Menschen

Der Patentmann -9-

Dr. Kümmerling-Hasenschart, ein Jurist vom alten Schlag, der als recht teuer bekannt war, blätterte den Schriftsatz erstaunlich schnell durch. Ich kann ja auch schnell lesen, aber er brauchte nur jeweils wenige Augenblicke, um den Inhalt der Seiten zu erfassen. Mit herabgezogenen Mundwinkeln hab er den Brief an Herrn Rechtsanwalt Mock, von Mock, Mock und Blömerbein und lehnte sich, ganz leicht mit dem Kopf schüttelnd zurück und trank von seinem Viertele Wein.
Auch Hans Mock war schnell mit dem Brief durch, legte ihn vor sich auf den Tisch und tippte mit dem Finger darauf: „Diese Anwältin ist gut. Sie hat Recht und dieser Herr Schade, Du hast übrigens einmal vergessen, den Namen zu schwärzen, wird leer ausgehen, in jedem Fall und überhaupt.“

„Jawoll, da gibbet ganix dran zu rütteln“, stimmte Klaus Kümmerling-Hasenschart zu und erklärte mir: „Sie mal, das ist so. Der Schade ist ja nicht unehelich auf die Welt gekommen. Als er geboren wurde, waren seine Mutter und der Mann der Mutter ja bereits verheiratet. Der Mann hat den Jungen als seinen Sohn eingetragen. Nach § 1592 Nr. 1 BGB wird derjenige als Vater gesetzlich vermutet, der bei der Geburt des Kindes mit der Kindsmutter verheiratet ist. Das gilt auch dann, wenn es nach Lage der Dinge, das wäre hier die nachweisbare Kriegsgefangenschaft des gesetzlichen Vaters, dieser das Kind gar nicht gezeugt haben kann.“

„Und“, fügte Mock nun mit nach oben ausgestrecktem Zeigefinger hinzu: „Dieser § 1592 entfaltet eine absolute Sperrwirkung!“

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„Ja und was heißt das? ‚Absolute Sperrwirkung‘?“ fragte ich.

Die beiden Juristen sahen sich grinsend an, offenbar froh darüber, daß sie vor mir altem Kaufmann mit ihrem juristischen Wissen glänzen konnten und Kümmerling-Hasenschart holte tief Luft und zelebrierte seine Erklärungen förmlich:

„Es erübrigt sich damit jedwede Diskussion über das angebliche Vaterschaftsverhältnis des anderen Mannes, wer immer das auch sein möge. Diese Vaterschaftsvermutung für den gesetzlichen Vater besteht, Punkt. Es kann nur eine Vaterschaftsanfechtung nach § 1600 BGB erfolgen, allerdings nur innerhalb von zwei Jahren. Da diese Frist aber nun einmal vorüber ist, ist sie eben versäumt worden und damit ist der Anspruch auf eine Vaterschaftsfeststellung absolut ausgeschlossen.“

„Okay, der hat aber erst vor einigen Jahren, beim Tod seiner Mutter überhaupt von diesen Umständen erfahren, der wußte ja gar nichts von seinem leiblichen Vater“, wandte ich ein.

„Tja“, meldete sich Mock zu Wort: „Das ist aber auch länger als zwei Jahre her. Diese Zweijahresfrist beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem man erfährt, daß jemand anders der Vater sein könnte und dann muß der Anfechtungsberechtigte, in diesem Fall der Herr Schade, innerhalb von zwei Jahren aktiv werden. Wie man aber aus dem Schriftsatz der Anwältin hier entnehmen kann, ist die Mutter ja schon vor weitaus mehr als zwei Jahren verstorben und wenn der Herr Schade sich damals nicht gerührt hat, bleibt es bei der gesetzlichen Vaterschaftsvermutung und sein Vater Schade ist und bleibt sein Vater, da kann er machen was er will. Da kann er Beweise vorlegen, DNA-Proben herbei zaubern, Zeugen bringen und Stein und Bein schwören, nichts, aber auch gar nichts wird ihm da helfen.“

„Genau so ist es“, fügte Kümmerling-Hasenschart, sichtlich zufrieden mit dem Thema des Abends, hinzu: „Keine Vaterschaft, kein Erb- oder Pflichtteilsanspruch, nix, gar nix. Familie ist Familie und die Familie wird durch das Grundgesetz in besonderem Maße geschützt. Der Familienfrieden ist wertvoll und schützenswert. Kommt da jemand auf einmal dahinter, daß er das Kind eines anderen Mannes ist, so ist auch des Vaters Familienfrieden schützenswert. Dann muß man sich sputen, die Beweise auf den Tisch legen und das Verfahren in Gang bringen, allerdings bitteschön innerhalb von diesen zwei Jahren. Macht man da nix, dann muß auch weiterhin Ruhe im Karton sein, damit die Familien, so wie es war, in Frieden weiterleben können. Das gilt dann als Fakt, egal was vielleicht wirklich Fakt ist.“

„Der hat also überhaupt keine Chancen?“ fragte ich.

„Nein“, kam es von Dr. Kümmerling-Hasenschart und Rechtsanwalt Mock fügte ein entschiedenes „Auf gar keinen Fall!“ hinzu.

Der Fall beschäftigte uns noch über eine Stunde und später kam auch noch Frau Rechtsanwältin Böckler hinzu, die aber auf Steuerrecht spezialisiert ist, die Sichtweise ihrer Kollegen aber teilte.

Am nächsten Morgen hatte sich, das hörte ich von der Gemüsefrau, schon das Gerücht im ganzen Stadtteil verbreitet, ich sei über Nacht zum Milliardär geworden und ein zum Tode verurteilter Schwerverbrecher aus Südamerika könne beweisen, daß er mein Sohn ist, aus einer Beziehung mit einer brasilianischen Sambatänzerin.

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