Geschichten

Der Blonde mit dem irren Blick -10-

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Lizzy Millers Nasenflügel bebten, ihre Brust hob und senkte sich stoßweise, während sie hervorstieß: „Ich bin entrüstet, aber sowas von! Ich könnte platzen vor Entrüstung!“
Heiner Falk, der neben ihr stand und ebenso erregt war, warf einen Stapel Papier vor mit auf den Boden und trampelte mit den Füßen darauf herum. „Ich scheiß auf das alles hier!“ brüllte er.

Und dann war er wieder da, sichtbar da und auch in meinem Bewußtsein wieder da, der irre Blick.

Was war passiert?

Werbung

Frau Oberhammer, eine untersetzte, kleine Frau mit lustigen Grübchen auf den Wangen und einem fast festzementierten Lächeln im Gesicht, hatte sich riesig gefreut, zwei nette, junge Künstler im Rahmen ihres Kulturprogramms präsentieren zu dürfen.
Sofort war sie Feuer und Flamme für das Projekt und ich war froh, daß sie mir das ganze Theater um das Theater abnahm. „Da machen wir was ganz Großes draus, da kümmere ich mich gleich um alles. Ja sicher, das machen wir im Saal vom Dorfkrug, da passen ja fast 150 Leute rein, da kommt auch was in die Kasse.“

Lizzy und Heiner hatten sofort mit weiteren Proben angefangen und entweder rief Lizzy Miller-Hiller mich an oder Herr Falk kam nach Feierabend kurz zu mir hoch und so war ich über den Stand der Vorbereitungen immer auf dem Laufenden.

Nun war der Tag gekommen, an dem Frau Oberhammer bei Frau Büser die Plakate für das bevorstehende Spektakel im Dorfkrug abgeliefert hatte. Frau Büser hätte sie dann Herrn Klöppel gegeben, der für unsere Mittelstandsvereinigung immer die Plakate verteilt und aufhängt, das machte der agile Rentner gerne.
Ich hatte im Vorbeigehen nur einen kurzen Blick auf die Plakate geworfen, sie sahen sehr schön aus.
Ein Sarg war in der Mitte abgebildet, darin eine leicht- und weißgekleidete Frau, deren Gesicht von einem Schleier bedeckt war. Ich hatte mich nur gefragt, ob die etwas stummeligen Beine eventuell Lizzy Hiller gehören konnten.

Und dann war das Künstlerpaar gemeinsam erschienen und hatte sich die Plakate bei Frau Büser abgeholt. Zusammen saßen sie unten in der Halle und bewunderten die schönen Plakate. Bis, ja bis Herr Falk stumm mit dem Finger auf den Text unter dem Bild gedeutet hatte…
Da stand tatsächlich:

Gesang und Spiel: Lizzy Miller und Heiner Falk

Und jetzt sind wir wieder an der Stelle, an der Herr Falk auf den Plakaten herumtrampelte.

„Ja, aber, das ist doch richtig!“ rief ich: „Ihr heißt doch Lizzy Miller und Heiner Falk!“

Ihre spitze Nase schnitt einen Schlitz in die Luft vor meinem Gesicht, so schnell fuhr Lizzys Kopf herum und mit funkelnden Augen raunzte sie mich an: „Ja, mein Name ist ja auch richtig! Ich heiße Lizzy Hiller und mein Künstlername ist Lizzy Miller, das stimmt ja auch auf den Plakaten, aber sonst ist alles falsch!“

„Ja, was soll denn da falsch sein? Das steht Dorfkrug und im Dorfkrug soll es stattfinden, da steht der Tag, da steht das Datum und da steht die Uhrzeit und alles ist korrekt!“

„Nein, nein, nein, nein, nein!“ rief Lizzy und Heiner guckte auch schon so komisch, irgendwie so wie ein neugeborenes Kalb wenn es erfährt, daß es nur eine Kuh werden wird und doch kein Kolibri.

Er schloß die Augen, atmete tief durch und beruhigte sich selbst mit den Worten: „Ruhig, Langer, gaaaanz ruhig!“
Dann wandte er sich wieder mir zu und sagte: „Mein Name ist falsch, wir hatten das dieser blöden Kuh vom Kulturverein dreimal gesagt und sogar noch auf ’nen Zettel geschrieben, daß mein Künstlername Hinnerk von der Grube sein soll.“

„Was?“ entfuhr es mir.

„Ja genau, Hinnerk von der Grube!“

„Ist ja das Erste was ich höre! Davon war nie die Rede!“

Lizzy mischte sich ein: „Ja, hier habe ich es noch nicht erwähnt, aber die Frau Oberhammer, die wußte es!“

„Und warum braucht ein Herr Heiner Falk jetzt auch noch einen Künstlernamen? Ich meine, bei Hiller, Hitler und so, da verstehe ich das ja noch, aber Falk? Woran soll denn Falk erinnern, an den Falk der innerdeutschen Grenze, an den Falklandkrieg oder was?“

Ihr spitze Nase durchbohrte mich fast, ihre Augen taten es ganz, als sie mich anfauchte: „Erstens geht es bei meinem Künstlernamen nicht um Adolf Hitler, das war nur der Grund, warum meine Vorfahren nicht mehr Mittler heißen wollten. Ich will nicht als Lizzy Hiller aufs Plakat, sondern als Lizzy Miller, weil mein Dienstherr nicht unbedingt wissen muß, daß ich noch auftrete.“

Gequält sagte ich: „Aber da steht doch auch Lizzy Miller!“

„Ja, aber nicht Hinnerk von der Grube!“

„Warum muß der denn jetzt auch noch anders heißen?“

„Wegen seiner Frau!“

„Aber das sind Sie doch!“

„Nein!“ riefen beide wie aus einem Mund und genau da erinnerte ich mich daran, daß Heiner Falk ja irgendwie auch noch mit einer anderen Frau zusammenlebte…

„Au weia!“ entfuhr es mir: „Ist das denn so wichtig?“

„Ja!“ riefen beide wieder unisono.

„Ach du meine Güte, dann geht halt hin zur Frau Oberhammer und klärt das!“

„Nix!“ rief Lizzy: „Wir sind Künstler. Wenn man so unsere Füße mit Kunst tritt… äh, unsere Kunst mit Füßen tritt, dann haben die uns eben nicht verdient!“

„Genau“, stieß Heiner in das selbe Horn: „Dann treten wir nicht auf. Basta!“

Noch einmal stampfte er mit einem Fuß auf die am Boden liegenden Plakate und dann stapften die zwei beleidigten Leberwürste davon.

„Arschlöcher!“ entfuhr es mir leise.

Ein Anruf bei Frau Oberhammer genügte. „Ach nee, das kann ja nicht wahr sein!“ war alles was sie an Aufregung aufzubieten hatte. „Das ist aber kein Problem, der Herr Pätzold von der Druckerei Gnaggert und Söhne, der macht uns die Plakate immer kostenlos, der kann das bestimmt noch neu drucken, das ist ja erst in zwei Wochen. Wahrscheinlich kann ich Ihnen morgen am Nachmittag schon die berichtigten Plakate bringen und dann kann der Herr Klöppel die rumbringen und aushängen. Is‘ ja ärgerlich, aber was soll’s. Hab‘ ich ja schließlich verdummbeutelt, die haben mir wirklich was vom Hinnerk von der Grube erzählt. Aber die sind auch schwierig die zwei.“

Das war’s. Problem aus der Welt.

Problem aus der Welt?

Nix da! Das ging erst richtig los, das Theater um das Theater!

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Lesezeit ca.: 8 Minuten | Tippfehler melden


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)




Rechtliches


IMPRESSUM   |   DATENSCHUTZ    |    COOKIE-RICHTLINIE (EU)    |   KONTAKT    |   BARRIEREFREIHEIT    |   NUTZUNGSBEDINGUNGEN    |   GENDER-HINWEIS

Über uns


Bestatterweblog Peter Wilhelm bietet die besten Informationen zum Thema. Fachinformationen, fair und transparent. Die Seite dient zur allgemeinen Information und zur Unterhaltung für Menschen, die sich für das Themengebiet dieser Seite interessieren. Die Seite wendet sich vornehmlich an Erwachsene, enthält aber keine für Kinder und Jugendliche ungeeigneten Inhalte. Wir geben ausschließlich unsere persönliche und unabhängige Meinung wieder. Die Autoren sind teilweise selbst betroffen und seit Jahren mit der Materie befasst.


WICHTIGE HINWEISE: Texte der Seite Bestatterweblog Peter Wilhelm ersetzen keine Beratung oder Behandlung durch Ärzte, Diabetologen, Hörakustiker, Rechtsanwälte, Steuerberater, Handwerksmeister und Fachpersonal. Sie dienen nicht dazu, eigene Diagnosen zu stellen, Behandlungen zu beginnen oder abzubrechen oder Medikamente einzunehmen oder abzusetzen. Anleitungen (Tipps & Tricks, Ratgeber) sind veranschaulichende Unterhaltung. Beachten Sie die einschlägigen Vorschriften! Fummeln Sie nicht Gas-, Strom- oder Telefonleitungen herum. Fragen Sie einen Experten! Wir übernehmen keine Haftung oder Verantwortung für möglichen Missbrauch oder Schäden, die tatsächlich oder angeblich, direkt oder indirekt durch die Informationen dieser Webseite verursacht werden. Wir übernehmen keine Garantie, dass Tipp & Tricks auch funktionieren und von Ihnen umgesetzt werden können. Kunden- und Patientengeschichten sind verfremdet und dramaturgisch aufbereitet. Sie erzählen individuell erlebte Erfahrungen, die bei jedem anders sind und abweichen können.


KEIN VERKAUF / KEINE FORSCHUNG UND LEHRE: Bestatterweblog Peter Wilhelm verkauft keine Produkte. Wir sind keine Ärzte, Hörakustiker, Rechtsanwälte, Steuerberater oder Apotheker. Wir betreiben keine Forschung und Lehre. Wir informieren ausschließlich im Rahmen der persönlichen Meinungsäußerung des jeweiligen Autors.