Geschichten

Opa Kleiber -I-

Auf dem Friedhof, gleich neben dem Eingang, dort wo man sich die Gießkannen ausleihen und aus einer Holzkiste etwas Kies für die Wege schaufeln kann, sitzt immer Herr Kleiber auf einer Bank.
Herr Kleiber ist ein Opa vom ganz alten Schlag, trägt seine Hosen bis an die Brust hochgezogen, wo sie von kurzen, gestreiften Hosenträgern gehalten werden. Seine Jacke hat schon bessere Zeiten gesehen und irgendwann hat er sich die Ellenbogen mit Lederflicken verstärken lassen, normalerweise tragen sowas ja nur Mathelehrer.

Auf dem Kopf trägt er immer einen Hut und so sitzt er da, meist etwas vornübergebeugt und auf seinen schwarzen Stock gestützt und beobachtet die Friedhofsbesucher.

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Neben ihm auf der Bank steht eine unvermeidbare weinrote Tasche aus dünnem Nylongewebe, in der er stets die Tageszeitung, eine Thermoskanne mit Pfefferminztee und Papiertaschentücher aufbewahrt.

Opa Kleibers Frau ist schon vor sieben Jahren gestorben und weil ihm seine Gundel alles bedeutet hat und er sonst keine Lust und keine Kraft mehr hat, sich noch andere Beschäftigungen zu suchen, besucht er sie gleich nach dem Frühstück, harkt ihr etwas die Erde auf, begießt sie und bleibt in stummer Zwiesprache eine Weile an ihrem Grab stehen.
Dann verstaut er das kleine Gartenwerkzeug wieder sorgsam hinter dem Grabstein, nimmt sein weinrote Henkeltasche und geht gemütlich eine kleine Runde über den Friedhof.; mal sehen wo was am Vertrocknen ist, wo vielleicht ein Grabstein locker ist oder ob irgendwo etwas geklaut, beschädigt oder verschmutzt worden ist.
Am Ende seiner Inspektionsrunde kommt er dann immer an ’seiner‘ Bank neben dem Haupteingang an, wo er ein Stofftaschentuch ausbreitet, auf dem er dann umständlich Platz nimmt.
Ein Schluck Pfefferminztee, eine kurze, dünne, krumme Zigarre und dann liest er die Tageszeitung. Das große Weltgeschehen interessiert ihn nicht, den Teil liest er immer erst am Nachmittag; er will im Lokalteil die Todesanzeigen lesen und vor allem interessiert ihn der Bestattungskalender, jene Übersicht über die an diesem Tag stattfindenden Beerdigungen.

Zumeist gehen diese um 11 Uhr los und aus Erfahrung weiß er, daß bis dahin Dutzende von Witwern und Witwen auf den Friedhof eilen, um alles das erledigt zu wissen, was Rentner so auf dem Friedhof zu erledigen haben, bevor der Rummel vorne an der Trauerhalle losgeht.

Den alten Kleiber kennen sie alle und jeder begrüßt ihn, woraufhin Opa Kleiber immer höflich den Hut zieht. Von ihm erfahren die Friedhofsbesucher immer gleich als Erstes, ob an ihrem Grab etwas zu tun ist und manch einem genügt seine Auskunft, daß alles in Ordnung und die Erde noch feucht ist, und er kehrt dann gleich wieder nach Hause um, ohne sich die Mühe gemacht zu haben, ganz bis zum Grab zu laufen. Auf Opa Kleiber ist Verlass.

Kommen dann die ersten Trauergäste zu einer der täglichen Beerdigungen, dann packt Herr Kleiber sein Sitztaschentuch ein, nimmt seine weinrote Beuteltasche und geht langsam nach Hause. Nein, er ist kein Gucker, da legt er Wert drauf, ihn interessieren die Trauerfeiern anderer Leute nicht. Beim Vorbeigehen wirft er einen kurzen Blick durch die weit geöffneten Türen der Trauerhalle, schaut nur, was da für Blumen auf dem Sarg sind und dann geht er, er will niemanden stören.

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