Nekrolog

Beerdigung und Trauerfeier

orgel

Zwanzig bis dreißig Leute sitzen in der Trauerhalle, davon sind acht eng miteinander verwandt, vier bis sechs nur weitläufig. Weitere sechs Personen sind Nachbarn und Bekannte, drei kannten den Verstorbenen gar nicht, der Rest sind Leute die sich untereinander nicht kennen aber unbedingt dabei sein wollten.

Der Pfarrer müht sich redlich, kann aber nicht verhehlen, daß er den Verstorbenen und die Familie gar nicht kannte.
Der Organist spielt bemüht aber jämmerlich. Alles dauert 20 Minuten, dann ist es vorbei.
Eine Trauerfeier wie hundert andere. 08/15.

Ja und dann kommt man zu MacKabers Bestattung und alles ist irgendwie anders.

Werbung

Der helle Sarg, da hat sich die Familie was Ordentliches ausgesucht, steht schon blumengeschmückt in der Kirche und es läuft Musik vom Band. Jeder kann Platz nehmen, zum Sarg gehen, Abschied nehmen und verweilen. Es ist noch jede Menge Zeit bis zum Beginn der Trauerfeier.

Viele Menschen sind gekommen, die Familie von MacKaber ist groß, seine Frau, vier Kinder mit Ehegatten und Enkeln, ein Urenkel, eine alte Oma mit Gehwagen. Die Johanniter haben eine große Abordnung geschickt, viele Uniformen, viele große Wagen mit dem Johanniterkreuz. Hier hat MacKaber viele lange Jahre ehrenamtlich gedient, vielen Menschen geholfen und Gesinnung und Abläufe entscheidend mitgeprägt.
Ein großer Sonderbus aus der Landeshauptstadt zeigt, daß auch viele Kollegen der dortigen Verkehrsbetriebe den Weg zu MacKabers Beerdigung gefunden haben und ihm die letzte Ehre erweisen wollen.
Dort hat MacKaber ewig lange in verschiedenen Positionen gearbeitet und war auch auf diese Arbeit, wie auf alles was er getan hat, furchtbar stolz.

Mir sind das zu viele Leute, ich werde von den Söhnen herzlich begrüßt, so als sei ich ein ewig alter Freund der Familie, ich trage mich ins Kondolenzbuch ein, dann entfliehe ich der Hitze und der Massen, ziehe mich in die Kirche zu MacKaber zurück.

Da ist es kühl, da sind nicht viele Leute, ein paar sitzen schon in den Reihen. Den Sarg will ich mir näher anschauen, will sehen, was auf den Schleifen steht. Ich gehe ganz nach vorne, verharre kurz vor dem Sarg, verneige mich und nehme dann etwas weiter hinten Platz. Bloß nicht auffallen.
Zwei Männer in den Reihen tuscheln, sie haben meinen Weg zu MacKabers Sarg gesehen, denken wohl, daß der Mann aus der Stadt das besser und richtiger gemacht hat als sie selbst. Sie zupfen ihre Hemden zurecht, rutschen aus den Bänken und gehen auch nach vorne, bleiben kurz stehen und verneigen sich. Auf dem Weg zurück auf ihre Plätze schauen sie mich an: Siehste, auch wir wissen wie das geht.

Die Glocke beginnt zu läuten und allmählich füllen sich die Reihen. Zum Schluss kommen die Kinder und deren Kinder. Die Kirche hat viele Plätze, alle sind voll.

Orgel, Pfarrer, Ansage. Es komme ein Nachruf der Kleintierzüchter.
Oh, Nachrufe! Also nicht so ganz 08/15. Der Kleintierzüchter hat erschreckend viele Blätter in seiner Mappe, müht sich, spricht anständig, auch hier war MacKaber ein angesehenes und mit der Vereinsnadel ausgezeichnetes Mitglied. Auf den vielen Blättern muß jeweils nur ein Satz, vielleicht sogar nur ein Wort gestanden haben, der junge Mann ist schnell fertig. Gut! Und gut gemacht!

Der Pfarrer kündigt einen weiteren Nachruf an. Der Arbeitgeber.
Der Mann hat das bestimmt schon häufiger gemacht, jedenfalls spricht er laut genug, flüssig und würdig. Er schildert MacKaber als absolut verlässlichen, zuverlässigen Mann, spricht über seinen Werdegang, lässt auch Persönliches nicht außen vor, eine sehr schöne Rede, der man gerne zuhört.

Noch ein Nachruf, die Johanniter.
Die machen das klasse. Vier Mann sind es, einer in Ausgehuniform geht vor den Sarg, stellt ein Bild von MacKaber davor, auf dem groß das Wort DANKE steht. Dann stellt er sich mit zwei anderen in Retteruniform in eine Reihe, sie bilden das Ehrenspalier, ein vierter Mann hält die Ansprache.

Wurzel habe man zu MacKaber gesagt, die von ihm immer freiwillig und von anderen nicht so gern übernommene Schicht heißt heute noch „die Wurzelschicht“ und wird auch in Zukunft so heißen. Wo immer er konnte hat MacKaber geholfen, ein Quirl, ein Wissbegieriger, ein Nachbohrer, einer der sich mit Larifari nicht zufrieden gegeben hat, einer der auch mal unbequem war, der zum Kopfschütteln Anlass gab, der auch polarisieren konnte.
Schön, daß auch mal die Ecken und Kanten genannt werden und nicht nur ein weichgespültes Pietätsbild wiedergegeben wird. Wie alle Redner bedauert er, daß MacKaber nur einen kleinen Teil seines wohlverdienten Vorruhestands erleben konnte, mit nur 59 Jahren ist er viel zu früh gestorben.
Dankbarkeit, ehrendes Andenken, ein kleiner, fleißiger Mann wird unvergessen bleiben.
Und das glaubt man dem Johanniter auch.

Kommt jetzt der Pfarrer?

Nein, mir stockt der Atem etwas, als drei der vier Kinder, zwei Söhne eine Tochter nach vorne gehen.
Gedichte von Angehörigen haben manchmal etwas Peinliches.
Doch da kommen keine Gedichte.
Da stehen drei Menschen, denen man ansieht, daß sie Kinder von MacKaber sind, denen man anhört, daß sie seine Gene tragen und die absolut menschlich und beinahe völlig frei von ihrem Papa erzählen. „Wenn ich morgens beim Rasieren meine Wange so hochziehe, damit die Haut etwas gestrafft ist und ich sie besser rasieren kann, dann stehe ich vor dem Spiegel und denke: Mensch, das Kinn das kenne ich doch, diese Augen die sind doch genau so wie beim Vater.

Man hört, daß die Kinder die Wortgewandtheit des Vaters geerbt haben. Sie sprechen über das was sie vom Vater mitbekommen haben, was sie sich abgeschaut haben, man merkt wie stolz sie auf den Papa sind. Sie sind ernst, sie sind traurig, das sieht man.
Danke Papa, danke Mama!

Ich hab Tränen in den Augen.

Ja, ernst und traurig sind sie, traurig ist jeder in der Kirche und trotzdem, irgendwas ist anders.
Keine schluchzenden Menschen, die nicht fassen können was passiert ist.
Sohn Timo ist unendlich traurig, das kann man sehen, das spürt man, und dennoch hat er ein leichtes Lächeln auf den Lippen, als er wieder in der Reihe sitzt und seine Frau in den Arm nimmt. Freut er sich, daß alles gelungen ist, daß so viele gekommen sind? Freut man sich, weil der bescheidene und wissbegierige Vater nun so geehrt, gelobt und gefeiert wird?

Man hat sich viele Gedanken gemacht, alles ist stimmig.
Der Pfarrer spricht, betet mit uns, ein Psalm wird gesprochen, ein Kirchenlied gesungen, zwei Lieder vom Band, sehr traurig, ich muß zum wiederholten Male schlucken.
Auch der Pfarrer spricht sehr persönlich über den Verstorbenen, er kannte ihn, das merkt man, er schätzte ihn, das merkt man und er spricht sogar von uns und vom Bestatterweblog. Hier hat MacKaber vielen Menschen durch seinen Wortwitz und seine Hintergründigkeit Freude gemacht, war nie unkritisch aber nie bösartig.
Hier hat er, gemeinsam mit uns allen, seine Vorstellungen davon entwickelt, wie er eines Tages mal unter die Erde kommen will, das hatte er mir selbst gesagt.

1. Im schönsten Wiesengrunde
Ist meiner Heimat Haus,
Da zog ich manche Stunde
Ins Tal hinaus.
Dich mein stilles Tal
Grüß ich tausendmal!
Da zog ich manche Stunde
Ins Tal hinaus.

2. Müßt aus dem Tal ich scheiden,
Wo alles Lust und Klang,
Das wär mein herbstes Leiden,
Mein letzter Gang.
Dich, mein stilles Tal,
Grüß ich tausendmal!
Das wär mein herbstes Leiden,
Mein letzter Gang.

3. Sterb ich, in Tales Grunde
Will ich begraben sein,
Singt mir zur letzten Stunde
Beim Abendschein:
„Dir, o stilles Tal,
Gruß zum letztenmal!“
Singt mir zur letzten Stunde
Beim Abendschein.

Alle haben das Lied vom Wiesengrunde mitgesungen, das hatte MacKaber sich so gewünscht.

Alle stehen auf, der Sarg wird hinausgeschoben. Ein Glück, daß Friedhof und Kirche an einem Platz sind. Schöne, pummelige Wolken haben sich vor die gleißende Sommersonne geschoben, man kann es aushalten.
Es dauert eine Weile, bis sich alle am Grab versammelt haben. Eine schöne Stelle mit Blick auf die hübsche Kirche, deren Turm nachts angestrahlt wird.

Schnell ist der Sarg abgelassen, wenige Worte des Pfarrers, die Familie steht am Grab, der allerletzte Blick, der Moment des Abschieds, das ist schlimm, das tut weh, überall wird jetzt geschnieft.
Der sehr professionelle und zurückhaltende Mitarbeiter des Bestattungsinstituts baut nahezu unbemerkt und geschwind die Lautsprecher für die Pfarrerworte ab, schafft dadurch einen weiteren Durchgang zum Grab, jetzt kann jeder hingehen und Blüten ins Grab werfen.

Neben dem Grab tumbelt eine dicke Traube mit blauen Luftballons im leichten Wind. Die Kinder und Enkel schneiden die Schnüre durch und einer nach dem anderen steigen die Ballone, beschwert mit einem roten Herz, in den Himmel.

Tschüß Wurzel, tschüß MacKaber.

Bilder © Andi R.

Bildquellen:

    Hashtags:

    Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

    Keine Schlagwörter vorhanden

    Lesezeit ca.: 10 Minuten | Tippfehler melden | Revision:


    Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

    Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




    Lesen Sie doch auch:


    (©si)