Geschichten

Bestatterkrimi -III-

So eine Quittung mit dem Wort Quittung oben drauf und unten einer richtigen Unterschrift drunter, das sei ihr am liebsten und sowieso sei da mit der Bestattung ihres Mannes ja alles ganz merkwürdig gewesen.

Das interessiert mich und ich lade Frau Müske auf einen Kaffee ein. Sie erzählt, wie schön der Bestatter das alles gemacht habe.
„Ich hatte ja sowieso vor, eines Tages hierher zu ziehen. Meine Tochter und mein Schwiegersohn, denen hatte ich hier ja zu ihrer Hochzeit die Wohnung gekauft. Wenn ich mal alleine sein würde, das hatte ich immer schon gesagt, dann lasse ich denen mein Häuschen in M. und ziehe selbst in die kleine Wohnung, für die wird die ja auch zu klein und der Garten hinterm Haus, den schaffe ich nicht mehr.“

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Der Egon wollte ja in M. auf den Friedhof, aber das habe ich beim Bestatter noch ändern lassen. Ich will den hier auf dem Friedhof haben. Hier habe ich die Haltestelle, den Doktor und den Friedhof in der Nähe, auf sowas kommt es nämlich bei alten Frauen an, wissen Sie? Aber wie der Bestatter meinen Egon zurecht gemacht hatte, nein sowas Schönes, der sah so schön aus, am Liebsten hätte ich den wieder mit nach Hause genommen.“

Frau Müske weint und ich lege meine Hand auf ihre Hand. Kurz weint sie nochmals auf, dann lächelt sie und legt ihre andere Hand auf meine: „Wissen Sie, wie gut das tut? Wissen Sie, wie lange mich schon keiner mehr angefasst oder gestreichelt hat? Das tut so gut!“

Ich lächele und schiebe ihr ein Päckchen Papiertaschentücher hinüber, damit sie sich die Tränen trocknen kann, was sie auch tut. Dann erzählt sie weiter: „Als mein Egon vom Arzt die Diagnose bekommen hat, ist der auf die Bank, hat von unserem Sparbuch 3.000 Euro abgehoben und ist zum Bestatter Zirbler gegangen und hat seine Beerdigung bestellt. Dann ist er nach Hause gekommen, hat mir den Bestattungsvertrag auf den Küchentisch gelegt und hat gesagt: ‚Das ist alles, was mir noch bleibt, wir wollten ja immer noch mal nach Amerika … da, hier hast Du das Ticket für meine letzte Reise.‘ Das ist alles was er dazu gesagt hat.

Natürlich hat der alles falsch gemacht, aber was soll ich sagen, das ist ja nur ein Mann, die können sowas nicht besser. Der hat sich ein Grab auf dem Friedhof in M. rausgesucht und dabei sollte er doch hierher auf den Friedhof, weil ich doch immer gesagt habe, daß wenn der vor mir stirbt, ich dann umziehen würde. ‚Macht nichts‘, hat er gesagt, ‚es ist zwar alles bestellt und bezahlt, aber das kannst Du ja noch ändern lassen. So habe ich das mit dem Bestatter Zirbler besprochen.'“

„Ja und?“ frage ich, denn ich kenne den Bestatter Zirbler. Zirbler ist etwa 43 Jahre alt, seit ungefähr zehn Jahren im Geschäft und er ist der Cousin von der Weinhandlung Zirbler. Ab und zu habe ich den Kollegen schon mal am Friedhof oder Krematorium getroffen und er hat stets einen ordentlichen Eindruck auf mich gemacht. Seine Leichen lagen immer ordentlich im Sarg und ich habe auch von Kunden noch nie etwas Schlechtes über den Konkurrenten gehört.

„Ja, der Egon hat doch die 3.000 Euro bei dem eingezahlt.“

„Ja?“ frage ich und weiß, daß man das normalerweise nicht so macht. Aus vielerlei Gründen wollen die Bestatter kein Bargeld zur Bezahlung einer Vorsorge. Wenn überhaupt, dann macht man das bei Leuten, denen der Sensenmann sowieso schon ziemlich im Nacken sitzt, ansonsten gibt es so viele Möglichkeiten, die Vorsorgegelder sicher anzulegen, daß es Unsinn wäre, diese Beträge anzunehmen, zu verbuchen und gesondert einzuzahlen und zu verzinsen. Dafür gibt es Treuhandgesellschaften, Sparverträge, Sparbücher und was weiß ich noch alles.

Aber, wie ich schon sagte, wenn da mal jemand kommt, der nur noch wenige Wochen hat und alles gleich bezahlen will…

Insoweit hat Zirbler also nichts Ungewöhnliches gemacht, als er das Geld vom alten Müske angenommen hat.

„Ja, aber das Geld das ist jetzt weg“, klagt Frau Müske.

„Wie weg?“

„Ja, weg eben.“

„Wo ist das denn?“

„Ja, das weiß ich doch eben nicht, das weiß keiner.“

„Ich denke, Ihr Mann hat das beim Zirbler eingezahlt.“

„Hat er ja auch, dann hat er sich aber das mit dem Sparbuch, was der Zirbler ihm erklärt hat, durch den Kopf gehen lassen und hat das Geld wieder abgeholt.“

„Und dann?“

„Ja nichts, und dann! Seitdem ist es verschwunden. Weiß der Geier, wo er damit hingegangen ist. Der Zirbler hat es ihm zurückgegeben, der hat auch eine Quittung dafür, von meinem Mann unterschrieben, mit Datum und Ort und allem.
Ich bin schon auf allen Banken hier gewesen, nirgendwo hat mein Egon was eingezahlt, das Geld ist weg. Wer weiß, vielleicht finde ich es eines Tages irgendwo in seinen Büchern oder er hat es im Garten vergraben, wer weiß schon, was in einem Mann vorgeht, Männer sind so.“

Frau Müske hatte dann die Bestattung ihres Egon voll bezahlt. Zirbler war voller Bedauern, konnte jedoch auch nichts machen, er wußte auch nicht, wo Herr Müske das Geld gelassen haben könnte. Er habe ihn während der Vorsorgeberatung ganz normal darauf hingewiesen, daß es üblich sei, das Geld auf einem bis zum Tod gesperrten Sparbuch einzuzahlen und dieses beim Bestatter zu hinterlegen. Für längerfristige Vorsorgen arbeite er mir einer treuhänderischen Gesellschaft zusammen.
Erst habe Müske aber darauf bestanden, alles in bar zu bezahlen und dann aber seine Meinung geändert und sich das Geld wieder abgeholt.

Seitdem ist der Weg dieses Geldes unbekannt und das Geld verschollen. Alte Menschen sind manchmal sonderbar, wer weiß, was der alte, todsterbenskranke Mann mit den 3.000 Euro gemacht hat. Vielleicht hat er sie in einer Kirche in den Opferstock geworfen, irgendwo versteckt oder ist dummerweise noch zu einem weiteren Bestatter gegangen, der jetzt auf dem Geld sitzt und vom Todesfall gar nichts weiß…

So ähnliche Geschichten habe ich schon oft gehört und beinahe schon hätte ich die Geschichte einfach abgehakt, dann sollte etwas passieren, das die ganze Sache änderte.

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