Menschen

Da wackelt das Zäpfchen

Vor hundert Jahren, da waren die Sänger der „Einheit 1870 e.V“ sogar einmal sehr beliebt und sehr bekannt. Der damalige Dirigent dieses Männergesangsvereins hatte es verstanden die Talente zu fördern und man sagt, ihm und dem glasklaren Tenor des Bäckermeisters Werner Weckweg sei es zu verdanken, daß der Chor so gut gewesen sei.

Nun ist dieser Dirigent schon lange den Weg alles Irdischen gegangen und auch der Bäckermeister Werner Weckweg grüßt nur noch von einem Ölbild über dem Kamin seines Urenkels. Natürlich sind die beiden nicht alleine zu Manitu gegangen, sondern mit ihnen verstarb auch der gesamte damalige Chor, nach und nach und zeitversetzt.
Ist ja klar, das ist auch alles schon ganz lange her.

Inzwischen haben mehrere Generationen von tüchtigen Sängern hinter den speckigen Notenbüchern gestanden und vielleicht schon tausende von Malen dem „Alten Kameraden“ was zum Abschied gesungen.
Doch das mit den Generationen ist so eine Sache, denn seit ungefähr 20 Jahren kommt da nichts mehr nach. Generationen gibt es natürlich noch, aber eben keiner von denen will bei der „Einheit“ singen.

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Die wenigen hier am Ort, die Spaß am Gesang haben, die sind in der „Harmonie 1888 Gesangsverein für Männer e.V.“ oder im Kirchenchor. Kurzum, die „Einheit“ ist hoffnungslos überaltert.

Die noch verbliebenen 32 Sänger können schon seit Jahren nicht mehr auch nur annähernd vollzählig zu den Chorproben erscheinen, fast die Hälfte von ihnen ist krank, behindert oder einfach zu alt. So etwa 15 bis 18 Sänger, das ist die höchste Zahl die der Chorleiter Willi Schrammel in besten Zeiten mal begrüßen kann.
Doch diese etwa 16 Leute haben es in sich, es sind dies die Reinkarnationen des legendären Troubardix, jenes schrecklichstimmigen Barden aus den bekannten Asterix-Alben.
Jeder einzelne von ihnen ist eine singende Schrecklichkeit und in der Summe eines Chores können die alten Männer jeder Jungfrau das Hymen zersingen. Viel zu hoch, zu wackelig und ohne sich auf eine gemeinsame Melodie zu einigen, singen die Männer mit Inbrunst und ach zu gerne ihre Lieder.
Man kann es wirklich nicht anhören.
Der einzige noch halbwegs bei Stimme gebliebene Tenor, Alfons Pfuschler (Sparkassenangestellter im Ruhestand), hört sehr schlecht und erahnt seine Einsätze mehr als er dem Dirigenten zu folgen vermag. Im Lied von der holden Marianne sollen die tieferen Stimmlagen das Lied singen und der Tenor fast nur bei dem Namen Marianne mit gerolltem R „rrriannneeee“ singen.

Das führt nun aber dazu, daß der alte Pfuschler an allen möglichen Stellen des Liedes plötzlich aus der Reihe tritt, seine Brust reckt und lauthals „Rrrrrrrriannnneeeee“ kräht, egal ob es nun gerade passt oder nicht.

Nun hat die „Einheit“ zwar nur noch diese drei Hand voll aktive Sänger, die Zahl der passiven Mitglieder, zu denen auch viele der Ehefrauen zählen, ist aber ungleich größer und aus dieser bunten Schar der Passiven da stirbt sich ganz schön was weg.
So kommt es nun, daß auf dem hiesigen Friedhof bald jede Woche irgendjemand zu Grabe gesungen getragen wird, dem die verbliebene Sangeskraft der noch lebenden Chorknaben vergönnt ist.
Die stehen dann da in ihren einheitlichen Anzügen, die ihnen (oder vorherigen Generationen) vor Jahrzehnten vielleicht einmal annähernd gepasst haben, halten sich die speckigen Notenschwarten vor die Nase und singen dem oder der Verstorbenen so ein bis drei zittrig, falsche Lebewohls.

Irgendwann müssen die doch mal ausgestorben sein, oder? Ich kann das nicht mehr hören.
Also wenn ich mal sterbe, dann bitte Stormwitch laut von der CD, ja?

Und zwar das Stück hier, aber so richtig laut!

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(©si)