Geschichten

Der Blonde mit dem irren Blick -20-

Da hatte Heiner also von der Raststätte Pflockenwiel angerufen und mir abermals die geplante Veranstaltung vor die Füße geworfen, weil er meinte, für die aus meinem Material, während der von mir bezahlten Arbeitszeit gefertigten Miniatursärge, auch noch Geld verlangen zu dürfen.
Jeder normale Arbeitgeber hätte ihm in den Hintern getreten, aber ich war zu diesem Zeitpunkt nicht mehr normal. Irgendwie war mir alles egal geworden, Hauptsache die Lesung im Sauerland würde ordentlich über die Bühne gehen.

Auf der Fahrt dorthin unterhielten die Allerliebste und ich uns über die vergangenen Wochen und Monate.
Wir ließen die Ereignisse Revue passieren und allmählich war es mehr die Allerliebste, die mir deutlich machte, wie die beiden Künstler mich ausnutzten.

„Wer hat denn der Frau Oberhammer, das restliche Geld gegeben, damit die Veranstaltung im Krug nicht als Pleite endet? Das warst doch Du! Die Gage der Künstler und die Kosten für den Techniker waren dann am Ende ja doch teurer als das was durch die Eintrittskarten hereingekommen war.
Wer hat denn das Material für die Schlüsselanhänger bezahlt? Wer hat denen denn die Kamera geschenkt?
Das warst doch Du! Du hast nächtelang gesessen und den Film aus sehr schlechtem Material zusammengeschnitten. Fitzelchen für Fitzelchen hast Du aneinandergeschnitten, nachvertont, mit Geräuschen unterlegt und die Musik ausgewählt. Du hast ja selbst noch in der Nacht am Keyboard gesessen und Sequenzen eingespielt, damit die Musik paßte.
Von Dir stammen die Geschichten, die die beiden spielen und vorlesen.
Nur habe ich merkwürdigerweise Deinen Namen nirgendwo gelesen. Immer nur Lizzy Miller und Hinnerk van der Grube“, schimpfte meine Frau. „Die sind einfach undankbar, weißt Du das?“

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Ich redete mir ein, so seien Künstler eben und wir verstünden nicht genug von der Boheme und seien eben zu konservativ. „Die sind halt 20 Jahre jünger“, sagte ich und merkte aber in Wirklichkeit schon, daß ich mehr nach Erklärungen rang, denn dass ich welche geben konnte.

„Lass die mal“, sagte ich“, „die sitzen schon beim Wirt im Sauerland in der ‚Schwarzen Mühle‘ und proben ihren Auftritt. Die müssen sich einsingen, die Lautsprecheranlage ausprobieren und ihre Requisiten aufbauen. Die sind bestimmt nervös und haben Lampenfieber. Deshalb haben die am Telefon wegen der Minisärge so reagiert. Da gehen manchmal mit denen die Pferde durch.“

Wir fuhren schon eine ganze Weile und kamen auch an dem Schild vorbei, das anzeigte, dass die Raststätte Pflockenwiel noch 5 Kilometer entfernt war.
Ich hatte nicht vor, dort anzuhalten.

Doch es kam anders!

Etwa 200 Meter bevor die Abbiegespur zur Raststätte begann, stand Heiner auf dem Standstreifen und hielt Ausschau nach uns. Als er meinen Wagen entdeckte, begann er zu winken, wir sollten rechts raus fahren.

Das tat ich auch, was gar nicht so einfach war, denn ich mußte ziemlich stark abbremsen. Schließlich standen wir aber auf dem Parkplatz und Heiner kam hinterher gelaufen.
Von Rennen hatte er einen hochroten Kopf. Dachte ich. War aber nicht so.

Den roten Kopf behielt er auch, nachdem er wieder ordentlich Luft bekam und sein Puls sich beruhigt hatte.
„So, jetzt, aber jetzt wirklich!“ schnaufte er und Lizzy stand, an ihren Wagen gelehnt da, funkelte uns aus zusammengekniffenen Augen an und spitzte die Lippen.

„Was jetzt?“ fragte ich.

„Die Kohle für die Särge! Die krieg ich jetzt, sonst wird das nix mit dem Auftritt!“

Im selben Moment ging mein Handy, ich meldete mich. Es war der Wirt von der Schwarzen Mühle, der völlig aufgebracht war, weil die Künstler noch nicht da waren und der mir ebenfalls die Veranstaltung vor die Füße warf.

Am Liebsten hätte ich geheult!

Doch die Allerliebste baute sich zwischen Heiner und Lizzy auf, ihr Kopf flog von dem einen zu der anderen, während sie, mit ihrem zarten Stimmchen, das Eisen schneiden kann, die beiden anfuhr: „So, und jetzt sage ich euch mal was! Ihr setzt Euch jetzt in eure verschissene Karre und bewegt eure Ärsche sofort in die Schwarze Mühle! Da macht ihr einen Superauftritt und ich will kein Nörgeln, Jammern oder sonst irgendwas hören. Was glaubt ihr denn eigentlich, wer ihr seid? Was fällt euch eigentlich ein, euch so zu benehmen wie eine Operndiva? Wobei ich bezweifle, dass es irgendwo auf der Welt Künstler gibt, die sich so verhalten, wie ihr! Vielleicht gibt es Künstler die noch schwieriger sind, die können dann aber auch was! Die können mit ihrer überragenden Leistung und ihren unvergleichlichen Können ziemlich hoch pokern. Aber ihr? Ihr seid zwei junge Leute, die in ganz kleinem Rahmen auftreten und dabei legt ihr ein Verhalten an den Tag, das man nur als unverschämt und anmaßend bezeichnen kann.
Also ab in die Karre, Füsschen schön aufs Gaspedal und wehe, ihr macht noch mehr Theater!“

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