Geschichten

Der Blonde mit dem irren Blick -28-

Hammer! Ich war schockiert! Da warfen mir die beiden Künstler also in einem genialen Abschieds-Rundumschlag nicht nur die mal gewesenen und eventuell noch kommenden gemeinsamen Projekte vor die Füße, sondern sie nahmen mir auch noch den Film weg, der mir doch so am Herzen gelegen hatte. Daß das ein Abschieds-Rundumschlag war, das lag auf der Hand. Auch wenn ich manchmal ein gutmütiger Trottel sein mag, das ging selbst mir alles zu weit; in der Summe und jetzt im letzten Detail.

Darauf konnte nur ein Abschied folgen eine sofortige Amputation des kranken Gewebes, ein Ausschaben des gemeinen Elends aus meinem Mikrokosmos.

Strafrechtliche Verfolgung? Die Allerliebste tobte: „Ich fahr da hin! Denen poliere ich persönlich die Fresse! Was meinen die denn wer sie sind? Ohne Dich hätten die in diesem Projekt nicht einen einzigen Schnitt gemacht. Hier uns die dicken Freunde vormachen, einen auf Vadda machen, sich einschleimen und einschmeicheln! Was bilden die sich eigentlich ein. Sowas macht mich ja wirklich rasend. Die werden mich kennen lernen, denen werde ich Bescheid stoßen! Das gibt’s doch alles gar nicht. Diese Hörsmis sind ja wohl das Hundsfotzendletzte, was es gibt. – Reg Dich bloß nicht auf!“

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Ich regte mich aber auf. Im übrigen bleibt anzumerken, daß die Allerliebste den ganzen vorstehenden Sermon in ihrem Haschu-Muschu-Kannschu-Dialekt vorgetragen hat, den ich nach nunmehr 30 Jahren ohne weiteres verstehe und auch leidlich sprechen kann, wenn ich mag, der aber hin und wieder der erläuternden Erklärung bedarf; vor allem dann, wenn er auf Hochdeutsch sprechende Menschen prallt. Hörsmis ist ein selbsterfundenes Synonym für „den Typen = der Hörsmi“ oder „diese Leute = die Hörsmis“. Woher das stammt? Kää Ahnunk!

Mehrere Leute meinten, ich müsste nun einen Anwalt einschalten oder sonstwie irgendetwas Juristisches unternehmen. Bloß was? Ist das im strafrechtlichen Sinne eine Erpressung, wenn man jemandem damit droht, die Wahrheit ans Licht zu bringen?
Ich wußte es nicht und es war mir auch egal.

Einmal mehr habe ich Menschen einfach abgehakt, verschoben von der Liebesliste auf die Arschlochliste, und da wieder runter zu kommen, von meiner inneren, persönlichen und ganz geheimen Arschlochliste, nein, das ist gar nicht so schwer, weil ich mir eigentlich immer selbst noch Hintertürchen einbaue. Ich schließe dann abergläubisch mit mir selbst Wetten ab. Wenn die sich jetzt telefonisch oder persönlich melden, dachte ich, dann können wir ja über alles reden und vielleicht läßt sich dann alles gerade biegen.
Aber sie meldeten sich nicht mehr, ich tat es auch nicht und so blieben sie da, wo sie waren, auf der A-Liste.

„Du guck mal!“ unterbrach die Allerliebste ein paar Tage später diese meine Gedankengänge. „Ich habe die Mail von denen nochmal durchgelesen. Da steht ja ganz was anderes, als Du erzählt hast!“

„Wieso das denn?“

„Hast Du die bis ganz zu Ende gelesen?“

„Meinst Du, ich bin blöd?“

„Hast Du auch das unten drunter gelesen?“

„Wo unten drunter?“

„Unter dem komischen Vogel den Lizzy immer unter ihre Mails macht.“

„Das ist kein komischer Vogel, sondern das soll ein Herz sein, in dem Lizzy Miller steht. Das wird bloß in meinem Mailprogramm immer so zusammengestaucht.“

„Und hast Du das jetzt gelesen oder nicht? Ich meine das was unter dem Vogel oder dem Herz, also diesem Gekrakel da steht?“

„Nee, hab ich nicht, ich scrolle nie weiter runter.“

„Dann lies mal!“

Ich nahm den Laptop von der Allerliebsten entgegen, tat mich mit dem komischen Gummiprömpel in der Mitte der IBM-Tastatur schwer und scrollte runter. Und tatsächlich, da standen noch ein paar Zeilen:

„P.S. Die Särge kannst du dir an den Hut stecken, die sind sowieso in deiner Werkstatt entstanden, sagt der Heiner, aber er will die Kohle für die Autoüberführung. Aber zackig! Das war versprochen, das steht ihm zu!“

Ich schloß die Augen.

„Und? Was ist das mit dem Auto?“ fragte die Allerliebste.

„Ach Gott, du meine Güte, da habe ich gar nicht mehr dran gedacht. Das ist doch schon ein paar Wochen her. Der Pontiac!“

„Das schwarze Schlachtschiff? Der alte Leichenwagen?“

„Das war kein Leichenwagen, das war ein schwarzer 1984er Pontiac Station-Waggon, ein Kombi, der sah nur aus wie ein Leichenwagen. Geiles Teil, 5 Liter V8 Maschine, der Hammer!“

„Aber den hast Du doch sofort wieder verkauft.“

„Ja, erinnere mich nicht daran, das war auch so ein Theater, das hatte ich total ausgeblendet. Ich hatte den Heiner gefragt, ob er mit das Teil aus München holen kann, wo ich den ersteigert habe. Dann habe ich ihm Kohle gegeben, für Sprit, die Bahnfahrt und natürlich den Kaufpreis.“

„Und was will der jetzt noch von Dir?“

„Na ja, er ist dann eben nicht alleine da hin gefahren, um den Wagen zu holen, sondern hat Lizzy mitgenommen. Das hat natürlich dann mehr gekostet, ist ja klar. Aber das habe ich als sein Privatvergnügen abgehakt. 200 Euro sollte der für die Mühe kriegen, daß er da hinfährt und mir den V8 unbeschadet hier her bringt. Wenn er dann aber noch jemanden mitnimmt, dann tut er das auf seine Kosten. Wenn dann von den 200 Euro fast nichts übrig ist, ist das sein Problem.
Außerdem hat er zwar den Wagen mitgebracht, aber den Fahrzeugbrief da liegen lassen, sodaß ich den Wagen gar nicht zulassen konnte.“

„Und warum hast du den Wagen nicht behalten?“

„Ach, der war schon geil, ich hätte den gerne behalten, aber der war von der Substanz doch eher was für einen Schrauber und das bin ich eben nicht. Ich habe ihn nicht gerne abgegeben, aber an der Karre hätte man noch zwei Jahre selbst schrauben müssen oder auf einen Schlag 10.000 Euro reinstecken müssen. Nee, besser so, gleich wieder verkaufen, keinen Verlust machen und gut.“

„Auch wieder wahr!“

„Und wofür genau will der Heiner jetzt 200 Euro?“

„Das ist gehopst wie gesprungen. Ob er die für die Särge will oder für die private Bahnfahrt seiner Lizzy, das ist mir egal.“

„Nee, die soll er auf keinen Fall kriegen!“ beschloss die Allerliebste.

„Ich zahl‘ dem das und Ruhe ist!“

„Wehe!“

„Doch! Ich lasse mir doch nicht nachsagen, ich bliebe dem was schuldig.“

„Du hast so viel für die gemacht und die haben dir immer vor den Koffer geschissen; und da willst du denen jetzt noch was bezahlen, obendrein, für ihre Frechheit und Gemeinheit! Nix kriegen die!“

„Die werden das in ihrer eingeschränkten Sichtweise ganz anders sehen und ganz anders erzählen. Ich höre sie förmlich herumflennen, wie gemein die böse Welt der Unprofessionellen da draußen ist und wie sehr sie doch mißverstanden werden. Sie und ihre große Kunst werden von mir mit Füßen getreten, von mir, von dem Wirt, vom Hotelier, von jedem…“

„Die gehören doch in die Klappsmühle!“

„Ach, wenn man alle, die nicht so ticken, wie es ihr Umfeld für normal hält, in die Klappsmühle müßten, wäre die Welt da draußen leer. Freiheit ist immer zu allererst die Freiheit des anderen! Vergiss das bitte nicht! Die haben ein Recht darauf so zu sein, wie sie sind. Auch wenn wir das Scheiße finden.“

„Du sagst doch immer, daß es Dir egal ist, ob sich jemand eine Frikadelle ans Bein nagelt, Hauptsache, er verlangt nicht, daß Du das auch machst, und es kostet nicht Dein Geld.“

„Stimmt, so ähnlich sage ich das immer.“

„Ja, aber jetzt soll es doch Dein Geld kosten.“

„Da hast Du Recht, aber ich sehe das noch anders.“

„Wie kann man das anders sehen?“

„Sieh mal, ich überweise denen jetzt 200 Euro und kann für immer, for ever, in aeternum sagen, daß ich den Schwachmaten nichts, aber auch gar nichts schuldig geblieben bin. Ja, ich darf sogar das Gefühl haben, daß die mich bis zum Allerletzten ausgenutzt haben und auch nicht ein winziges, atomares Zipfelchen einer Verbindlichkeit denen gegenüber auf mir ruht.“

„Ich würd‘ denen nix bezahlen, niemals!“

Ich mußte nur noch eine TAN eingeben und die Überweisung war raus. Erledigt! Begraben! Weg!

Schlußstrich!

Wirklich?

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(©si)