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China

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

In meiner Kindheit spielte man noch völlig ungeniert Cowboy und Indianer, Räuber und Gendarm oder irgendetwas anderes Martialisches. Spielzeug kam entweder aus Amerika oder aus Hong-Kong. Okay, es gab auch deutsches Spielzeug, aber das war entweder aus Holz, sah scheiße aus oder war so unglaublich teuer, daß nur die Eltern von Elisabeth Ruckhausen ihrer Tochter das kaufen konnten.

Allerdings hat nie jemand mit Elisabeth und ihren pädagogisch wertvollen Spielsachen gespielt. Elisabeth heißt heute immer noch Ruckhausen, ist Rechtsanwältin und ich wage mal die Behauptung, daß in den letzten 40 Jahren immer noch keiner mit ihr gespielt hat.

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Ich schwöre, ich habe trotzdem ich immer „Little Joe“ war (und obwohl ich mittlerweile zum Hoss mutiert bin), niemals auch nur die geringste Lust verspürt, einem Indianer was zu tun und obwohl ich bei Räuber und Gendarm immer die „böse Bande“ angeführt habe, blieben bislang alle Banken und Reisenden von meinen räuberischen Fähigkeiten verschont.
Auch habe ich nie einen Krieg angefangen, obwohl ich als Kind viel mit Panzern und Haubitzen gespielt habe und ich verspürte nie den Drang Amok zu laufen, obwohl wir daheim ein paar Flinten im Korn im Schrank gehabt haben.

Den einzigen Schaden, den ich aus dieser Zeit davongetragen haben mag, ist meine Affinität zu allem was piepst, blinkt und mit Batterien betrieben wird. Denn so richtig tolles Spielzeug erfüllte damals diese Bedingungen und kam… natürlich aus Hong-Kong.

Damals kamen so Zeitschriften wie EMMA und Eltern in Mode. In EMMA erfuhren die Frauen, daß sie in Wirklichkeit der Kapitän der ehelichen Mannschaft sind, weil sie ja die Binde tragen und in Eltern erfuhren Leute die Kinder hatten, vor allem aber auch solche die keine hatten, aber alles besser wissen wollten, daß Kinder doof werden, wenn sie Karl May lesen, daß sie Fingernägel kauen, wenn sie Fernsehen anschauen und daß Kriegsspielzeug aus jedem Kind unweigerlich einen kleinen Adolf macht, wegen Vietnam.
Vielleicht hatte ich zuviel Karl May gelesen, denn mir war der Zusammenhang zwischen Hitler und Vietnam nie so ganz klar und deshalb verzichtete ich als Kind dann auch folgerichtig darauf, ein Nazi zu werden oder in Fernost Kriege anzuzetteln.

Aber manche Eltern warfen damals alles was aus Hong-Kong kam in die Mülltonne und kauften ihren Kindern so pädagogisch wertvollen Scheiß wie zum Beispiel die Motorik-Schleife. Das war ein Grundgestell aus handgelutschtem Schwarzwälder Holz mit verbogenen Drahtstangen obendran, über die die Kinder dann -zur Verbesserung der Motorik- bunte Holzkugeln hin und her schieben durften.
Das wollte zwar kein halbwegs intelligentes Kind machen, aber es war eben pädagogisch wertvoll.

In den Fußgängerzonen standen sogar irgendwelche roten Hilfsgruppen mit Aktionen bereit, bei dem die Kinder ihr Kriegsspielzeug selbst kaputthauen durften, um dann ganz tolle politisch korrekte deutsche Spielsachen dafür zu bekommen.
Ich kenne sogar einen, der hat da mitgemacht, der ist später sogar in ein ganz hohes politisches Amt gewählt worden, weil eben als Kind keiner mit ihm spielen wollte…

Heute ist das anders. Heute mußt du ganz genau gucken, um nicht irgendwas aus Hong-Kong oder China zu bekommen. Das hat sich genau umgedreht. Richtig gute und haltbare Sachen die auch was taugen, die kommen aus Deutschland und dafür zahlst du dann 29 Euro, während du den gleichen Artikel für 1,99 auch aus China bekommen würdest. Du weißt aber ganz genau, daß der China-Krempel nach einer Woche kaputtgeht, weil er aber so billig ist und weil Mario Barth den so klasse findet, kaufen viele diesen Scheiß trotzdem.

Hätte meine Mutter mir früher im Beisein einer Eltern-Mutter irgendwas martialisches aus China gekauft, hätte sie böse Blicke geerntet und es wäre nicht unwahrscheinlich gewesen, daß die Aufgeklärte meiner Mutter noch einen besserwisserischen Spruch mit auf den Weg gegeben hätte. „Kaufen Sie lieber was Anständiges aus Deutschland und nicht so häßliches Zeug aus China.“

Gestern stehe ich mit meinem Sohn in einem Laden, wir suchen einen bestimmten Artikel und mein Sohn entdeckt ein Angebot für 9,99 Euro. Ich habe gleichzeitig einen ähnlichen Artikel für 22 Euro entdeckt. Auf den ersten Blick tun die Dinger dasselbe, sie sind beinahe identisch. Nur kommt der billige Artikel aus China und der teurere aus Deutschland. Ich habe da schon so viele schlechte Erfahrungen gemacht, daß ich zu meinem Sohn sage: „Leg den China-Scheiß mal weg, wir nehmen den hier, der kommt aus Deutschland. Der ist vielleicht auf den ersten Blick teurer, aber ich denke, daß er wesentlich länger hält und deshalb am Ende dann doch günstiger ist.“

Das hört eine junge Mutter, dreht sich abrupt zu mir um, funkelt mich mit zornigen Augen an und meint: „Faschist! Rassist! Ausländerhasser!“
Dann dreht sie sich um, schüttelt ihr langes Haar und zieht ganz offensichtlich zutiefst befriedigt von dannen.

Wie sich die Zeiten doch ändern, oder?

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(©si)