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Berlin, ich komme -VI-

Professor Takanita tut es sehr leid, daß er mein Hemd kaputt gemacht hat. Natürlich will er Schadensersatz leisten und zwar in Naturalien. Er öffnet einen seiner übergroßen Rucksäcke und will mir eines seiner Hemden schenken.
Das ist aber mit gleich mehreren Problemen oder besser Hindernissen verbunden. Erstens geht mir Herr Takanita gerade einmal bis zu den Brustwarzen und somit kann sein Hemd schon von der Größe her unmöglich passen, zum Zweite bewahrt Takanita aber seine Hemden auch zu einer Wurst aufgerollt zwischen seiner schweißfüßigen Schuhsammlung im Rucksack auf. Als er ein original japanisches Kanada-Baumfällerhemd auseinanderwickelt und mir wortreich vor die Brust hält, entströmen diesem Hemd alle üblen Düfte dieser Welt.

Ich lehne höflich ab, zum zweiten Mal nach dem angebissenen Apfel und nähere mich damit vermutlich der alsbaldigen Enthauptung zu Ehren des japanischen Kaisers.
Auf einmal springt dem fast schon enttäuschten Japaner ein Lächeln über sein Gesicht, er grinst und hüpft vor Freude, als ihm eine ganz besondere Idee in den Sinn kommt.

Der Professor stopft das Hemd wieder in den einen Rucksack, wuchtet diesen wieder in die Gepäckablage und holt den anderen Rucksack herunter, nicht ohne einen Pappbecher mit Tee umzuwerfen.
Diesem Rucksack entnimmt er eine Cellophantüte mit…
…mit Original Aachener Printen.

„Karlgross Cookies Aachendomm!“

Er hält mir die Tüte so eindringlich unter die Nase und winselt dabei auf Japanisch. Ich kann nicht anders und nehme das großzügige Geschenk an.
Aber damit nicht genug. Der Professor will, daß ich mir sogleich eine der Printen in den Mund stecke, zumindest deutet er das wort- und gestenreich an.
Okay, ich mach das, eine ganz vorne ist mit weißem Zuckerguss überzogen und von der beiße ich ein Stück ab.

Ich hätte es nicht tun sollen, nein, ich hätte es bleiben lassen sollen, ich hätte nicht abbeißen sollen, nein!

Die Printe ist alt, uralt und stammt vermutlich wirklich von Karl dem Großen. Sie schmeckt so grauenvoll, daß ich sie am liebsten wieder ausgespuckt hätte.

Ich drehe die Tüte und schaue unten auf das Haltbarkeitsdatum: 21.03.2001

Leider konnte ich nicht herausfinden, ob die Aachener Printenverkäufer Japanern so alte Ware andrehen oder ob Professor Takanita diesen Beutel mit Printen schon so lange in seinem Rucksack spazierenführt.

Gut, ich tu mal besser so, als sei die lecker, die Japaner sind mitunter ein kämpferisches Volk und ich will den alten Mann nicht reizen.


Ich habe noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels für Sie zusammengestellt, damit Sie sich besser orientieren können:

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In „TV / Medien“ veröffentliche ich Berichte über TV-Sendungen und Medienerwähnungen zum Thema Bestattungen.

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | © Revision: 2. Juni 2012 | Peter Wilhelm 2. Juni 2012

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11 Kommentare
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Werner
13 Jahre zuvor

Lieber Tom,

Du hast vermutlich noch nie „Tulski Prjalnik“ (ich hoffe, daß ich etwa die Lautfolge getroffen habe), also Tulaer Lebkuchen, gegessen. Gegessen, naja, kleinschlagen mit Hammer und Meissel, aufweichen in Tee (gibt es in Rußland zum Glück immer und überall) und dann vorsichtig zerbeißen. Dagegen sind die Printen Karl des Großen ein müder Abklatsch. Es geht auch das Gerücht, die Tulaer hätten sich mit diesen Lebkuchen erfolgreich vor dem Beschuß durch Guderians Panzer geschützt und deshalb sei bei Tula eben Schluß gewesen. Wird wohl so sein.

Matze
13 Jahre zuvor

Nein, hier werden zwar an jeder Ecke und in wirklich jedem Geschäft zu jeder Tages- und Jahreszeit (auch im Sommer…) Printen verkauft, aber die sind frisch 🙂

Das liegt aber unter anderem auch daran, dass hier regelmäßig Heerscharen von kameratragenden Asiaten in gigantischen Reisebussen einfallen und das völlig überteuerte Zeug zentnerweise kaufen.

Rena
13 Jahre zuvor

Au weh, da wird die Zugfahrt gleich um einiges länger, wenn man so gepiesakt wird. Armer Tom. Hoffe, Du bist halbwegs heil noch in Berlin angekommen.

lio
13 Jahre zuvor

Armer Tom,
kennst du vielleicht Terry Pratchett und was es mit Zwergenbrot auf sich hat? 😉

LG, von der lio

clownsfrau
13 Jahre zuvor

Ach, Tom, kannst du nicht aufhören auf dem armen Japaner rumzuhacken, während seine Heimat in Schutt und Asche liegt? Vom kaputten AKW mal ganz abgesehen. Ich hab momentan ganz andere Gefühle den Japanern gegenüber…

Moonwish
13 Jahre zuvor

Ich würde ja sagen er hackt nicht auf dem Japaner sondern auf dessen keks rum…

Flo
13 Jahre zuvor

@lio: an Zwergenbrot mußte ich auch gerade denken. Könnten Wurfbrötchen sein 🙂

13 Jahre zuvor

@clownsfrau: Ohmann. Hab ja schon halb auf sowas gewartet. Die Katastrophe in Japan ist grauenhaft. Aber im ernst: Dem Professor gehts gut, er ist echt gut für eine Geschichte und IHM ist nix passiert. Und so wie ich Japaner kenne würde er selbst dann noch lächeln, wenn seine gesamte Familie bei dem Unglück ums Leben gekommen wäre. Es gibt für uns Europäer definitiv kaum eine Möglichkeit, herauszufinden, wie ein Japaner wirklich denkt. Dafür sind die Mentalitäten viel zu verschieden und die Leute, was persönliches angeht, viel zu zurückhaltend. Ich sagte persönliches. Hemd zerreißen ist nicht persönlich. Und wenn wir jetzt alle in Sack und Asche gehen wird in Japan nicht ein einziges Dorf wieder auferstehen. Es wird kein Atomkraftwerk wieder heile machen und es wird kein Stöpsel auf Vulkane geklebt. Und es ist auch nicht super, wenn die eigene schlechte Laune mal auf andere übertragen wird und man sie quasi dazu zwingt, selbst schlechte Laune zu haben. Ich halte es so: Ich bin über das Ausmaß des Unglücks entsetzt, ich kanns fast nicht in Worte… Weiterlesen »

Held in Ausbildung
13 Jahre zuvor

Haha ich wußte das wird lustig! herrlich

13 Jahre zuvor

Aber die Zähne sind noch ganz?
Das wäre was, mit abgebrochenem Schneidezahn ein Interview geben, hihi.

clownsfrau
13 Jahre zuvor

@Tante Jay:
Das ist ja das Schlimme, dass hier so viele denken, wir sind nicht persönlich betroffen. Wenn du das so „pragmatisch“ trennen kannst, schön für dich. Und Mutmaßungen darüber, wie jemand sich fühlen würde, wenn seine Familie umgekommen wäre… Das find ich schon ziemlich heftig.
Außerdem war mein Statement an Tom gerichtet, und drückt meine Befindlichkeit aus. Hat mir dir gar nix zu tun.
clownsfrau




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