Geschichten

Bestatterkrimi -V-

Da hatte sich Frau Müske ja ganz schön was zurechtgezimmert. Vielleicht guckte sie zu viele Krimis? Herr Poland schüttelte auch nur den Kopf und man sah es ihm an, daß er der Theorie von Frau Müske keinen Glauben schenkte.

Er hatte für sich eine Erklärung für das verschwundene Geld gefunden. Seine Frau hatte sich das Geld zurückzahlen lassen und wollte es wohl ursprünglich auch auf ein Sparbuch einzahlen. Dann hatte sie das immer weiter hinausgeschoben und das Geld dann Stück für Stück über Jahre hinweg ihren beiden Töchtern zugesteckt.

Die hatten auch bestätigt, daß sie immer mal wieder was von der Mama bekommen hatten und Herrn Poland war es später nicht mehr möglich, genau festzustellen, ob diese Beträge etwa die verschwundene Summe ausmachten oder ob das aus den laufenden Abhebungen beglichen worden sein konnte. „Um das Geld habe ich mich doch nie gekümmert, das hat die Hannelore alles gemacht. Das ganze Zeug mit Kontoauszügen und Rechnungen, das mußte ich nach dem Tod meiner Frau ja erst richtig lernen. Die hat immer alles für mich gemacht, den ganzen Schreibkram und so.“

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„Tja, bei mir war es umgekehrt“, klagte Frau Müske und tippte nochmal mit den Fingern auf die beiden Quittungen: „Das ist doch ein Beweis! Da sind bestimmt auch die Fingerabdrücke von dem Zirbler drauf!“

„Das sind sie ganz gewiss“, gab ich zu bedenken: „Der hat das Ding ja ganz sicher und völlig berechtigt oft genug in den Händen gehabt. Ich verstehe bloß nicht, warum er Ihnen beiden die Originale überlassen hat, normalerweise müsste er die doch behalten und dem Quittungsgeber würde ein Durchschlag oder eine Kopie reichen.“

Das wußten die beiden alten Leute auch nicht, der Zirbler habe sofort die Quittungen gezückt und gesagt, er könne da nichts machen, das Geld sei fort, er habe es zurück gezahlt und dann habe er noch eben Kopien von den Quittungen für sich gemacht und ihnen die Originale ausgehändigt.

„Hm, merkwürdig ist das Ganze schon, aber ich sehe da noch nicht, wie man dem etwas beweisen könnte“, sagte ich und wollte die alten Herrschaften eigentlich mehr nur beruhigen, indem ich noch hinzufügte: „Lassen Sie mich mal in Ruhe darüber nachdenken, wir können uns ja nach dem Wochenende nochmal treffen, vielleicht ist mir ja bis dahin was eingefallen.“

Es war Frau Müske anzusehen, daß sie gemerkt hat, daß ich ihrer Verdächtigung keine große Bedeutung beigemessen habe.
Sie nahm Herrn Poland, die beiden Quittungen und dann gingen sie.

Ganz ehrlich, ich habe schon zu viele solcher Geschichten gehört und in nahezu allen Fällen sind die angeblich verschwundenen hohen Beträge dann doch wieder aufgetaucht oder der Verbleib konnte geklärt werden.
Meistens ist es wirklich so, daß alte Leute ihr Geld verstecken und dann vergessen, wo sie es versteckt haben. Ich möchte nicht wissen, wie viele Sofakissen schon in der Müllverbrennung gelandet sind, in denen sich ganz ansehnliche Beträge befunden haben…
Genauso oft kommt es vor, daß alte Leute ihr Geld verschenken und den Überblick darüber verlieren, wie viel sie an wen verschenkt haben.
Erst neulich habe ich von einem Fall gehört, da hat eine Pflegerin vom Pflegedienst von einer alten Dame insgesamt 12.000 Euro angenommen; manchmal hatte die alte Dame ihr beim Kommen 500 Euro gegeben und beim Weggehen nochmals 300 bis 800 Euro. „Ich habe so viel davon, da gebe ich jetzt jedem ein bißchen was.“

Irgendwann hatte sie insgesamt 49.000 Euro verschenkt und ihre Tochter konnte durch intensive Nachforschungen nur knapp 20.000 davon wieder bekommen.
Es ist nunmal leider so, daß alte Leute manchmal etwas verwirrt sind und bevor das jemand mitbekommt und bevor jemand ein Auge darauf hat, ist oft schon viel passiert.
Manchmal merkt die Familie erst, was mit der Oma los war, wenn die stirbt und dann jemand die Kontoauszüge durchguckt.

Ganz so außergewöhnlich ist das also nicht und deshalb konnte ich mir auch nicht vorstellen, daß Bestatter Zirbler da wirklich irgendwas gedreht haben sollte. Es ist wesentlich bequemer und sicherer, sich als Bestatter einfach auf seine Arbeit zu konzentrieren und eine gute Arbeit abzuliefern. Dann kommen auf lange Sicht die Leute und dann kann man gutes Geld verdienen. Irgendwelche Tricksereien lohnen sich nicht.


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Geschichten

Die Geschichten von Peter Wilhelm sind Erzählungen und Kurzgeschichten aus dem Berufsleben eines Bestatters und den Erlebnissen eines Ehemannes und Vaters.

Die Geschichten haben meist einen wahren Kern, viele sind erzählerisch aufbereitete Tatsachenerzählungen.

Die Namen, Geschlechter und Berufe der erwähnten Personen sind stets verändert.

Lesezeit ca.: 5 Minuten | Tippfehler melden | Peter Wilhelm: © 28. Oktober 2010 | Revision: 14. Juni 2012

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4 Kommentare
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Dark Funeral
14 Jahre zuvor

nun spann uns nicht so auf die foltter

Tom Jerretty
14 Jahre zuvor

Wo ist da das Problem dabei, wenn alte Leute ihr Geld verschenken wollen? Schließlich haben die ja Jahre lang für dieses Geld gearbeitet. Da können sie doch mit ihrem Geld machen was sie wollen. Es sind immer nur die Erben, die Angst haben nichts zu bekommen. Bei der Oma aus Frankreich (Loreal glaub ich wars) ist es doch auch so. Wen kümmerts, wenn ein paar Millionen Euro verschenkt werden, wenn noch jede Menge davon da ist? Wenn eben nix mehr zum Erben da ist, hat man halt Pech gehabt.

Rena
14 Jahre zuvor

Das „Problem“ mit dem Geld oder andere Wertgegenstände verschenken hat gerade die Tochter der L’Oreal-Erbin (Bettincourt oder so). Da geht es um etwas mehr Geld.

Wolfram
14 Jahre zuvor

@3: Richtig, die hat einem Fotografen knapp eine Milliarde Euro zukommen lassen. *gulp*
Allein davon könnte ich eine Stiftung einrichten, die auf ewig die Personalkosten meines Arbeitgebers landesweit tragen würde.. ohne je das Kapital anzugreifen, und mit 10% Steigerung des Personalschlüssels.
Ihre Tochter versucht sie für unmündig zu erklären, aber die Mutter wehrt sich mit Zähnen und Klauen.




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