Darf man Tote anfassen? Können auch Angehörige den Verstorbenen einkleiden?
Wie sind die einzelnen Arbeitsschritte beim Einsargen? Wird eine Leiche gewaschen und wenn ja, wo? Ihr lasst doch kein warmes Bad ein, oder? Ist der Leichnam vollständig bekleidet von Socken, Unterhose Unterhemd usw.? Ist es tatsächlich für euch aufwendiger, der Leiche eigene Kleidung anzuziehen? Wie gehts weiter mit dem Gesicht? Wie funktioniert das mit der Augenklappe bwz. Augen verkleben und dem Mund?
In den meisten Fällen werden Verstorbene heute auf einer Trage abgeholt. Eine entsprechende saugfähige Unterlage und der Überzug aus fester Kunststoffplane gewährleisten weitestgehend einen sauberen Transport. Mit dem Überführungssarg (auch Zinkwanne oder Sargwanne o.ä. genannt) werden vorzugsweise Unfallopfer oder besonders schwierige Fälle (Fundleichen z.B.) abgeholt.
Es ist richtig, daß der Bestatter versucht, den Verstorbenen geradezurichten und auf dem Rücken liegend zu transportieren. Ein Falten der Hände wird nur vorgenommen, wenn die Angehörigen das aus religiösen Gründen so wünschen. Ansonsten wartet man damit bis sich a) die Leichenstarre wieder etwas gelöst hat und b) das Ankleiden vorgenommen worden ist.
Verstorbene werden gewaschen, das ist richtig. Aber hierzu gibt es völlig unterschiedliche Philosophien. Es hängt aber natürlich auch vom Zustand des Leichnams ab. Es ist sicherlich ein Unterschied, ob jemand irgendwo aus einer Hecke gezogen wurde oder eben noch zu Hause vom Pflegedienst gewaschen worden ist.
Das Reinigen des Verstorbenen reicht vom einfachen Einsprühen mit reinigenden Flüssigkeiten und anschließenden Trockentupfen bis hin zu gründlichen Waschungen mit lauwarmem Wasser. Das ist von Fall zu Fall und von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich.
Der Leichnam wird dann ganz nach Auftrag angekleidet. Hier ist ein Talar (Totenhemd) für den Bestatter und auch für eine eventuelle zweite Leichenschau vor der Einäscherung eindeutig praktischer. Die Talare sind hinten offen, haben einen Klettverschluss am Kragen und können dem liegenden Verstorbenen von vorne angezogen werden, ohne ihn über Gebühr herumheben oder aufrichten zu müssen.
Ansonsten wird dem Verstorbenen alles angezogen, was die Angehörigen haben wollen.
Das kann sowohl ein Schlafanzug, ein Jogging-Anzug, als auch ein „guter“ Anzug sein und es gehört dann auch die Unterwäsche und Socken dazu. Schuhe zieht man bei uns eher seltener an, aber auch das wird gemacht.
Dann erst erfolgt das eventuelle Falten der Hände.
Normalerweise bleiben die Augen eines Verstorbenen verschlossen, wenn man die Augenlider nach unten zieht. Das leichte, in 10 cm Abstand erfolgende, Über-die-Augen-Wischen, wie man es im Fernsehen immer wieder sieht, ist im wahrsten Sinne des Wortes filmische Augenwischerei, es kann keinen Effekt haben.
Bleiben die Augen nicht geschlossen, was in selteneren Fällen vorkommen kann, so kommen üblicherweise Augenkappen zum Einsatz. Man stelle sich das wie etwas zu große, hauchdünne Kontaktlinsen vor, die auf der Außenseite etwas rauh sind. Diese Kappe wird vorsichtig auf das Auge gelegt und das Lid dann darüber gezogen.
Augenkappen verhindern auch daß die Verstorbenen im weiteren Verlauf des Vergehens eingefallene Augen bekommen und so sehr befremdlich auf die Angehörigen wirken können.
Wie nun der Mund eines Verstorbenen verschlossen wird, darüber streiten sich die Experten. Junge Bestatterneulinge lernen, daß das Zukleben mit Lippenklebern nicht gut sei. Stattdessen besinnt man sich wieder auf ältere Techniken und lernt das Legen einer ligatur, was letztlich nichts anderes bedeutet, als daß der Mund mit einem unsichtbaren, weil im Mundinneren liegenden, Spezialknoten zugenäht wird.
Diese Technik sollte jeder Bestatter beherrschen, weitaus häufiger kommt aber die Kinnstütze oder der Lippenkleber zum Einsatz.
Vorher wird mitunter ein so genannter Mundfüller eingesetzt. Das ist eine meist rosafarbene Kunststoffplatte in Mundform, die hinter die Lippen gelegt wird und das möglicherweise nicht mehr vorhandene Gebiss ersetzen kann, in jedem Fall aber verhindert, daß die Mundpartie einfällt.
Auch der Mundfüller hat Noppen auf der Außenseite, sodaß die Lippen dann oft auch ohne weitere Maßnahmen geschlossen bleiben. Ansonsten werden sie dünn mit dem Lippenkleber bestrichen und die Lippen leicht aufeinandergepresst. Aber auch das muß man können, sonst zaubert man dem Verstorbenen einen Kuß- oder Karpfenmund hin oder die Klebung wird sichtbar.
Was im Einzelnen an kosmetischen Arbeiten im Gesicht und auch an den Händen notwendig wird, hängt vom Einzelfall ab. Manchmal muß fast gar nichts gemacht werden, manchmal ist es sehr viel Arbeit und reicht vom Haarewaschen, über das Rasieren und die Wundversorgung/-verdeckung, bis hin zur aufwendigen Camouflage, wobei das Gesicht fast komplett durch Hilfsmittel rekonstruiert wird.
Umso erstaunlicher ist es manchmal für mich, wenn ich sehe, daß mancher Bestatter in 4 Sekunden mit dem kompletten Einsargen fertig ist.
Qualität erreicht man nur durch Arbeit und Arbeit kostet Zeit und Geld.
Bei einer Paketsumme von 999 Euro kann man daher nicht viel erwarten.
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Hallo,
das mit dem Waschen und Zukleben macht doch nur Sinn bei einer Aufbahrung.
Wenn kein offener Sarg gewünscht wird, macht doch keiner Umstände?
Gruß
Arno
@ 1: Doch! Zumindest ein „richtiger“ Bestatter. Man nimmt zwar nicht unbedingt zentimeterdick Camouflage und legt auch keine Dauerwelle mit Färbung, aber man muss immer davon ausgehen, dass plötzlich die Angehörigen in der Trauerhalle stehen und dem Friedhofsmitarbeiter oder Bestatter sagen: „Machen se bitte mal eben den Sarch auf, die Tante Trude is da und will die Omma doch noch sehn.“ Alles schon passiert, keine Einzelfälle. Wer dann gefuscht hat….. In der Großstadt ändert man vielleicht einfach nur den Firmannamen, in kleineren Städten gibt es normalerweise viel Ärger.
Bezüglich „Anspruch“ an den/seinen „Beruf“ (nicht: „Job“) hat Tom schon einiges geschrieben. Außerdem gibt es Vorschriften der BG und eine Norm für Bestattungsleistungen, wonach zumindest die „hygienische Versorgung und Einbettung“, die vom Auftraggeber schließlich bezahlt wird, definiert ist.
Hallo Tom!
Ich war der Fragesteller. Ich hatte ein halbwegs schlechtes Gewissen, überhaupt nach solchen Details zu fragen. Daher: Vielen herzlichen Dank für deine Offenheit. Ich finde es klasse, wie selbstverständlich du mit den Themen hier umgehst. Vor allem danke, dass du hinter Anfragen dieser Art nicht einen Autor vermutest, der sensationsgelüstig ist und ketzerisch nach höchstsensiblen Dingen fragt. Ach ja, ich wäre sooooo gerne Bestatter, hoffentlicht klappt´s eines Tages. Meine Anstrengungen dahingehend laufen… Drückt die Daumen.
Ich bin unheimlich interessiert: der ganze Aufwand auch bei einer Verbrennung?
Sensationslust?
Das ist gesunde Neugier, die Fragen sind alle nachvollziehbar. Wieso sollte sich jemand daran stören?
@ unwissend. Klar. Wo ist denn für dich der Unterschied, ob der Sarg nach der Trauerfeier begraben oder verbrannt wird?
Wichtig ist wenigstens die Grundversorgung und dass anständig angezogen wird. Auch und gerade, „wenn keiner mehr guckt“.
Ich persönlich brauche das für meinen Seelenfrieden. Stell dir mal vor, ich will in den Himmel und da stehen dann alle, bei denen ich gepfuscht habe 😉
@Stefan: Du hast so Recht! Was sonst?
Mir wird fast übel wenn ich die Fahrer der einen Konkurrenzfirma sehe, wenn sie einen Verstorbenen im Krankenhaus abholen. Mit allen Schläuchen, Pflastern und OP-Utensilien wird binnen 30 Sekunden schnelleingesargt. Aussage: „Der bleibt doch eh zu.“
Das könnte ich niemals verantworten. Was denn, wenn doch noch einer schauen will?
Und selbst wenn nicht: Wer hat es verdient einfach so in die Kiste geworfen zu werden?
Man macht das immer ordentlich, IMMER!
Bleibt der Sarg zu oder wird er gleich ins Krematorium gebracht, wird man sicherlich keine 2stündige aufwendige Kosmetik machen, aber das Mindestmaß an Versorgung sollte doch wohl jedem gewährt werden.
Ich war grad erinnert an die Lektüre von „Die Herren der Insel“ – da ist ein Bestatter, der den Leichen das dämlichste Grinsen ihres Lebens (sic) verpaßt.
Und wie sieht es aus wenn der Verstorbene noch einen Katheter am Hals hat?? Und richtig stinkt weil man ihn hygienisch nicht mehr richtig versorgen konnte u.a. wegen Schmerzen, Wasserbauch, konnte nur noch auf 1 Seite liegen usw. Wäscht ihn der Bestatter trotzdem noch auch wenn es „umzumutbar“ wäre?
Und kann ein Bestatter einem Angehörigen verbieten den Leichnam nochmal zu sehen???
Kann ich mir überhaupt nicht vorstellen bestatterin zu werden,
da ich keine toten sehn könnte,
wie ist es bei freunden? Familie ect?..
wenn freunde oder verwante sterben, muss man aber als bestatter nicht seine eigene familie
oder so unter die erde bringen oder schminken, oder?.
lg
Ich muss Dir ganz ehrlich sagen,ich hab bis jetzt 3angehoerige angezogen und mit eingesargt und es war mir eine Ehre auf diese Weise Abschied zu nehmen!Es ist der letzte Dienst den man seinem Lieben machen kann!Muss aber jeder mit sich ausmachen!
Hallo Willi
Dürfte ich dich mal etwas fragen?wie ich gelesen hab erbringst du den toten die letzte Ehre.würde dies auch gerne versuchen kannst du mir sagen was man dafür brauch Ausbildung oder so?sorry weiß leider nicht wo ich mich hin wenden kann
Als meine Schwester abgeholt wurde,war während der Bestatter bei ihr war,ein brummen zu hören,was hat das verursacht?