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Der hat noch eine Stunde lang geklopft

Manchmal kommt man in Zwickmühlen, in denen möchte man am Liebsten gar nicht sein. Aber in welcher Zwickmühle möchte man schon gerne sein?

Eigentlich ein ganz normaler Fall. Ein älterer Herr, der bei seiner Tochter und deren Sohn im Haus wohnte, ist die Treppe hinuntergefallen und ist verstorben. Ich kannte den Mann vom Sehen. Der hatte so ein dreirädriges Fahrrad, mit dem er ziemlich ungelenk manchmal durch den Stadtteil fuhr. Irgendwie war er wohl behindert. Und um es genauer zu sagen: Im Grunde wohnte seine Tochter mit ihrem Sohn bei ihm in seinem Haus.

Nach dem Treppensturz hat die Tochter sofort den Arzt gerufen, der wiederum hat die Polizei verständigt und die beiden Beamten vom Kriminaldauerdienst haben nichts Ungewöhnliches festgestellt. Der Alte sei gegen 10 Uhr vormittags aufgewacht und habe nicht wie gewohnt seine Tochter gerufen, sondern versucht alleine die steile Treppe zu bewältigen. Dabei sei er wohl wegen seiner Gehbehinderung ins Straucheln gekommen und die Treppen hinuntergestürzt.

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Wir durften den Verstorbenen überführen, am Montag gibt es dann die endgültige Freigabe und er kann normal bestattet werden. So traurig der Fall im wahrsten Sinne des Wortes ist, so normal ist er bis dahin für uns. Sowas passiert eben.

Die Tochter kam dann eine Stunde später zu uns ins Büro. Ich muss zugeben, sie war mir nicht sehr sympathisch. Sie schnitt mir unentwegt das Wort ab, kannte alles, wusste alles und vieles sogar besser… Naja, so kamen wir wenigstens schnell zu einem Ergebnis.

Kaum war sie weg, kam eine „Schüttlerin“. Eine Schüttlerin, das ist in unserem internen Deutsch eine Frau, die unter irgendeinem Vorwand beim Bestatter auftaucht und ihn so lange schüttelt, bis sie irgendetwas über den aktuellsten Sterbefall erfahren hat, was sie dann im „Dorf“ herumerzählen kann. Schüttlerinnen gibt es auch auf Friedhöfen usw.

Diese Schüttlerin war aber interessant. Denn als Nachbarin, so gab sie vor, wolle sie sich nur erkundigen, wann denn die Beerdigung sei, weil sie doch selbst einen Kranz kaufen wolle. Schütteln lasse ich mich ja nicht, aber sie erzählte mir dann stattdessen, was sie alles weiß.

Und da wurde es dann interessant. Jaja, sie habe ja gehört, wie der Alte um kurz nach Neun die Treppe hinuntergefallen sei, die Wände sind ja so dünn und man hört ja fast jedes Wort. Noch fast eine Stunde habe der geklopft und gerufen, dann sei Ruhe gewesen, der arme Mann!

Tja und ich bin jetzt wieder in der Zwickmühle. Soll ich ihren Worten Glauben schenken? Hat sie die Sache bloß etwas „aufgepeppt“, um eine spannende Geschichte herumtratschen zu können?
Morgen kommen ja sowieso noch einmal die zuständigen Beamten, heute war ja nur der Dauerdienst da. Vielleicht sollte ich die einfach mal bitten „routinemäßig“ die Nachbarin zu befragen. Ich denke, genauso mache ich es.

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Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

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