klein und viele leben von der Grundsicherung…
Ich habe es beobachtet, daß auch arme Rentner sich manchmal ganz schön ansehnliche Sümmchen zusammen gespart haben.
Ich kann jetzt nicht viel darüber sagen, ob das Geldhamstern nun bei etwas besser gestellten Rentnern und Pensionären häufiger vorkommt.
Aber mir scheint es so, daß das mit dem Einkommen nicht viel zu tun hat. Selbst vermeintlich beinahe mittellose Rentner haben oft irgendwo ein über viele Jahre angehäuftes Sümmchen verborgen.
Sie sparen sich das manchmal vom Munde ab und deshalb ist es dann besonders verwerflich, wenn irgendwelche Betrüger mit dem Enkeltrick die alten Leute „abzocken“.

Bildquellenangabe: Matthias Bozek / pi elio.de

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