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Vorne oder hinten?

Fehler durch Lektorin Alexandra bereinigt.

Frau Büser dampft in mein Büro: „Chef, Sie müssen was machen! Haben Sie irgendwo noch ein Gehirn im Schrank? So kann das nicht weitergehen.“

Die Gute ist ganz aufgeregt und ich weiß, daß es am Besten ist, sie jetzt erstmal Dampf abzulassen. Sie marschiert vor meinem Scheibtisch auf und ab, zetert echtes Mordio und schimpft im breiten Dialekt ihrer fränkischen Heimat, einer mir völlig unverständlichen Sprache, die nur aus weichen Ds, Gs und gerollten Rs besteht und in der die Vokale in völlig ungeordneter Weise vorkommen und die sie sonst zugunsten allgemeinverständlichen Hochdeutschs aufgegeben hat.

Als sie sich etwas beruhigt hat, frage ich mal vorsichtig, was ihr denn so Ärgerliches widerfahren ist und bekomme nur ein Wort vor die Ohren geworfen: „Antonia!“

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„Ach nee, was hat unsere Prinzessin denn jetzt schon wieder angestellt?“

Frau Büser berichtet, immer noch etwas aufgebracht hin und her laufend, daß es Antonias Aufgabe gewesen sei, 75 Trauerkarten zu bedrucken. Dabei habe es sich um die Karte K711 gehandelt, die teuerste, die mit dem ausgestanzten Kirchenfenster. Aus technischen Gründen, das muß ich hier noch kurz erzählen, kann diese Karte nicht, wie die meisten anderen, in einem Laserdrucker bedruckt werden, weil sie ein filigran ausgestanztes Kirchenfenster auf der Vorderseite hat und diese feinen Linien und Strukturen in unseren Druckern beim Umkehren an der engen Walze zerreißen.
Deshalb muß man sie einzeln, von Hand und besonders sorgfältig durch einen Kopierer schieben, damit sie flach ohne Biegen bedruckt werden können.

Zu diesem Zweck hat Frau Büser zwei Vorlagen ausgedruckt. Eine für die Vorderseite und eine für die Rückseite der Karte.
Es ist eine schmale Karte, für einen länglichen Trauerumschlag, sie wird nach dem Bedrucken hochkant gefalzt. Vorne, also links hat man das durchbrochene Kirchenfenster und rechts steht dann im Innenteil, wer gestorben ist. In diesem Fall wünschen die Angehörigen auf der Rückseite noch ein Gedicht.

„Was hat sie denn nun falsch gemacht?“

„Diese Knallerbse!“

„Ja, aber was ist passiert?“

„Ich sage zu ihr, sie soll 75 Stück bedrucken. Diese Vorlage druckst Du rechts innen hinein und das hier links außen. Du mußt das in zwei Durchgängen machen, sage ich noch.“

„Und dann?“

„Dann hat sie 75 Karten innen rechts mit dem Namen des Verstorbenen und seinen Lebensdaten bedruckt und nochmals 75 Karten außen links ebenfalls mit dem Namen des Toten.“

„Ach Du Scheiße, und das wo die Dinger doch so teuer sind!“

„Ich habe sie ja auch zusammengestaucht, habe es ihr dann noch einmal auf einer der verdruckten Karten aufgemalt. Dann habe ich gesagt, daß wir die 75, wo sie innen rechts gedruckt hat, ja noch verwenden können und sie soll da jetzt hinten links das Gedicht draufdrucken.“

„Also haben wir jetzt 75 Karten Ausschuß?“

„Nein, 300.“

„Wieso das denn?“

„Weil Antonia die verdrucken in den Reißwolf gesteckt hat und alles nochmal neu gemacht hat. Da hat sie dann aber bei allen 75 Karten das Gedicht vorne auf das gestanzte Kirchenfenster gedruckt, hat das gemerkt, die Karten an die Seite gelegt und vor vorne angefangen. Im nächsten Durchgang hat sie dann sowohl die Vorlage, als auch das Papier einmal um 180 Grad gedreht und den selben Blödsinn nochmal gemacht.“

„Warum sind sie denn nicht dabei geblieben?“

„Na, ich habe gedacht, daß sie nach so vielen Monaten wenigstens kopieren kann, aber wissen sie was? Die kann gar nichts! Nichts! Nichts! Nichts!“

Es klopft, Antonia kommt rein, in der Hand den obligatorischen Streuseltaler von der Bäckerei Zimmerling. Sie macht einen Schmollmund, ist ganz kleinlaut, kaut nur ganz kleine Bissen und das will schon was heißen.

„Was hast Du Dir denn dabei gedacht?“ frage ich sie in strengem Ton und halte ihr einen Vortrag darüber, wie teuer diese Karten sind und daß man doch wohl von einem vernunftgeplagten Wesen erwarten dürfe, daß es ein paar simple Karten bedrucken kann.

Antonia ist niedergeschlagen, beißt ein noch kleineres Stück ab und sagt mit dicken Backen: „Jetzt aber mal ehrlich: Finden Sie das fair?“

„Was?“

„Da sagt man mir, ich soll die Karten vorne und hinten bedrucken und dann werden die Karten geknickt und was vorher oben links war, ist dann auf einmal hinten rechts und was vorher rechts hinten war, ist auf einmal die Vorderseite. Ich finde das ist Schikane. Das kann sich ja kein Mensch merken.“

„Egal! Wenn Du zu dumm bist, das zu kapieren, muß ich Dir den entstandenen Schaden abziehen!“

„Nee, Chef, jetzt aber wirklich nicht. Das geht nicht, ich brauche das Geld, ich mach‘ nämlich Diät!“

Spricht’s, beißt vom gefüllten Streuseltaler ab und zieht schmollend von dannen.

Fehler durch Lektorin Anya bereinigt.

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

#hinten? #Lektorin A #oder #vorne

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