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Den letzten Abschied gestalten

Mir ist da dieser Tage ein wenig gelesener Artikel im Online-Portal der Gießener-Zeitung aufgefallen.
In diesem Artikel schreibt der Autor Patric Stromberg unter anderem:

„Der aus Köln]] holt die Tote ab, sargt ein, regelt die Behördengänge, textet die Traueranzeige und organisiert die Trauerfeier.
]] nahm er Angehörigen] Carina Kampmann das Heft völlig aus der Hand. Er drängte zur schnellen Auswahl eines Sarges, kleidete ihre Mutter in ein Totenhemd und empfahl, sich den Leichnam nicht noch einmal anzuschauen ] ] Mutter so in Erinnerung zu behalten, wie sie zu Lebzeiten war. Erst Drängen der Angehörigen] ] öffnete der Bestatter in der Leichenhalle kurz vor der Beerdigung noch einmal den Sarg. Ein richtiger Abschied war das nicht. ]
Bestatter und Behörden schreiben vor, wie man mit dem Verlust eines geliebten Menschen umzugehen hat.“

Diese Klage höre ich so oft. Viele Menschen haben das Gefühl, daß man den Abschied anders hätte gestalten können und kommen auch mit der Tatsache nicht zurecht, daß vom Moment des Todes an, alles sozusagen hinter den Kulissen abläuft und doch recht festgelegten Regeln folgt.

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Aber ist das wirklich so? Muß das wirklich so sein?

Die Regeln, die vom Gesetzgeber, von Behörden oder von Friedhofsbetreibern aufgestellt werden, die teils standardisierten Verfahren nach denen Bestatter arbeiten und die Traditionen und Riten, denen die Angehörigen folgen, sind ja nicht von ungefähr. Sie sind ja nicht willkürlich entstanden oder gar eingeführt worden, um Angehörigen den Abschied zu erschweren.

Die Regeln des Gesetzgebers, der Behörden und der Friedhofsbetreiber sind vor dem Hintergrund entstanden, die öffentliche Ordnung zu wahren.
Hier muß man sich einfach einmal vorstellen, daß von Leichen, bei unsachgemäßer Lagerung, nicht rechtzeitiger Bestattung und falscher Beerdigung durchaus auch eine Seuchengefahr ausgehen kann. Man denke einfach an die Gefährdung des Grundwassers, die eintreten könnte, würden die knapp 1 Million Leichen, die jährlich in Deutschland bestattet werden müssen, ohne Sinn und Verstand oder entsprechende Regelungen „wild“ bestattet.

Daß Bestatter nach standardisierten Verfahren arbeiten, ist der Rationalität einerseits und der Transparenz gegenüber den Kunden andererseits geschuldet. Die Umstände des besonderen Aufgabengebietes und die bestehenden Regelungen lassen oft nur einen engen Spielraum, innerhalb dessen der Bestatter seine Arbeit ausführen kann.

Die Traditionen und Riten, die von Angehörigen vollzogen werden, bzw. an denen sie teilhaben, sind oft aus religiösen Vorstellungen heraus entstanden und ergeben sich zum Teil auch wieder als Folge der gesetzlichen Regelungen und des Spielraums den der Bestatter hat.

Im Grunde laufen Bestattungen exakt so ab, wie es die Menschen sich wünschen. Die bestehenden Regeln und Traditionen sind von Menschen für Menschen gemacht. Zwar ändern sich die Bestimmungen und damit auch die Möglichkeiten allmählich, aus Sicht vieler Angehörigen allerdings viel zu langsam. Was die einen als störendes Hemmnis empfinden, ist für die anderen allerdings das Wahren der Traditionen und ein Ruhepol, der das schnelle Aufspringen auf Modetrends und schnelllebigen Firlefanz ausbremst.

Tatsächlich bin ich aber der Meinung, daß Behörden die aufgestellten Regelungen, so wie es Behörden eben tun, zu eng auslegen und zu wenig flexibel auf die Bedürfnisse der Angehörigen reagieren. Als Beispiel möchte ich einfach mal den Wunsch der Hinterbliebenen nach besonders gestalteten Grabstätten nennen. Man verwehrt vielfach den Wunsch nach ausgefallenen Grabsteinen, wiewohl es leicht möglich wäre auf einem besonderen Platz auf den Friedhof ein Sonderfeld für solche Zwecke anzulegen.

Gern wird auch argumentiert, der Bestatter habe den Angehörigen alles aus der Hand genommen und den Angehörigen zu wenig Möglichkeiten geboten, sich an allem zu beteiligen. Ich kann mir gut vorstellen, daß mancher Bestatter tatsächlich nur innerhalb des ihm bleibenden Rahmen arbeitet und versucht, Sterbefälle unauffällig und zügig abzuwickeln.
Besondere Wünsche der Angehörigen werden dann oft als störend empfunden, widersprechen den geltenden Bestimmungen und lassen sich mit den Traditionen nicht in Einklang bringen. Um hier Konflikten aus dem Weg zu gehen, geht mancher Bestatter oft den bequemsten Weg und läßt die Angehörigen außen vor.

Der Normalfall allerdings sieht anders aus und das eben Gesagte gilt nur für einen kleinen Prozentsatz der Bestatter und oft auch nur, weil die Angehörigen sich nicht entsprechend geäußert haben.

Üblicherweise können auch die ausgefallensten Wünsche durch den Bestatter verwirklicht werden oder zumindest von ihm eine Variante vorgeschlagen werden, die einerseits die Vorgaben erfüllt und andererseits die Wünsche der Familie berücksichtigt.

Man muß nur mit dem Bestatter reden. Ich spreche ja mit sehr vielen Bestattern, die sich über das Weblog an mich wenden und ich rate ihnen immer, die Angehörigen immer wieder fast schon gebetsmühlenartig auf die Alternativen und sonstigen Möglichkeiten hinzuweisen.
Das Aufnahmevermögen Trauernder ist eingeschränkt und deshalb bedarf es der besonders intensiven und einfühlsamen Beratung.

Den Angehörigen kann ich gleichfalls immer wieder nur raten: Sagt dem Bestatter was ihr wollt! Hinterher ist hinterher und hinterher ist alles vorbei.

Bitte, man darf bei all diesen Betrachtungen nicht vergessen, daß es zwar einen Trend zu alternativen Bestattungsformen und zu besonders gestalteten Abschiednahmen gibt, dieser Trend aber nur wie die vom Wind gekräuselte Oberfläche eines Gewässers ist. Weiter unten ist das Wasser ruhig. Will sagen, daß sicherlich an die 95% aller Angehörigen die Bestattung genau so abgewickelt haben wollen, wie es die Regelungen, die Arbeit des Bestatters und die Traditionen und Riten ermöglichen.

Gerne gehen insbesondere alternative Bestatter, Anbieter von Sonderdienstleistungen und Verkäufer von besonders gestalteten Bestattungsartikeln hin und erwecken den Eindruck, es gäbe da draußen Heerscharen frustrierter Angehöriger, die in großen Massen von Gesetzen geknebelt und Bestattern gehindert würden. Dieser Eindruck ist wohl eher dem Geschäftsinteresse dieser Leute geschuldet und gibt keineswegs die Stimmung in der Bevölkerung wieder.

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