Über die Thematik der Rechtsmediziner werden viele Ammenmärchen erzählt.
Vor allem in Fernsehserien und Spielfilmen wird die Funktion der Mediziner häufig völlig falsch dargestellt.
Ganz besonders Serien wie beispielsweise Quincy haben zu dem falschen Bild in der Öffentlichkeit beigetragen.
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- Was ist ein Rechtsmediziner? Was ist Rechtsmedizin?
- Aufgabenbereiche und Abgrenzungen Rechtsmedizin
- Ist ein Rechtsmediziner das gleiche wie ein Gerichtsmediziner?
- Ist der Polizeiarzt ein Gerichtsmediziner oder Rechtsmediziner?
- Ist der Polizeiarzt dann der Arzt der einem bei einer Trunkenheitsfahrt die Blutprobe abnimmt?
- Ist der Rechtsmediziner, „Polizeiarzt“ ein Pathologe?
- Was macht der Rechtsmediziner?
- Fährt der Rechtsmediziner immer zum Tatort
- Literatur
- Du bist Fachmann/Fachfrau?
- Bildnachweis
- Links zum Thema Rechtsmedizin
- Video über Rechtsmediziner
Jack Klugman verkörpert dort einen Gerichtsmediziner, der sich mit seinen Mitarbeitern immer wieder aktiv in die Ermittlungsarbeit der Polizei einbringt, bzw. auf eigene Faust Ermittlungen anstellt und oft zu anderen Ergebnissen kommt, als die Polizei.
Einerseits ist die Situation in den USA eine andere als bei uns, und andererseits ist gerade der Punkt der eigenen Ermittlungsarbeit stark übertrieben.
Diese Darstellungsweise wird und wurde aber in zahlreichen anderen Verfilmungen übernommen.
Grund genug, hier einmal sehr ausführlich auf dieses Thema einzugehen und die Unterschiede zu erklären. Weiter unten gibt es auch ein Video zum Thema Rechtsmediziner.
Was ist ein Rechtsmediziner? Was ist Rechtsmedizin?
Die Rechtsmedizin wird auch forensische Medizin oder Gerichtsmedizin genannt.
Sie umfasst längst nicht nur die Obduktion und Tatrekonstruktion, sondern auch die:
- Entwicklung
- Anwendung und
- Beurteilung
von medizinischen Kenntnissen für die Rechtspflege (Judikative und Exekutive).
Aufgabenbereiche und Abgrenzungen Rechtsmedizin
Die wesentlichen Aufgaben- und Forschungsbereiche der Rechtsmedizin sind:
- Thanatologie (z. B. Leichenschau bei außergewöhnlichen Todesfällen)
- forensische Traumatologie
- Toxikologie
- Drogenforschung und -diagnostik (Alkohologie)
- forensische Molekularbiologie (etwa DNA-Untersuchungen)
- forensische Sexualmedizin
- Verkehrsmedizin und -psychologie
- Glaubhaftigkeitsbeurteilungen aus medizinischer und forensischer Sicht
- medizinische Begutachtungskunde
- Behandlungsfehlergutachten
- Abstammungsgutachten
- Versicherungsmedizin (etwa Verletzungsgutachten)
Auch andere Studienbereiche sind von der Rechtsmedizin betroffen. So hören nicht nur Humanmediziner Vorlesungen über Rechtsmedizin, sondern auch Zahnärzte und Juristen.
Ist ein Rechtsmediziner das gleiche wie ein Gerichtsmediziner?
Der fachlich korrekte Ausdruck ist heute Rechtsmedizin und Rechtsmediziner.
Der Begriff Gerichtsmedizin und Gerichtsmediziner ist veraltet.
Dennoch ist er immer noch z.B. in Gebäudeaufschriften und auf alten Schildern zu finden.
Ist der Polizeiarzt ein Gerichtsmediziner oder Rechtsmediziner?
Nein. Krimiserien vermitteln oft den Eindruck, als sei der Polizeiarzt fester Bestandteil des Ermittlerteams.
Ein Polizeiarzt ist aber in erster Linie ein Arzt, der für die Polizisten zuständig ist.
Dies sind die Tätigkeiten eines Polizeiarztes (nach Angaben des Bundeskriminalamtes sowie der Polizeibehörde Baden-Württemberg)
Tätigkeitsprofil des Polizeiarztes im Gegensatz zum Rechtsmediziner
• Amtsärztliche Auswahl- und Einstellungsuntersuchungen für den Polizeivollzugsdienst
• Beamtenrechtliche Untersuchungen und Begutachtungen
• Arbeits- und sozialmedizinische Betreuung der Beschäftigten
• Beratungen im Rahmen der Gesundheitsvorsorge und präventivmedizinische Maßnahmen
• Ärztliche Versorgung der Polizei im Einsatz
• Ärztliche Betreuung von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten sowie auf freiwilliger Basis der anderen Beamtenschaft
Dazu werden Ärzte und Ärztinnen eingestellt, die eine allgemeinmedizinische, internistische oder arbeitsmedizinische Ausbildung haben.
Schon das zeigt, daß es sich beim Polizeiarzt nicht um einen forensischen Arzt handelt, der zur Tataufklärung beiträgt.
Ist der Polizeiarzt dann der Arzt der einem bei einer Trunkenheitsfahrt die Blutprobe abnimmt?
Nein.
Die Blutentnahme darf nur durch einen approbierten Arzt durchgeführt werden, nicht etwa durch einen Polizisten.
Dafür kann der verdächtige Kraftfahrer von der Polizei zum nächsten erreichbaren Arzt, in ein Krankenhaus oder auf die Dienststelle gebracht werden.
Die Blutentnnahme kann auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit notfalls auch durch Anwendung unmittelbaren Zwangs (Festhalten, Wegtragen, Hand- und/oder Fußfesseln) erzwungen werden.
Die Durchführung der Blutentnahme richtet sich stets nach den mit Wirkung vom 25.06.2000 novellierten bundeseinheitlichen Verwaltungsvorschriften der Länder über die „Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten“.
Der Arzt erstellt über diesen Vorgang sowie über die Begleituntersuchungen ein formularmäßiges Protokoll, das dann in einer späteren Gerichtsverhandlung als Urkundenbeweis verlesen werden kann. Darüberhinaus kann der Arzt über seine Feststellungen bei der Probenentnahme und über die dabei durchgeführten Tests durch das Gericht als (sachverständiger) Zeuge gehört werden.
Das Ergebnis einer BAK-Bestimmung liegt meist innerhalb von 24 Stunden nach der Blutentnahme vor. Es wird schriftlich in Form eines Befundberichts entsprechend einem fachärztlichen Gutachten festgehalten, das später vom Gericht als Urkundenbeweis verlesen werden kann.
Die Auswertung der Probe erfolgt wiederum in einem gerichtsmedizinischen Institut oder je nach Bundesland in einem vereidigten Labor.
Ist der Rechtsmediziner, „Polizeiarzt“ ein Pathologe?
Nein. Die Pathologie ist etwas völlig anderes.
Grob gesagt, kümmert sich der Pathologe zu einem überwiegenden Teil um die Untersuchung des Gewebes und Blutes von lebenden Patienten.
Die Pathologie („Lehre von den Leiden“) ist ein Teilgebiet der Medizin. Es beschäftigt sich mit der Beschreibung und Diagnose von krankhaften Vorgängen und Zuständen im Körper.
Der Pathologe Pathologie untersucht die Herkunft (Ätiologie), sowie die Entstehung (Pathogenese) und den Verlauf sowie die Auswirkungen von Krankheiten (Funktionelle Pathologie bzw. Pathophysiologie).
Aber auch Pathologen führen Obduktionen durch. Das sind aber die Leichenöffnungen, bei denen die Angehörigen nach dem Tod eines Verwandten gefragt werden, ob sie etwas dagegen haben, daß der Leichnam aus medizinischen oder wissenschaftlichen Gründen geöffnet wird. Das geschieht aber nur, wenn Mord, Totschlag, Suizid oder Unfalltod (die eine rechtsmedizinische Untersuchung erfordern) ausgeschlossen sind.
Was macht der Rechtsmediziner?
Im Gegensatz zum Pathologen, der aus medizinischen Beweggründen meist in einer Klinik tätig ist, wird der Rechtsmediziner im Auftrag der Staatsanwaltschaft oder eines Gerichtes tätig. Seine Obduktionen bedürfen hier ausdrücklich nicht des Einverständnisses der Angehörigen, sondern werden durch die Justiz angeordnet.
Diese rechtsmedizinische Leichenschau (dies umfasst die äußere Leichenschau und die anschließende Leichenöffnung, auch als innere Leichenschau bezeichnet) dient der Klärung
- der Todesursache,
- der Todesart (natürlich oder nicht natürlich),
- der Identität des Toten, falls diese nicht geklärt ist,
- des Todeszeitpunktes, was ab einer gewissen Liegezeit nicht mehr genau möglich ist.
Wikipedia schreibt dazu im Artikel „Rechtsmedizin“:
Eine solche angeordnete Leichenschau wird nach Vorschriften der Strafprozessordnung immer zu zweit durchgeführt, von mindestens einem Rechtsmediziner und ggf. einem weiteren Arzt, nicht aber von einem Arzt, der einer Abteilung für Pathologie der öffentlichen Krankenhäuser angehört. Der geläufige Irrtum erklärt sich aus einer Fehlübersetzung: Im amerikanischen Sprachgebrauch entspricht der Rechtsmediziner dem forensic pathologist.
Wird der Rechtsmediziner im Auftrag einer Ermittlungs- oder Gerichtsbehörde tätig, wird ihm in der Regel die Funktion eines Sachverständigen übertragen. In der Schweiz kann der entsprechende Auftrag namentlich auch von einem Organ der Militärjustiz erteilt werden (Art. 85 ff. MStP).
Mit Hilfe der forensischen DNA-Analyse kann die Identität unbekannter Verstorbener festgestellt werden. Auch eine Zuordnung von Patientenproben bei Verdacht auf Vertauschungen ist möglich.
Institutionalisierung
In Deutschland gibt es 31 universitäre Institute für Rechtsmedizin, in Österreich vier (Gerichtsmedizin) und in der Schweiz sechs.
Daneben gibt es in Deutschland städtische Institute für Rechtsmedizin, etwa in Bremen, Dortmund und Duisburg, sowie das Brandenburgische Landesinstitut für Rechtsmedizin in Potsdam und das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin Berlin.
Fährt der Rechtsmediziner immer zum Tatort
Kann sein, kann aber auch nicht sein.
In vielen Fällen wird der Rechtsmediziner von der Polizei zum Tatort gerufen. Nur dort können die ersten Hinweise ausgewertet werden und später bei der Obduktion mitberücksichtigt werden.
Oft ist es auch der Rechtsmediziner, der vor Ort feststellt, ob es sich um ein untersuchungswürdiges Delikt handelt.
Auch kann der Rechtsmediziner tatsächlich in gewissem Rahmen eigene Ermittlungen anstellen. Das könnte beispielsweise der Fall sein, wenn er nicht nur das Opfer, sondern auch den mutmaßlichen Täter auf Spuren untersucht. Auch eine nachträgliche Tatortschau kann durchgeführt werden.
Es ist aber nicht so, daß der Rechtsmediziner grundsätzlich und in jedem Fall mit der Polizei ausrückt.
Hier gibt es aber Unterschiede, je nachdem in welchem staatsanwaltlichen Bezirk und in welchem Bundesland das stattfindet.
Literatur
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Du bist Fachmann/Fachfrau?
Wenn Du selbst Polizeiarzt, Rechtsmediziner, Kriminalbeamter, Staatsanwalt oder Pathologe bist, dann schreibe mir herzlich gerne, ob der Artikel so in Ordnung ist.
Habe ich alles richtig dargestellt? Ist es bei Euch genau so? Was ist bei Euch (wo?) anders?
Bildnachweis
Bild Rechtsmedizin Obduktionssaal: Von Ralf Roletschek – Eigenes Werk, GFDL 1.2, Link
alle anderen Bilder: Pixabay.com CC0
Links zum Thema Rechtsmedizin
https://de.wikipedia.org/wiki/Rechtsmedizin
Leichenfunde Frankfurt will mehr Rechtsmediziner einsetzen Frankfurter Neue Presse
Bestatterweblog über Rechtsmediziner
Video über Rechtsmediziner
Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:
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Ich bin seit 33 Jahren Kriminalbeamter und von Ihrem Artikel schwer beeindruckt. Endlich stellt mal einer in anschaulicher und vor allem leicht verständlicher Form dar, wo die Unterschiede sind.
Das kann man so 1:1 den Polizeischülern zum Lernen geben.
Vielen Dank!
@Dietmar Haverland (KKH): Herzlichen Dank für die lobenden Worte.
Also ich war immer der Meinung, dass zum Aufgabenbereich von Polizeiärzten z.B. auch die Blutentnahme zur Feststellung von Alkohol- oder Medikamenteneinfluss gehört. Das würde über eine rein „betriebsärztliche“ Funktion hinausgehen. Hier kann es aber auch regionale Unterschiede geben. Und letztlich kann natürlich im Prinzip jeder Arzt herangezogen werden, der dann über die GOÄ abrechnet. Oder muss das zwingend ein Amtsarzt o.ä. machen?
Vielleicht weiß hierzu ja jemand Bescheid!
@MK: Danke für den Hinweis. Ich habe das Thema mit in den Artikel aufgenommen.
Um es kurz auch hier zu beantworten: Das kann jeder Arzt machen. Die Polizei hat in manchen Regionen Ärzte, die fest auf Abruf diese Arbeit machen. In anderen Gegenden werden die Verdächtigen in ein Krankenhaus gebracht. Es kann auch sein, daß ein Bereitschaftsarzt gerufen wird.
Das kann, muß aber nicht ein Amtsarzt sein. Meist sind es aber normale niedergelassene Ärzte.
@Peter Wilhelm: Danke für die ausführliche Info – Jetzt ist der Artikel wirklich absolut perfekt 🙂
Sehr interessant, vielen Dank,bei den Dingen, die ein Pathologe tun muß von berufswegen: dabei weiß man normalerweise nur die Hälfte, ich zum Beispiel wusste das mit den Toten..Und die Serie „Quincy“ zählte seit vielen Jahren zu meinen Lieblingsserien, machte mir aber nie Gedanken drüber, ob es in der Realität ebenso ist.Im Film funktioniert viel anders, normAL…
Danke für diese informativen Artikel. Ich recherchiere für einen Kriminalroman und mich würde interessieren, wann ein Rechtsmediziner zum Tatort gerufen wird bzw. was hier die Schwelle ist. Wird bei einem Suizid z. B. grundsätzlich ein Rechtsmediziner an den Auffindungsort des Leichnams gerufen?