Mitarbeiter/Firma

Der Erlwaller

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

Ich finde ja gar nicht, daß der so aussieht; ich weiß noch nicht einmal, wer das ist. Auf jeden Fall ist der junge Mann heute bei uns in der Zeitung abgebildet. Er hat eine Nase im Gesicht, Augen, Ohren, also alles was man für gewöhnlich so braucht, um sich vom -sagen wir mal- Bakterium zu unterscheiden.
Wer das ist? Keine Ahnung, es spielt auch keine Rolle, jedenfalls ist es ein Mann und Antonia findet, daß der aussieht wie der Radsportler Jan Ullrich.

„Och“, hätte sie sagen können, „der sieht ja aus wie Jan Ullrich.“ Dann hätten wir gewußt, an wen sie dieses Foto erinnert.

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Das wäre mal ’ne Aussage gewesen, die man hätte hinnehmen oder mit einem abschätzig heruntergezogenen Mundwinkel hätte ablehnen können. Je nachdem.

Aber jetzt stehen da morgens alle beieinander, die Fahrer, die Büromannschaft, Teile meiner Familie und Antonia beißt ein klitzekleines Stück von einem Salzbrezel ab, kaut gedankenverloren darauf herum und meint dann:

„Guckt mal, der sieht doch aus, wie der, der immer als Jan Ullrich bei der Rallye Tour de France für die Post Tennis gespielt hat, oder?“

Stimmengewirr, jeder weiß was, jeder kann was verbessern, jeder weiß mehr als der andere und der schon längst in verdiente Vergessenheit geratene Rennradler feiert bei uns fröhliche Urständ; nur eine hat sich —nachdem sie dieses Kleinod an Tumbheit abgesondert hat— kauend in ihr Büro zurückgezogen und liest den Wirtschaftsteil der Zeitung. Den Wirtschaftsteil!

„Chehefff? Sie kennen sich doch bei Wirtschaften so gut aus, kann ich Sie mal was fragen?“

Doch der Chef ist urplötzlich auf allen Ohren taub, sämtliche für die Sinnesbefüllung geeigneten Körperöffnungen verschließen sich wie beim geheimnisvollen Erlwaller aus dem Blautopf und er ist in seinem Büro verschwunden.

Nein, Antonia ist nicht doof. Sie lebt nur irgendwie auf einem anderen Planeten.

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(©si)