Bei einer Radreise an der Mosel ging mein Fahrradsattel kaputt und im Dorf sagte man mir, der „Hein“ der habe alles. Also haben wir den Hein aus seinem Mittagsschlaf gerüttelt und der alte Hein kramte in seiner noch älteren Werkstatt nach einem passenden Sattel. Da erblickte ich in der Ecke der Werkstatt eine eingemauerte Grabplatte: „Hier ruht Vater oder Opa von den Hein“ oder so ähnlich.
Ist das eigentlich normal, jemanden in der Werkstatt zu bestatten? Oder wenn ja, bis wann war das so?
Ich könnte jetzt anfangen, über abgelegene Seitentäler der Mosel und den eingeschränkten Genpool der dortigen Bewohner und damit verbundene seltsame Sitten zu lästern, das wäre spaßig, aber auch despektierlich.
Nein, es gibt und gab keine Regelung, die es ohne weiteres ermöglicht hätte, den Vater oder Großvater des Werkstattbesitzers dort zu bestatten. Wenn der Hein angenommene 70 Jahre alt ist, wurde er 1942 geboren. Sein Vater wäre also irgendwann zwischen 1942 und 2012 verstorben. Selbst wenn es sich um den Großvater gehandelt hat, wäre der schlimmstenfalls schon 1922 verstorben. Aber egal wie man das rechnet, man kommt immer in einer Zeit aus, in der in Deutschland schon vorgeschriebenermaßen auf Friedhöfen bestattet wurde.
Entsprechende Verordnungen fußen alle auf dem Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1806 und selbst davor war die Bestattung auf einem Friedhof obligatorisch.
Ausnahmen gab es schon immer für den Adel, Religionsgemeinschaften, Klöster, hohe Geistliche und Prominente.
Auch heute noch unterhalten Familien eigene Begräbnisstätten, für die sie besondere Genehmigungen haben.
Aber das sind ganz seltene Ausnahmefälle.
Zu diesen Ausnahmefällen wir ein Werkstatt-Hein-Opa von der Mosel kaum gehören.
Es ist möglich, daß es sich bei der Platte im Mauerwerk um den Grabstein von einem abgelaufenen Grab handelt, die der Hein an sich genommen hat, weil sie zum Wegwerfen zu schade war und weil er damit eine besondere Erinnerung verbindet und sie deshalb an der früheren Wirkungsstätte des Opas oder Vaters eingemauert hat. So nach dem Motto: „Hier hat der Opa den größten Teil seines Lebens verbracht und er war immer gerne hier, also soll hier auch sein Gedenkstein sein.“
Eine andere Erklärung habe ich nicht.
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Grabsteine? Stehen 3 Stück im Schuppen meines (lebendigen) Onkels. Auch 3 Holzkreuze., Sind alle von der verstorbenen Verwandtschaft deren Gräber „abgelaufen“ sind.
Vielleicht kann man sie ja in schlechten Zeiten nochmal verwenden…
Möglicherweise ist Heins Opa auch in seiner geliebten Werkstatt verstorben, und es war dem Enkel von Opa Hein arg, ihn woanders als ebendort zu bestatten. Auch wenn man mit dem physischen Körper an das Gesetz gebunden war, ist die Seele hier und nirgendwo anders, so nach dem Motto.
Wenn schon 1942 ins Spiel kommt, wäre es auch möglich, dass Opa Hein sich geweigert hat, die Werkstatt mit einem Luftschutzbunker zu tauschen, was ich aber bei einem „Dorf an der Mosel“ nicht wirklich glaube.
Vielleicht ist der Stein ja eingemauert in die Wand, unter der der Sessel von „Hein seinem Opa“ immer stand, wenn der in der Werkstatt sein Nickerchen hielt. Und damit der unter dem Krimskram nicht verloren ging und Abends wieder mal eingeschlossen wurde, hat eine vorsorgliche Verwandte den Stein zur Erinnerung und Ermahnung da anbringen lassen, so nach dem Motto: „Nich‘ vergessen, der Oppa pennt hier noch!“
Unnützer Kommentar Nummer 87: Wenn der Hein 1942 geboren wurde, kann sein Vater auch bereits 1941 verstorben sein. 🙂
Und sein Großvater bis zu 70 Jahre vorher, vielleicht sogar noch mehr – angeblich waren die Altvorderen ja potenter…
Und der Hein, um dessen Opa es geht, muß auch nicht unbedingt der Hein sein, der heute noch lebt — gut möglich, daß Vater, Großvater etc. sowieso alle denselben Namen tragen. Wobei die Verwendung des Wortes „Opa“ möglicherweise doch naheliegt, daß die Platte doch noch nicht so alt ist …
Ich ruhe auch hin und wieder. Darf ich das auf dem Sofa?
Auch über das Sofa kann man ein Schild hängen: Hier ruht Abbo.
irgendwie muss ich bei dem schild immer an gevatter hein denken *g*
Hmm, bei meiner Mutter im Garten liegt auch der Grabstein vom Opa. Ohne dass der da beerdigt ist. Das Grab wurde nach seiner Umbettung in das Grab von der Oma (ist über 40 Jahre später gestorben) eingeebnet und der Grabstein sollte nicht einfach entsorgt werden.
Nur anbei: Ich kenne einige Familien die „Heimgräber“ für Verwandte haben die während des zweiten Weltkriegs oder unmittelbar danach gestorben sind… Damals hat man es -grade am Land und grade im Bereich zur französischen Grenze- nicht so eng genommen mit der Friedhofspflicht, grade wenn es sich um „Flüchtlinge“ handelte. (Mir ist z.B. aus der eigenen buckligen Verwandtschaft ein Fall -da allerdings in Hessen- bekannt in der sich schlichtweg kein Friedhof fand der den Toten aufnehmen wollte…Er war ja Protestantisch.)
Gruß, Eugen.
Das haben wir hier auch; jedes zweite (alte) Haus hat im Garten ein paar Gräber. Weil Protestanten ja nicht in geweihte Erde durften. Die werden auch – soweit das Amt davon erfährt – als Friedhof katasterisiert und sind dann nicht mehr bebaubar, wenn nicht ein Nachfahre der Bestatteten das genehmigt. Was schwierig werden kann.
Die jüngeren Gräber, ab etwa 1800, haben auch Grabsteine, die älteren – eher nicht.
Für Überraschungen beim Gärtnern ist also gesorgt.