Geschichten

Alt gegen neu

Der alte Leggewie ist im hohen Alter von 89 Jahren verstorben und hatte bis vor wenigen Wochen immer noch tagtäglich in seinem bestens geführten Schuhgeschäft an der Hubertusstraße gestanden.

Zwar hatte er den Betrieb schon vor zwei Jahrzehnten an seine, mittlerweile auch im Rentenalter befindliche, Tochter Bertha übergeben, jedoch konnte er sich aus den betrieblichen Belangen nicht heraushalten; sehr zum Missfallen seiner Tochter und vor allem seines Schwiegersohns Bertram.

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Bertram wollte schon vor vielen Jahren aus dem Geschäft mit dem etwas muffigen Charme der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts ein modernes Schuhgeschäft machen, mit einer großen Girlie-Abteilung und einer großen Wand mit neonbeleuchteten Sportschuhen, jedoch hatte der Alte sich allen Neuerungen widersetzt.

Die Kunden zeigten durch ihr Kaufverhalten deutlich, daß sie dem alten Leggewie Recht gaben. Sie schätzten die fast schon morbide Atmosphäre und das viele dunkle Holz, sowie die ausführliche Beratung.

Mit dem Alter des Ladens und seiner Inhaber war auch die Kundschaft gealtert und das Schuhhaus Leggewie wurde demnach vorwiegend von älteren Leuten besucht. Bequemschuhe, elegante Schuhe, haltbare Schuhe, das konnte man bei Leggewie finden und Highheels, bunte Sportschuhe aus China und kurzfristige Modetrends gingen an den Leggewies spurlos vorbei.

Was Bertram, der Schwiegersohn, als nachteilig einstufte, das war das Kapital auf das der alte Leggewie baute. „Alte Leute achten auf ihr Schuhwerk und sie geben auch viel dafür aus, wenn der Schuh sitzt und bequem ist. Junge Leute wollen nichts Gutes mehr, die machen sich ihre Füße in billigem Schuhwerk kaputt und irgendwann werden sie dann unsere Kunden, weil es für ihre krummen Füße im Kreischversand aus dem Fernsehen nichts Gescheites gibt.“

Nun hat das Schicksal für Bertha und Bertram doppelt zugeschlagen. Noch vor sechs oder acht Wochen waren sie selbst in den wohlverdienten Ruhestand gegangen, vor allem weil sie keine Chance sahen, gegen den alten Patriarchen anzukommen. Sie hatte das Geschäft ihrem Sohn Paul überschrieben und der steht voll auf der Seite seines Opas. „Alte Menschen haben viel Geld und geben es gerne für Gesundheit und Bequemlichkeit aus. Etwas mehr Licht, vielleicht ein neuer, hellerer Teppichboden und das ist es dann auch schon“, hatte er gesagt, was seinen Eltern gar nicht gefiel, ihm aber das Wohlwollen des Großvaters einbrachte.

Ja, und kaum hatten sich Bertha und Bertram nach jahrzehntelangem Kampf gegen den Alten aus dem Betrieb zurückgezogen, da legt der sich zufrieden hin und stirbt mal eben so weg.
Für Außenstehende sieht das wirklich so aus, als habe der Mann noch zwei Jahrzehnte seinen altbackenen Laden gegen modernes Neonlicht und billige China-Importe verteidigt und abgewartet oder durchgehalten, bis jemand in der Nachfolge stand, der seine Idee weiterträgt.


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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 4 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 10. März 2011 | Revision: 2. Juni 2012

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der kleine Tierfreund
13 Jahre zuvor

…dann hat er ja alles richtig gemacht.
Ich habe im Laufe meines(schon 47 Jahre dauerndes)Lebens schon sehr viele Betriebe den Bach“hinunter gehen sehen“,wenn sie von den Kindern übernommen wurden.

Thomas
13 Jahre zuvor

Tja, ich kaufe seit meinem 20. Lebensjahr beim alten Leggewie, weil die Schuhe von Deichgraf und Kick Schuh bei mir noch kein Vierteljahr halten. Der alte Leggewie ist in unserer Stadt der erfolgreichste Schuhladen und die Kollegen wundern sich warum.

13 Jahre zuvor

Wie schön, daß der Laden in dieser Form überleben konnte.Es bewahrheitet sich immer wieder, daß billig und preiswert zwei unterschiedliche Sachen sind.Ein besseres Denkmal wird man für den alten Herrn kaum finden können.

Ma Rode
13 Jahre zuvor

Kreischversand aus dem Fernsehen – sehr schöne Wortschöpfung!

13 Jahre zuvor

Davon zu lesen, tut meinem altmodischen Romantikerherz sehr gut! „Kreischversand“ – booah, super formuliert!
Gruß von Sonja

Kirstin
13 Jahre zuvor

Unser Leggewie wird gut vom Sohn geführt, so nach ganz alter Manier noch. Und als Nachbar bekommt man sogar Prozente. O_O
Klar kostet der Schuh dort mehr, aber er hält eben auch was man erwartet. Ich glaube die einzigsten Blinkenden Schuhe aus dem Laden trägt mein Sohn mit seinen 3 Jahren, aber das wars dann auch schon.

Smilla
13 Jahre zuvor

Ich habe es beim Kreischversand probiert, das war nix. Ich suchte Highheels für eine Feier. Fündig wurde ich auch wieder bei meinem alten Schuhhaus, das hat auch wieder dementsprechend gekostet, allerdings kann ich in den Dingern laufen und brauche keine Pflaster, Pads oder ähnliches. Und gut aussehen tun sie auch noch. Die trage ich auch noch in ein paar Jahren. Lieber nur wenige Schuhe im Schrank als zig Paar und keins paßt. Meine Tochter hatte auch eine Phase, da konnte es nicht pink, blinkig und glitzerig genug sein, nun sagte sie zu den Ge*x „das riecht nach billigem Plastik aus China“, die will ich nicht mehr. *juchhu*!

Anita
13 Jahre zuvor

Das ist toll, wenn man Normfuesse hat.
Wenn man aber als Frau von Schuhgroesse 42 durch die Gegend getragen wird, bleibt einem meist nichts anderes uebrig, als „irgendwo“ Schuhe zu kaufen, wenn man mal was Schickes zum Ausgehen haben moechte, weil selbst die teuren Laeden nur Oma-Treter in dieser Groesze haben. Ansonsten trag ich naemlich Herrenschuhe, die passen wenigstens und sehen neutral aus.

Christians Ex
13 Jahre zuvor

Größe 42? Ich hab 43…
Meine Freundin hat mich auf einem unserer Einkaufsbummel mal zum browsen in einen Schuhladen geschleppt. Mir blutete wirklich das Herz, was da alles an schönen Teilen rumstand und ich sagte ihr, wir gehen gern überall hin, aber bitte in einen Schuhladen NIE wieder.

Anita
13 Jahre zuvor

@Christians Ex

Ich hab mir neulich schoene, hochhackige Schuhe gekauft.
Im Transenbedarf.
Offensichtlich sind die Schuhhaendler der Meinung, dass Frauen mit Schuhgroesse >41 keine schoenen Schuhe moechten.

simon
13 Jahre zuvor

versucht mal als man >48 was vernünftiges zu finden, da gibts nichtmal die möglichkeit bei den transen was zu finden

47 ist noch alles da
48 die hälfte
49 nüscht

Tzosch
13 Jahre zuvor

Der Stab wurde weitergegeben. Offensichtlich in die richtigen Hände.

tree57
13 Jahre zuvor

@anita und christians ex:

Meine beste Ehefrau von allen hat das gleiche Problem. Es gibt aber einen Laden im tiefsten Ostfriesland, der hat meist eine ganz brauchbare Auswahl.

Gruß Mike
————————————–
Niemand hat so große Füße wie meine Süße….

Kommentator
13 Jahre zuvor

Leicht das Thema verfehlend, aber womöglich trotzdem passend (TOM, König der Verbraucherberater*, bitte sei gnädig): Meinen Füßen werden viele Schuhe aus den Kettenläden gerecht, daher habe ich mit Schuhgrößen oder -formen meistens kein Problem. Wohl aber kämpfte ich früher mit mittelschweren „Schweißschuhen“, wie wohl viele Männer (und damals in der Pubertät noch schlimmer, aber da kannte ich die Lösung noch nicht), und ich ärgerte mich andauernd über „abgetretene“, verbraucht aussehende Schuhen, die nach einem halben Jahr übel nach Mülltonne aussahen. Meine drei Lösungen: 1. Ledereinlagen, unbedingt Vollfuß, gerne halbwegs orthopädisch. Findet man im „Zugabenregal“ nicht aller, aber vieler Schuhläden, auch bei den Ketten, und geht so: Schuhe immer eine halbe bis ganze Größe größer kaufen bzw. Schuhe immer mit einer solchen Einlage (mitbringen!) der Wahl testen und kaufen. Wenn der Schuh noch gut ist, aber der Innenraum anfängt, Geruch anzunehmen (und nicht zu lange auf den olfaktorischen Kollaps warten): Alte Einlage wegwerfen und neue reinlegen. Kostet zwar alle paar Monate 10 bis 15 Euro für die neuen Einlagen – aber dafür kann man die gut… Weiterlesen »




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