Geschichten

Die Beerdigung von Oma Maria

Normalerweise schreibe ich ja allein hier die Texte für das Bestatterweblog. Aber dieses Mal hat sich Leser Dieter hingesetzt und die Geschichte „Die Beerdigung von Oma Maria“ aufgeschrieben.
Ich möchte Euch das nicht vorenthalten:

Die Beerdigung meiner Oma Maria
Mein Opa Wilhelm (Chefarzt einen Lungenfachklinik und starker Kettenraucher!) verstarb 1967 mit 57 Jahren an Lungenkrebs. Da war ich 8 und habe außer Fotos kaum noch Erinnerungen an Ihn.
Die Urnenbestattung war bei Bad Dürkheim /Pfalz in dem Ort, indem er Jahre zuvor für die ganze Familie (3 verheiratete Kinder mit 5 Enkeln) eine Villa auf reichlich Grund und Boden errichtet hatte. Da er jemand war, der alles Bestimmte, ging er auch davon aus, dass sich die Familie, die sich dort ab und am Wochenende traf, in dem von Ihm auf viele Jahre im Voraus gekaufte Familiengrabstelle („mit vielen Reserveplätzen“) beerdigen lassen würde. Der eigentliche Lebensmittelpunkt der Kinder und Enkel war allerdings ca. 100-150km entfernt im Saarland. Nach dem zu frühen Tod von Wilhelm kam es wie es kommen musste. Meine Oma, die mit einem Leitenden aber eben „nur angestellten“ Arzt (im Gegensatz zu Ihren Freunden und Bekannten, die selbstständige Fachärzte waren, die sich gestern wie heute eine goldene Nase verdienten) verheiratet war, bekam eine üppige Witwenrente, die allerdings bei weitem nicht ausreichte um die Restschulden auf die Villa und sonstigen kleinen Annehmlichkeiten des Lebens (Mercedes Cabrio, Motorboot mit Liegeplatz am Weiher usw.) abbezahlen zu können. Es wurde alles verkauft. Übrig blieb das Familiengrab ausgelegt für 4 nebeneinanderliegenden Sargplätzen und das tatsächlich nur mit einer Urne belegt war.

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Mehrere Jahre vergingen indem die Familienmitglieder 2-3 pro Jahr mit Oma am Grab waren. Die Grabpflege wurde regelmäßig von einer ortsansässigen Frau übernommen, so dass es immer gepflegt aussah. So weit war alles in Ordnung. Als Jugendlicher wurde Maria zu meiner Vertrauten, mit der ich über alles reden konnte und mit der ich Klamotten einkaufen ging. Sie war eine „Frau von Welt“ offen, ohne Vorurteile und das Leben genießend. Sie, die früher von Ihrem Mann „unterdrückt“ wurde, blühte richtig auf.
Sie wurde älter und bedurfte etwas Betreuung. Ich errichtete neben meinem Elternhaus in einem Ort im Saarland ein Mehrfamilienhaus in dem Sie eine großzügig ausgestattete Wohnung bezog. Dort lebte Sie weitere unbeschwerte Jahre. Allmählich ging es meiner Oma schlechter. Sie äußerte öfter den Wunsch bei Wilhelm beerdigt zu werden. Viele in der Familie wiesen daraufhin, dass Sie auf Grund der Entfernung wohl wenig Besuch erhalten würde.

Jetzt war Sie in einem Dilemma. Sie wollte unbedingt zu Ihrem Mann aber hatte auch kein gutes Gefühl selten „Besuch zu erhalten“. Zusätzlich näherte sich die 25-jährige Liegefrist Ihrem Ende zu. Das Grab sollte dann eingeebnet werden, da klar war, es wollte keiner mehr dorthin.
Wir haben bei der Gemeindeverwaltung des Wohnortes meiner Großmutter einen Antrag gestellt, Opa Wilhelm nach der Liegefrist in der Pfalz auf unseren Friedhof in ein dann zu erwerbendes Familiengrab umzubetten sei. Trotz unseres Hinweises, dass die Urne damals aus massiven Kupfer gewesen, und wahrscheinlich noch vollständig erhalten sei, wurde unser Antrag zweimal mit der Begründung abgelehnt, dass die Liegefrist nun mal vorbei sei (auch wenn es auf einem anderen Friedhof gewesen sei). Meiner Oma ging es immer schlechter und saß nur noch mehr oder weniger apathisch im Rollstuhl. Ich konnte es nicht mehr mit Ansehen. Mein Verständnis für die „Herren am grünen Tisch“ war nicht sehr groß.

Ich habe dann Maria gefragt, ob Sie etwas dagegen hätte wenn ich in Eigeninitiative entwickeln dürfte. Sie hatte eher Sorge um Ihren Enkel wegen rechtlicher Dinge, was ich komplett beiseite wischte. Ich bin dann die 150 km los, habe im Grab gebuddelt bis es „Pleng“ machte und Opa in Händen hielt (Respektvoll und mit einem guten Gefühl).
Ich habe das so diskret wie möglich gemacht. Diejenigen die mich sahen, vermuteten, dass ich das Grab einebnen würde. Was ja auch stimmte. Mit dem Tod war ich buchstäblich so noch nie in Berührung gekommen.
Bei einer mir fremden Person wäre mir das wahrscheinlicher schwerer gefallen. Aber es ging mir um Maria. Auf der Fahrt habe ich dann mit Opa gesprochen. Das war für mich keine „Grabschändung“, sondern ein gutes Werk. Nachdem ich die Urne gesäubert und noch ein bisschen poliert hatte, wurde sie in der Nacht genau gegenüber dem Küchenfenster meiner Großmutter neben einer riesigen Tanne in den Boden gesetzt.
Am nächsten Morgen zeigte ich Maria, die auf dem Rollator saß, vom Küchenfenster aus, wo Ihr Mann liegt. Sie hat zukünftig sehr häufig aus dem Küchenfenster geschaut.
Ich habe Ihr versprochen, dass ich es irgendwie an Ihrer Beerdigung schaffen würde, Wilhelm mit in das Urnengrab zu setzen. Es wurde zwischen uns Verschwiegenheit gegenüber der Familie vereinbart.
Eine Woche später war der Rollator/Rollstuhl Vergangenheit. Ich hatte wieder meine Lebenslustige Oma.
7 Jahre später schrieben wir die schon geschriebenen Geburtstagseinladungskarten 5 Wochen vor Ihrem 85.sten in Benachrichtigungen zum Versterben meiner Oma um.
Um 14.00 sollte die Trauerfeier mit anschließender Beisetzung der Urne sein. Ich hatte noch ein Versprechen einzulösen. Um 10.00Uhr sah ich das Loch, das viel zu flach für zwei Urnen war. Durch reichlich Trinkgeld und der Erklärung, dass meine Oma immer Angst gehabt habe von Hunden ausgebuddelt zu werden, konnte ich die mir bekannten Gemeindearbeiter dazu bringen das Loch nochmals 80cm tiefer zu schachten. Ich habe meinen Eltern eröffnet, dass wir wohl gut eine Stunde vor der Trauerfeier am Friedhof sein sollten, da wir noch etwas zu erledigen hätten. Das Urnennetz, das mir ein Freund, der nebenberuflich im Bestattungsgewerbe tätig ist, besorgt hatte, leistete mir gute Dienste, als wir zu dritt ganz eng, quasi als Sichtschutz, um die letzte (diesmal tatsächlich letzte) Ruhestätte meiner Großeltern standen. Meinen Eltern wurde die wundersame Genesung meiner Oma im Nachgang klar. Sie wurde 2 Stunden später über Wilhelm in den Boden abgesenkt. „Sieh´ste Oma jetzt stehst Du wenigstens im Tod über dem Opa“. Es erleichterte mir die Situation ungemein.
Falls ich erwischt worden wäre und es rechtliche Konsequenzen gehabt hätte, ich würde wieder so handeln. Danach habe ich noch zweimal die Urnen sehr guter Freunde auf deren letzten Weg getragen. Für mich war es ein noch persönlicher Abschied.

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(©si)