Geschichten

Der Lange

Wie wird der Mund einer Leiche verschlossen?

„Der Lange“ war früher mal Polizist gewesen, ist dann vor vielen Jahren aus dem Dienst ausgeschieden und hat seitdem als Wachmann gearbeitet. Der Beruf des Polizisten hat ihn fertiggemacht, seine Ehe zerstört und den weiteren Verlauf seines Lebens eher ungünstig beeinflusst. Seit zwei Jahren war er arbeitslos.

Zu seiner Ex-Frau und seinen beiden Söhnen hatte der Lange schon seit über 15 Jahren keinerlei Kontakt mehr, seine Familie war die kleine Stammtischrunde im überdachten Außenbereich von „Theklas Kiosk“.
Die Menschen dort, die ihr Leben durch Spielautomaten, Bier, Fußballzeitungen, der BILD und Lotto definieren, waren wirklich nicht nur gute Freunde, sondern tatsächlich so etwas wie seine Familie geworden.

Werbung

Der Lange verbrachte jede freie Minute dort am Kiosk und man kannte ihn eigentlich nicht anders, als mit der zusammengefalteten Bildzeitung in der Jackentasche und einer Bierflasche in der einen und einer Kippe in der anderen Hand.

Der Mann wurde „der Lange“ genannt, weil er gut zwei Meter groß war und überdies auch sicherlich drei Zentner auf die Waage gebracht hatte. Doch das änderte sich vor etwa einem Jahr, da nahm der Lange ab und führte das auf die Tatsache zurück, daß er neuerdings den kleinen Hund seiner altersschwachen Nachbarin ausführte.

Bald 80 Kilo habe der Mann binnen weniger Monate abgenommen und es wurde allenthalben über den „halben Langen“ gescherzt. Er selbst nahm das auch mit Humor, freute sich, daß er die überflüssigen Pfunde so bequem verloren hatte.

Doch wer ein bißchen nachdenken kann, der kommt schnell darauf, daß man nicht eben mal so 80 Kilo verliert und das meinte auch der Arzt des Langen. Bei der anschließenden ausführlichen Untersuchung kam dann heraus, daß der Lange an Krebs litt und zwar an einer besonders häßlichen Form, die so ziemlich alles im Körper besiedelt.
Sofort bestrahlen, Chemotherapie…, der Lange kam zunächst aus dem Krankenhaus gar nicht mehr heraus und trotzdem man ihm dort versicherte, daß dieser Krebs nicht heilbar sei, konnte man ihm doch Aussicht auf drei bis fünf gute Jahre machen.

Ist das wirklich eine Perspektive?

Keine Ahnung, der Lange jedenfalls sah das nicht so und hat sich am Sonntag vor drei Wochen in seinem Wohnzimmer mit einer Pistole in den Kopf geschossen.

Hashtags:

Ich habe zur besseren Orientierung noch einmal die wichtigsten Schlagwörter (Hashtags) dieses Artikels zusammengestellt:

Keine Schlagwörter vorhanden

Lesezeit ca.: 3 Minuten | Tippfehler melden | Revision:


Hilfeaufruf vom Bestatterweblog

Das Bestatterweblog leistet wertvolle Arbeit und bietet gute Unterhaltung. Heute bitte ich um Deine Hilfe. Die Kosten für das Blog betragen 2025 voraussichtlich 21.840 €. Das Blog ist frei von Google- oder Amazon-Werbung. Bitte beschenke mich doch mit einer Spende, damit das Bestatterweblog auch weiterhin kosten- und werbefrei bleiben kann. Vielen Dank!




Lesen Sie doch auch:


(©si)