Was denkst Du, wenn Du diese Schlagzeile liest? Wie stellst Du Dir das vor?
Leichenwagen verliert Sarg während der Fahrt
Ich zumindest habe sofort eine Autobahn vor Augen oder eine Landstraße, es herrscht Verkehr, eines der Autos ist ein Leichenwagen und bei hoher Geschwindigkeit saust hinten aus diesem ein Sarg heraus.
Das stelle ich mir darunter vor, wenn ich lese, dass ein Leichenwagen während der Fahrt einen Sarg verliert. Und, wenn ich ehrlich bin, impliziere ich bei einem Sarg auch immer eine Leiche. Geschehen ist das Ganze anlasslos, plötzlich ist der Sarg völlig unerwartet während der Fahrt hinten rausgefallen. Möglicherweise wurde er dabei zerschmettert. Manch einer mag sogar Bilder von dem, was mit der Leiche passiert sein könnte, vor Augen haben.
Also wenigstens ist das die Szenerie, die mir sofort in den Kopf kommt, und ich bin mir sicher, dass das den Allermeisten ähnlich geht. Und wenn das so ist, dann sind wir auf die typischen Tricks der BILD-Zeitung und der Yellow Press hereingefallen.
Wenn man genauer nachdenkt, besagt die Schlagzeile aber wesentlich weniger, als unser Gehirn da hineininterpretiert. Sie besagt ja nur drei Dinge:
Ein Leichenwagen
verliert einen Sarg
während der Fahrt
Wir haben es also mit einem Bestattungsfahrzeug zu tun, das sich zumindest ein ganz kleines bißchen bewegt hat, und mit einem Sarg, der vorher in dem Bestatterauto war und hinterher nicht mehr.
Es gibt also eine gewisse Diskrepanz zwischen dem minimalen Geschehen, das sich aus den reinen Fakten ergibt, und dem maximalen, das sich in unserer Vorstellung abspielt.
Wenn es aber nun schon in der Zeitung (oder deren Online-Auftritt) berichtet wird, muss ja etwas Besonderes passiert sein. Und wenn es der BILD eine große Schlagzeile wert ist, müsste ja eigentlich umso mehr Drama und Sensation vorhanden sein.
Aber was ist eigentlich wirklich passiert:
An einer Ampel ist auf einen ordnungsgemäß anhaltenden Bestattungswagen ein Kleinwagen aufgefahren.
Nach diesem kleinen Unfall wollten die Beteiligten die Kreuzung schnell freimachen.
Durch den Aufprall hatte sich im Laderaum des Bestattungswagens ein leerer Sarg aus der Transportsicherung gelöst.
Beim Anfahren drückte dieser die Klappe des Leichenwagens auf und rutschte auf die Fahrbahn.
So, das ist passiert. Nicht mehr und nicht weniger.
Im Grunde ist genau das passiert, was ich oben als die minimalste der möglichen Varianten beschrieben habe, bei der sich der Bestattungswagen nur ein ganz kleines bißchen bewegt hat.
Mit etwas gutem Willen mag man das tatsächlich auch als „während der Fahrt“ durchgehen lassen.
Dennoch aber zeigt das einmal mehr, dass Blätter wie die BILD-Zeitung und auch die typischen Frauenzeitschriften, Royality-Blätter und Schmuddelpresseerzeugnisse es immer wieder schaffen, mit einer geschickten Schlagzeile uns zum Lesen und vielleicht auch zum Kaufen ihrer Machwerke zu verleiten.
Ganz ähnlich funktionieren Überschriften wie Nasenpilz? Mach heute Abend das hier, die uns als vorgegaukelter Info-Artikel auf eine Werbeseite locken. Oder Heino verrät seinen Busentrick.
Guter Journalismus ist das nicht.
Besser wäre die Schlagzeile so formuliert worden: Nach Auffahrunfall: Leerer Sarg landet auf der Fahrbahn.
Diese Schlagzeile hätte ebenso spannend geklungen, vor allem, wenn man noch „makaber“ drübergeschrieben hätte, und sie hätte vor allem den Sachverhalt korrekt wiedergegeben, ohne falsche Erwartungen zu wecken.
Über den Rest des BILD-Artikels kann ich nur spekulieren. Er basiert auf einem Foto, das ein sogenannter BILD-Leser-Reporter gemacht hat. Dabei handelt es sich um Unfall-Gaffer, die mit dem Smartphone ein Unfallgeschehen fotografieren und die Bilder dann zur BILD-Zeitung weiterleiten.
Dafür gibt’s meines Wissens auch Geld.
Den Bildern kann man nicht entnehmen, ob der „Leser-Reporter“ aus dem fahrenden Auto heraus fotografiert hat, oder ob er ausgestiegen ist und die Szenerie vom Straßenrand aus fotografiert hat.
Wenn etwas Interessantes passiert und man gefahrlos anhalten kann, wenn man keine Rettungskräfte behindert, den Verkehrsfluss nicht hemmt und man sich auch einer eventuell nötigen Hilfeleistung nicht entzieht, finde ich es durchaus in Ordnung, da ein Foto zu machen.
Hält man dabei die gebotene (soziale) Distanz ein, kann man an spannende Fotos gelangen und möglicherweise ein paar Euro damit verdienen. Warum nicht?
Aber ich sehe die Gefahr, dass eine möglicherweise ausgelobte Belohnung oder die Hoffnung auf kurzen Ruhm in den sozialen Medien Leute massenhaft dazu animieren, die von mir in den obigen Satz eingebauten Bedingungen zu missachten.
Und so kommt es dann zum berühmten „Stau auf der Gegenfahrbahn durch Gaffer“, zu abstoßenden Bildern von Unfallopfern und zu allem, das wir an diesen neugierigen Handy-Knipsern so verurteilen.
Wegen solcher Leute sind heutzutage bei fast allen Einsätzen der Rettungskräfte immer etliche Helfer dadurch gebunden, weil sie Sichtschutzabschirmungen gegen neugierige Blicke aufbauen oder hochhalten müssen.
https://www.bild.de/regional/hannover/auf-strasse-bei-hannover-leichenwagen-verliert-sarg-67d0497cf2f5492313236154
- sarg-verloren: Peter Wilhelm KI
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
Schlagwörter: bild, boulevard, klatsch, Medien, schlagzeile
Ich krieg bei solchen vermeintlichen Schlagzeilen immer Ausschlag… ne danke, braucht kein Mensch.